Vorspiel für Rot-Blau? "Man kann sich nicht immer beflegeln"
Intern kommt Christian Kerns neuer Ton gegenüber der FPÖ gut an. Ob die Vranitzky-Doktrin ausgedient hat, darüber hält man sich bedeckt. Außer in Wien.
30.12.2016 um 15:05
Die sachliche, freundliche, ja in mancher Augen fast schon amikale Diskussion zwischen Kanzler Christian Kern (SPÖ) und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kommt innerhalb der SPÖ gut an. Irritationen? Die gebe es vielleicht bei politischen Beobachtern, aber doch nicht bei den Genossen. Der Tenor: endlich wieder eine sachliche Auseinandersetzung. Der Auftritt des Parteichefs sei professionell und richtig gewesen. Über eine mögliche Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Bundesebene hält man sich aber weiter bedeckt. Nur in Wiens linkem SPÖ-Flügel ist man kritischer: Rot-Blau sei schwer bis gar nicht vorstellbar, neuer Ton hin oder her. Von Dietmar Neuwirth, Martin Fritzl und Bernadette Bayrhammer
(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek lobt die ruhige und sachliche Debatte zwischen den Parteichefs von SPÖ und FPÖ, die „sehr respektvoll“ miteinander umgegangen seien. Das sei der Diskussionsstil, den sie von Kern kenne, Strache habe sie dagegen schon ganz anders erlebt. Ob das einen neuen Umgang der Sozialdemokraten mit den Freiheitlichen markiert? „Das war kein Wechsel im Verhältnis zur FPÖ, sondern ein Wechsel in der Diskussionskultur.“ Und da sei eben herausgekommen, dass es in manchen sachlichen Bereichen inhaltliche Übereinstimmungen gibt. Das gelte beispielsweise für die Arbeitsmarktpolitik. In anderen sei eine Übereinstimmung aber in weiter Ferne. Ob nicht das Zugeständnis, dass es Gemeinsamkeiten gebe, schon ein neuer Ansatz im Verhältnis zur FPÖ ist? Heinisch-Hosek merkt an, dass es da in letzter Zeit wohl an Gelegenheit gefehlt habe. „Es hat länger schon keine sachliche Diskussion dieser Art gegeben.“ Als Vorspiel für eine rot-blaue Koalition sieht sie das Gespräch der beiden Parteichefs nicht. Dafür sei jene Gruppe in der SPÖ zuständig, die derzeit den Kriterienkatalog für Koalitionen erarbeitet.
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„Es gibt Veränderungen in der politischen Landschaft und es gibt neue Machtverhältnisse. Dem muss Rechnung getragen werden.“ Die neue oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Birgit Gersthofer findet es absolut verständlich, wenn Kern auch mit Strache Gespräche führe. Und weiter: „Das wirklich Relevante ist, dass man normal miteinander reden kann, das ist wirklich positiv. Ich in froh, dass man in die Nähe einer normalen Kommunikation kommt. Man kann sich nicht immer beflegeln, um Meinungen auszutauschen.“ Denn, wie sie unter Verwendung einer Aussage Kerns meint, es gehe darum, „in diesem Land etwas voranzubringen“. Bei politischen Beobachten und Journalisten gebe es jetzt vielleicht Irritationen über das gute Gesprächsklima, das bei dem öffentlichen Auftritt zwischen Kern und Strache geherrscht habe. In ihrer Partei, der SPÖ also, sieht sie jedoch keine derartigen Irritationen. Ob nicht die Vranitzky-Doktrin (keine Zusammenarbeit mit der FPÖ) ausgedient habe? Gerstorfer: „Das weiß ich noch nicht.“ Dafür gebe es die internen Beratungen über Koalitionsbedingungen, die bis zum SPÖ-Bundesparteitag am 12./13. Mai beendet sein müssen. Ob der Auftritt Kerns mit Strache nicht eine Wahlhilfe für FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer bei der Wahl des Bundespräsidenten sein könnte? „Ob das für den einen schädlich und den anderen hilfreich war, werden wir vielleicht erst am Abend des 4. Dezember sehen. Warum sollte ein derartiges Gespräch kurz vor einer Wahl aber opportun oder nicht opportun sein.“
Tanja Wehsely, Vizechefin im Wiener SPÖ-Rathausklub: „Ich finde es o. k., wenn man die FPÖ sich nicht in einer Opferrolle gerieren lässt.“ Es sei daher in Ordnung, wenn der SPÖ-Parteichef „in normalem Ton“ auch mit dem Spitzenvertreter der FPÖ spreche. Allen sei ohnedies ganz klar, wo Christian Kern politische stehe. Hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Bundesebene meint sie zunächst nur, es gelte abzuwarten, was die SPÖ-internen Beratungen hinsichtlich des Kriterienkatalogs ergeben werden. Aber, schränkt Tanja Wehsely dann doch deutlich ein: „Ich bin nicht die einzige, die sagt, eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ist schwierig bis gar nicht vorstellbar.“
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Der steirische Vizelandeschef Michael Schickhofer hat erst am Mittwoch selbst eineinhalb Stunden lang mit dem FPÖ-Chef gesprochen, im Rahmen seiner Initiative „Ein Österreich – eine Gesetzgebung“. „Aus meiner Sicht braucht es mehr Argumentation und weniger Emotion“, sagt er. Es bringe wenig, wenn man sich wechselseitig anschreie. „Man muss sich mit der FPÖ inhaltlich und sachlich auseinandersetzen.“ Wie Kern sei er der Überzeugung, dass mit jedem geredet werden solle, sagt Schickhofer. „Das ist für mich Demokratie.“ Was eine mögliche Zusammenarbeit mit der FPÖ angeht, ist er zurückhaltend: Man müsse erst einmal den Kriterienkatalog der SPÖ abwarten. „Es liegen sicher mittlere Welten zwischen den beiden Parteien“, sagt der Steirer. Aber man wisse nie, wie sich die Freiheitlichen langfristig entwickeln würden. Wenn die FPÖ bereit sei auf einen sozialdemokratischen Kurs einzuschwenken, der den Kriterien entspreche, die nun erarbeitet werden – darunter etwa ein Aus für menschenverachtende Aussagen, ein Ja zur EU und Vermögenssteuern – müsse man darüber reden.
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Ja, es gebe gravierende Unterschiede zwischen den Parteien, aber auch eine Kultur der Auseinandersetzung, resümierte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser gegenüber Ö1. Auf Kaiser geht die Idee eines Kriterienkatalogs für künftige Koalitionspartner der SPÖ zurück, der gerade erarbeitet wird.
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Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl betonte, die Wähler der verschiedenen Parteien wohnten Tür an Tür als Nachbarn, und auch die Chefs der politischen Parteien müssten ins Gespräch kommen. Zur Frage einer rot-blauen Koalition zeigte er sich zurückhaltend: "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer."
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