Causa Eurofighter

Von der österreichischen Abfangjäger-Allergie

Diese "fliegende Tonne" von Saab, eines der ersten Düsenkampfflugzeuge des Bundesheeres, steht heute im "Familienpark Hubhof" (www.hubhof.at) nahe Melk. Kinder kriechen gern durch den Triebwerksschacht.
Diese "fliegende Tonne" von Saab, eines der ersten Düsenkampfflugzeuge des Bundesheeres, steht heute im "Familienpark Hubhof" (www.hubhof.at) nahe Melk. Kinder kriechen gern durch den Triebwerksschacht.Greber
  • Drucken

Es war nie einfach, Österreich militärische Flugzeuge zu verkaufen. Nicht einmal geschenkt wollten wir die meisten davon. Bestandsaufnahme einer endlosen Tragikomödie mit Millionen meist unwissender Statisten.

Es war nie einfach, Österreich, jedenfalls der Zweiten Republik, militärische Flugzeuge zu verkaufen. Nicht einmal geschenkt wollten wir die meisten davon.

Schon als die Amerikaner am Höhepunkt des Kalten Krieges mit dem generösen Angebot in der Tür stehen, unserer kleinen Alpenrepublik drei Staffeln nagelneuer Jets der aktuellsten Technologiestufe (F-86 "Sabre") de facto zu schenken, lehnt Wien dankend ab und kauft 30 gebrauchte schwedische Saab J-29 "Tunnan" (Tonne).

Zu groß ist die Angst, dass man die Sowjets wegen der US-Maschinen beleidigt – die Russen stehen ja alles in allem mit 30.000 Kampfpanzern an der Ostgrenze oder deren Nähe und haben gerade ein zartes Pflänzchen ungarischer Freiheit überrollt. Lustigerweise wollten aber auch sie Österreich etwas zu fliegen geben, diesfalls Mikojan MiG-17 "Fresco". Ein Bundesheerpilot flog damit sogar probeweise in Polen, während eine BH-Kommission sich in den USA die Sabres ansah. Wurde aber beides nichts.

So lang her: Illustration einer F-86 "Sabre" im Luftkampf über Korea gegen MiG-15 (Koreakrieg, 1950-1953)
So lang her: Illustration einer F-86 "Sabre" im Luftkampf über Korea gegen MiG-15 (Koreakrieg, 1950-1953)digitalcombatsimulator.com

Während der Kubakrise 1962 schwirren so viele Kampfjets über Europa, dass es die Piloten schwer haben, nach der Landung irgendwo einen freien Abstellplatz zu finden. In Linz stehen derweil vorerst zwei in die Jahre gekommene Saab J-29 „Tonne" (Tunnan)auf Alarmbereitschaft und warten auf Luftraumverletzer. Allenfalls dokumentieren kann man damit Verletzungen der österreichischen Neutralität, denn in der Lage, den eigenen Luftraum auch nur halbwegs effektiv zu verteidigen, war man nie auch nur für eine Sekunde. (Danke übrigens auch der "Tigerstaffel" des Bundesheeres für einige der folgenden Fotos).

Saab "Tunnan" in Schwechat, 1960er-Jahre
Saab "Tunnan" in Schwechat, 1960er-Jahretigerstaffel.at
Eine fotografische Perle: Piloten der 1. Staffel, Jagdbombergeschader Linz-Hörsching, vor einer "fliegenden Tonne". Man beachte die Männer mit ungelenkten Raketen in Händen.
Eine fotografische Perle: Piloten der 1. Staffel, Jagdbombergeschader Linz-Hörsching, vor einer "fliegenden Tonne". Man beachte die Männer mit ungelenkten Raketen in Händen.tigerstaffel.at

Beschaffungs-Skurrilitäten tun ihr übriges. Ende der 1960er beschafft man 20 neue Trainingsjets – und eine Staffel "echter" Jagdflugzeuge soll folgen. Doch als Pakistan 1971 mit Indien wieder einmal Krieg führt und Schweden die dort bestellten Trainingsjets nicht liefern darf, landen auch diese in Österreich, zum Freundschaftspreis. Die letztlich 40 Trainer verkauft das Bundesheer fürderhin als Trainer, Jagdbomber, Aufklärer und Abfangjäger gleichermaßen der Bevölkerung – das „Mehrzweckkampflugzeug", es ist sozusagen eine österreichische Erfindung.

