ÖVP: Querschüsse gegen Parteichef Mitterlehner

GRUNDSATZREDE 'WIRTSCHAFTSLAGE OeSTERREICHS': MITTERLEHNER
GRUNDSATZREDE 'WIRTSCHAFTSLAGE OeSTERREICHS': MITTERLEHNERAPA/HERBERT NEUBAUER
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Die Arbeiterkammer-Präsidenten von Vorarlberg und Tirol greifen den ÖVP-Chef offen an. Mitterlehner bezeichnet die Führungsfrage als „nicht diskussionsreif“.

Wien. Eigentlich war es als Befreiungsschlag gedacht: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat am Freitag eine Rede zur Lage der Nation gehalten. Das ist eine langjährige Tradition in der ÖVP, die dazu dient, die Funktionäre hinter dem Parteichef zu scharen. Mitterlehner stand diesmal besonders unter Druck: Die ÖVP liegt in Umfragen nur noch bei 18 Prozent. Und in der ÖVP ist es ein offenes Geheimnis, dass der Vorsitzende ein Ablaufdatum hat. Außenminister Sebastian Kurz steht als Nachfolger parat, er dürfte die Partei wenige Monate vor der nächsten Nationalratswahl übernehmen.

Der Befreiungsschlag ging gründlich schief. Nicht nur weil sich die Begeisterung der Zuhörer bei Mitterlehners programmatischer Ansage in Grenzen hielt – die Rede lieferte auch den Anlass dafür, dass erstmals offene Kritik am Parteichef aus den eigenen Reihen laut wurde. Das ist nach alter ÖVP-Tradition der Startschuss für eine offen ausgetragene Obmanndebatte.

Aus der Deckung gewagt haben sich diesmal die beiden schwarzen Arbeiterkammer-Präsidenten. Der Vorarlberger Hubert Hämmerle und der Tiroler Erwin Zangerl stießen sich an den wirtschaftspolitischen Ansagen Mitterlehners – und das in einer Diktion, wie sie eigentlich nur in Polemiken zwischen unterschiedlichen politischen Parteien vorkommt. „Vermutlich braucht er bald einen neuen Job und preist sich deshalb der Wirtschaft in den süßesten Tönen an“, so Hämmerle in den „Vorarlberger Nachrichten“ über die wirtschaftsfreundlichen Aussagen seines eigenen Parteichefs. Und zu Mitterlehners Ansage, das Land nach vorn bringen zu wollen: „Das Einzige, was der Vizekanzler nach vorn bringt, ist die ÖVP. Nämlich um einen Buchstaben. Aus der ÖVP wird die ÖWP – die Österreichische Wirtschaftspartei.“

Zangerl kokettierte in einer Aussendung gar mit einer Spaltung der Partei: Man müsse sich überlegen, wer die Interessen der arbeitenden Bevölkerung in Zukunft besser vertreten wird als eine Volkspartei unter Mitterlehner, die in Globalisierung und Neoliberalismus das allein selig machende Heil suche. Mitterlehner spalte die Volkspartei von den Arbeitnehmern ab. Bei so viel „Mut“ müsse man Angst um die Partei und um das Land haben.

Unterstützung für Mitterlehner kam am Samstag lediglich von seiner eigenen Teilorganisation, dem Wirtschaftsbund. Generalsekretär Peter Haubner antwortete den Parteifreunden mit einigem Sarkasmus: „Ich freue mich, dass es sich nach so vielen Jahrzehnten bis in die Arbeiterkammern Tirol und Vorarlberg durchgesprochen hat, dass die ÖVP die einzige Partei in Österreich ist, die sich um die Wirtschaft kümmert.“ Mitterlehner selbst wich im Ö1-„Mittagsjournal“ der Obmanndebatte aus. Die Frage, ob er oder Sebastian Kurz die ÖVP führen soll, sei „eigentlich jetzt nicht diskussionsreif“.

Die Frage könnte sich aber bald stellen. Denn dass die Koalition noch lang hält, bezweifelte am Samstag auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). Er sei sich „nicht sicher“, ob es gelingen werde, bis zum nächsten Wahltermin im Jahr 2018 zusammenzuarbeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2016)

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