Ärger in der ÖVP vor Kanzler Kerns Rede

Bundeskanzler Christian Kern.
Bundeskanzler Christian Kern.(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Kanzler Christian Kern stellt diese Woche in einer großen Ansprache seine Reformpläne vor. Einer seiner Berater im Kanzleramt sorgte am Wochenende für Unmut bei der ÖVP: Der Spindoktor bereitet sich schon auf den Wahlkampf vor.

Wien. Christian Kern ist im neuen Jahr auffallend zurückhaltend. Noch. Der Bundeskanzler gab keine ausführlichen Interviews, auch öffentliche Auftritte waren nicht geplant. Sogar auf Instagram, einem beliebten sozialen Medium des SPÖ-Chefs, wurde seit zwei Wochen kein Foto des Kanzlers mehr gepostet.

Aber wie gesagt, die mediale Abstinenz ist nur von kurzer Dauer. Und sie ist vor allem Kalkül: Das Schweigen soll den Spannungsbogen bis zum kommenden Mittwoch halten. An diesem Tag hält Kern in Wels eine große Rede. Ihr Titel: „Worauf warten? Zeit, die Dinge neu zu ordnen“. Ihr Inhalt? Die Details sind noch nicht öffentlich bekannt. Kern will jedenfalls neue Ideen zur Zukunft Österreichs präsentieren – im Bereich Wirtschaft, Steuern, Soziales und Bildung. Mindestens genauso spannend dürfte jenes sein, was der Kanzler in seiner Rede eben nicht anspricht. Aus seiner Partei, der SPÖ, heißt es: Eine Kampfansage an die ÖVP werde es nicht geben. Man will den großen Auftritt im Jahr 2017 also nicht mit einer Attacke auf den Koalitionspartner beginnen.

„Jahr der Reformen“

Dieser will die mediale Bühne aber nicht allein der SPÖ überlassen. Vor allem nicht, weil sich der Kanzler für seine Ansprache just jenen Termin ausgesucht hat, an dem auch die Klausur des ÖVP-Klubs stattfindet. Am kommenden Montag will Finanzminister Hans Jörg Schelling ebenfalls eine Ansprache halten. Im Finanzministerium wird er die Pläne für sein Ressort präsentieren. Im Vorfeld rief er 2017 schon einmal zum „Jahr der Reformen“ aus.

Doch so ganz ohne Verstimmungen kam man am Wochenende dann doch nicht aus. Denn wie „Die Presse am Sonntag“ berichtete, dürfte man in der SPÖ schon erste Vorbereitungen für den Nationalratswahlkampf treffen. Vor allem für einen Wahlkampf, der auf ÖVP-Seite wohl von Außenminister Sebastian Kurz angeführt wird: Ein von Kern engagierter Spindoktor, Tal Silberstein, soll das (private) Umfeld und die Vergangenheit des potenziellen neuen Parteichefs beleuchten. Möglicherweise, um sogenanntes Negative bis hin zu Dirty Campaigning zu betreiben. Also ein untergriffiges Anpatzen des Gegners.

Kanzler Kern selbst dementiert aber entschieden, dass die SPÖ Nachforschungen über Kurz anstelle: Unter seiner Führung werde es solches keinesfalls geben, sagte er am Sonntag. Er würde es auch nicht dulden. Ferner hieß es am Wochenende aus der SPÖ, die ÖVP solle sich nicht über Dirty Campaigning beschweren, wenn sie es offensichtlich selbst betreibe. Was meint man damit? In der ÖVP schreckte man am Sonntag empört auf und kritisierte die SPÖ. „Diese Art von New Deal macht mich grantig und stört mich unheimlich“, sagte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter zur Austria Presse Agentur. Es sei eine „neue Stufe“, wenn man nun im Privatleben von Politikern herumstöbere.

Auch der Zweite Nationalratspräsident, Karlheinz Kopf, findet die Vorgänge „sehr bedauerlich“. „Ich bin nicht naiv, ich weiß, wie hart Wahlkämpfe geführt werden“, meint er zur „Presse“. Aber: „Ich möchte auch rechtzeitig an alle appellieren, die Finger von solchen Verunglimpfungen zu lassen.“

Kopf mahnt zur Vorsicht

Kopf könne zwar „die Nervosität verstehen, weil die Performance von Sebastian Kurz andere Leute irritiert“. Allerdings seien Verunglimpfungen zu unterlassen. Sonst würde der Gegner darauf reagieren. „Und am Ende werden die demokratischen Institutionen beschädigt.“ Man beklage sich schließlich immer wieder über die fehlende Akzeptanz für die Politik und einen Mangel an Nachwuchs. Zur Vorsicht mahnt er aber nicht nur die SPÖ, sondern alle Parteien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2017)

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