Österreich als Refugium fliegender Dinosaurier

Die Überreste dieser einst 40 Saab 105, von denen Österreich übrigens der einzige Exportkunde der Schweden bleiben sollte, fliegen noch heute.

Die guten, alten, ewigen Saab 105
Die guten, alten, ewigen Saab 105Bundesheer

Mitte der 1980er dann der Sprung ins Überschallzeitalter, Jahrzehnte nach dem Rest der Welt. Die von der Formgebung ziemlich auffällige Saab J 35Ö „Draken" - Versionen des Flugzeugs sind neben Schweden auch in Dänemark und Finnland im Einsatz - macht fleißig die Runde durch die Republik. Es gibt plötzlich acht Millionen Teamchefs und ungefähr eben so viele Flugzeugexperten.

Das Niveau der Debatten und Meinungsbeiträge dazu sinkt logischerweise ins Bodenlose. Frauen der 24 österreichischen Piloten, welche in Schweden zur Ausbildung sind, werden tagsüber beim Einkaufen gefragt „ob sie denn ihr Trauerkleid schon probiert haben", und ähnliches mehr.

Draken, gesehen aus einer Hercules des Bundesheeres anno 2003
Draken, gesehen aus einer Hercules des Bundesheeres anno 2003Wolfgang Greber

Viele Piloten halten dem öffentlichen und familiären Druck nicht stand und wechseln den Job. Als 1991 die Slowenienkrise ausbricht und die Alarmglocken schrillen, weil jugoslawische MiGs über der Steiermark und Kärnten fliegen und eine sogar in Klagenfurt landet, stehen die heftigsten Kämpfer gegen die Draken auf einmal in vorderster Reihe und fordern Luftraumüberwachung rund um die Uhr. Mit den letzten neun treu gebliebenen Piloten – für 24 Maschinen - tut die Luftraumüberwachung, was sie kann – mehr als Symbolik ist dermaßen dezimiert aber nicht mehr möglich.

Jugoslawiens Zerfall macht's möglich

Wie immer nach einer Krise ist die Wetterlage günstig für militärische Beschaffungen, und die Vernunft wird des Populismus kurz Herr. Kurzerhand teilt die Republik den Signatarmächten des Staatsvertrages mit, dass man sich an das „Spezialwaffenverbot" im Staatsvertrag nicht mehr gebunden fühlt (den Signatarmächten war das übrigens sowieso egal, die hatten unabhängig voneinander schon lange davor Österreich mit Offerten zum Kauf damals völlig zeitgemäßer Lenkwaffen eingedeckt).

Man beschafft also unter anderem amerikanische „Sidewinder"-Luft/Luft-Raketen sowie Selbstverteidigungselektronik für die Draken (die Verkabelung dafür war immer schon drinnen - wenn das nur wer gewusst hätte!), zudem Tiefflugerfassungs-Radargeräte sowie Boden/Luft-Lenkwaffen. Alles nicht in Massen, aber immerhin: Man hat erstmals die Möglichkeit, einen wenigstens überschaubaren Flecken Österreichs bis in Großglockner-Gipfelkreuz-Höhe für fremde Fluggeräte, die man dort nicht haben will, relativ ungastlich zu machen.

Der Draken indes war, wie vieles andere im Land, eine „Interimslösung". Versprochen und geplant war, dass man mit dem gebrauchten Hobel lernt und nach zehn Jahren ein brandneues Gerät gekauft würde. Böse Zungen behaupten, dieses Versprechen sei in der stillen Hoffnung gegeben worden, dass sich die Flieger binnen der Dekade alle „derstessn" und „dann a Ruh is". Stattdessen mühte sich die Truppe nach Kräften, um technisch, organisatorisch und taktisch rauszuholen, was ging, und stand Mitte der 90er-Jahre pünktlich wieder auf der Türmatte der Politik, um an das gegebene Versprechen zu erinnern.

