Kärntner Koalition an der Kippe

PK NACH SONDERSITZUNG DER K�RNTNER LANDESREGIERUNG ZU ANNAHME ODER ABLEHNUNG DES HETA-ANGEBOTS: BENGER / KAISER / HOLUB
PK NACH SONDERSITZUNG DER K�RNTNER LANDESREGIERUNG ZU ANNAHME ODER ABLEHNUNG DES HETA-ANGEBOTS: BENGER / KAISER / HOLUB(c) APA/GERT EGGENBERGER
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Die ÖVP verlässt ihre bisherige Linie und will keine Erwähnung der Slowenen in der Landesverfassung. Landeshauptmann Peter Kaiser schlägt einen Kompromiss vor.

Wien/Klagenfurt. „Die Fürsorge des Landes und der Gemeinden gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen.“ Dieser harmlos klingende Satz in der geplanten neuen Landesverfassung könnte die Kärntner Regierungskoalition zu Fall bringen – und ebenso deren wichtigstes Projekt, die Abschaffung des Proporzes. Die ÖVP hat am Montag bekräftigt, dass sie diesen Passus nicht mittragen und damit die Regierungslinie verlassen wird. SPÖ und Grüne beharren auf der Erwähnung der slowenischen Minderheit, können aber allein keine neue Verfassung beschließen.

Neben der finanziellen Sanierung des Landes nach der Hypo-Pleite ist die neue Landesverfassung das wichtigste Projekt der 2013 angetretenen rot-grün-schwarzen Dreierkoalition. Um die textliche Fassung wurde jahrelang gerungen, wobei nicht so sehr die Abschaffung des Proporzes und die Stärkung von Oppositionsrechten zum Thema wurden, sondern die eher symbolische Erwähnung der slowenischen Minderheit in der Verfassung. Schließlich war es der Kompromissvorschlag von ÖVP-Chef Christian Benger, der in den Begutachtungsentwurf übernommen wurde.

Dass Benger nun gegen seinen eigenen Vorschlag mobil macht, empört die Koalitionspartner ebenso wie die Vorgangsweise: Die ÖVP habe sich im Gegenzug für ihre ursprüngliche Zustimmung eine Änderung des Landwirtschaftskammer-Wahlgesetzes herausverhandelt, die inzwischen auch in Kraft ist. Benger selbst begründet seine Meinungsänderung mit „negativen Rückmeldungen aus der Bevölkerung“. Diese sei misstrauisch, weil es eine Vielzahl von Bevorzugungen slowenischsprachiger Kärntner gebe, etwa bei der Bestellung von Direktoren an zweisprachigen Schulen. Dass dies mit der Landesverfassung nichts zu tun hat, stimme zwar, werde aber in der Bevölkerung emotional vermischt.

Beobachter vermuten, Benger habe sich in seiner eigenen Landtagsfraktion nicht durchsetzen können. Vor allem der Abgeordnete Herbert Gaggl habe klar gemacht, nicht zustimmen zu wollen, und auf sein freies Mandat gepocht, worauf Benger umgeschwenkt sei. Immerhin ist Aktionismus gegen die slowenische Minderheit in Wahlkämpfen gut einsetzbar. Die nächste Landtagswahl findet spätestens im März kommenden Jahres statt.

Verhandeln, bis weißer Rauch aufsteigt

Für die Abschaffung des Proporzes tritt die ÖVP weiterhin ein. Man werde einen Vorschlag für die Landesverfassung machen und weiter verhandeln, „bis weißer Rauch aufsteigt“, sagte Benger am Montag auf einer Pressekonferenz. Das allerdings ist für die anderen beiden Regierungsparteien nicht akzeptabel: Man könne nicht aus einem ausverhandelten Gesetzesentwurf, dem die ÖVP in Landtagsausschüssen schon zugestimmt hat, nachträglich einen Teil herausstreichen. Und es wird genüsslich aus einer Presseaussendung Bengers aus dem Jahr 2015 zitiert, in der dieser die Minderheitenfrage als „Nebenschauplatz in Anbetracht der großen Verfassungsreform“ bezeichnet. „Wir haben unseren Hausverstand wahrlich für etwas anderes einzusetzen. Daher will ich das Thema vom Tisch haben, weil es für die Zukunft des Landes nicht relevant ist“, so Benger damals.

Freilich: Ohne ÖVP ist die Verfassungsreform nicht umsetzbar, denn die Koalition verfügt exakt über die Zweidrittelmehrheit im Landtag. Wenn nur ein oder zwei ÖVP-Abgeordnete dagegen stimmen, könnte es sich trotzdem ausgehen, weil das Team Stronach bereits Zustimmung signalisiert hat.

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) versucht, die Landesverfassung mit einem Kompromissvorschlag zu retten, der es Benger ermöglicht, gesichtswahrend aus der Angelegenheit herauszukommen: Der Passus über die slowenischsprachigen Landsleute soll erhalten bleiben, aber durch einen Hinweis ergänzt werden, dass dieser dem Artikel acht der Bundesverfassung nachempfunden ist, so ein Sprecher des Landeshauptmannes gegenüber der „Presse“.

Nicht nur die Frage der Verfassung entscheidet demnächst über die Zukunft der Regierung, sondern auch die Staatsanwaltschaft. Die Polizei hat letzte Woche die Ermittlungen in der Causa Top Team abgeschlossen. Sollte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Kaiser erheben, will der Landeshauptmann zurücktreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2017)

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