Der große Werbereigen der Fliegeranbieter

Die Begeisterung in der Regierung, neue Flugzeuge zu kaufen, war aber, übertrieben gesagt, enden wollend. Die fliegende Truppe – seit jeher gewohnt, der Politik förmlich jede Schraube mühsam abzuringen - nahm den Kampf auf. Man testete mögliche Nachfolger, erstellte ein Pflichtenheft, beauftragte ein internationales Institut mit der Datenauswertung und veranstaltete im Sommer 1997 in Zeltweg eine Flugshow, um die Bevölkerung zu informieren. Es kommen mehr als 140.000 Zuseher und sehen dort fünf Kandidaten, aus welchen das Bundesheer gerne seinen Nachfolger für die alten Drachen wählen möchte: F-16 (Lockheed Martin) und F-18 (Boeing, beide USA), Mirage 2000 (Dassault, Frankreich), MiG-29 (Mikojan-Gurewitsch, Russland) und Gripen (Saab, Schweden).

F-16
F-16US Air Force
F-18
F-18US Marine Corps
Mirage 2000
Mirage 2000USAF
Polnische MiG-29 im doch etwas betontem Tiefflug...
Polnische MiG-29 im doch etwas betontem Tiefflug...YouTube/Screenshot
Saab Gripen
Saab GripenSaab

Die in ihren Endzügen dahindarbende große Koalition ist längst nicht mehr in der Lage, sich zu so einer unpopulären Beschaffung durchzuringen. Während der Lawinenkatastrophe von Galtür im Februar 1999 lassen sich die Versäumnisse und Mängel im Bereich der Heeresflieger aber nicht mehr verbergen. Die große Koalition stemmt sich noch mal hoch zu einem Beschluss, wenigstens neue Hubschrauber zu kaufen. Selbst die Finanzierung dafür bleibt aber vorerst offen. Es gibt noch eine Willensbekundung der Politik, sich der Frage der Luftraumüberwachung nochmals anzunehmen, bevor die große Koalition im Zuge der Nationalratswahl 1999 endgültig dahinscheidet.

Es obliegt schließlich der „Wenderegierung" aus ÖVP und FPÖ, sich die „kostengünstige Nachbeschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge" ins Regierungsprogramm zu schreiben und dies unter großen Mühen und Schmerzen auch durchzuziehen. Und so fällt am 22. Dezember 2000 der inoffizielle Startschuss zur größten Beschaffungsaktion in der Geschichte der Landesverteidigung der Republik.

Es fängt schon seltsam an

Interessantes Detail am Rande (der spätere Sieger wird zu diesem Zeitpunkt noch übergangen): Nur Amerikaner, Schweden und Franzosen werden gebeten, Informationen zu liefern, die Russen nicht - dafür drängt sich der deutsch-französisch-spanische EADS-Konzern noch rein, und Ende März wühlt sich das BMLV durch die eingelangten Unterlagen.

Das Prickelnde an so einer „Informationseinholung" ist, dass die gelieferten Papiere keine wie immer geartete Verpflichtung nach sich ziehen – und so kommt es, wie es kommen muss: Jeder kann angeblich alles und jederzeit liefern - na, das war doch gar keine Frage!

Bei der daraufhin formulierten Anbotseinholung durch Österreich sieht die Sache dann schon ganz anders aus. Die vorgelegten Angebote haben bindenden Charakter, und von „jeder kann alles jederzeit" ist auf einmal überhaupt keine Rede mehr.

Die erste Anbotseinholung scheitert tatsächlich noch 2001, weil kein Anbieter erfüllen kann, was da gefordert wird. Saab - noch am nächsten dran, die Vorstellungen Wiens zu erfüllen - scheitert nur an sogenannten Preisgleitklauseln: Heißt, Saab hatte verschiedene Preise angegeben, die je nach Termin der Vertragsunterzeichnung gelten. Die Ausschreibung allerdings hatte einen einzigen klaren Festpreis verlangt. Dabei hätte Schweden mit jedem seiner genannten Preise gewonnen.

Anfang 2002 will man es nochmal wissen, ohne Zwischenlösung und mit rascheren Lieferfristen. Es langen Angebote für die Gripen, F-16 und „Typhoon" des Eurofighter-Konsortiums, dessen Mitglied unter anderem EADS ist, ein. Im Juni scheidet die F-16 aus, der Anbieter Lockheed Martin kann zwei Musskriterien trotz Rückfragen nicht erfüllen. Am 2. Juli 2002 gibt Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ) die Typhoon, die in Österreich fast exklusiv „Eurofighter" genannt wird, als Sieger bekannt. Dass die gewünschten 24 Jäger bei einer neunjährigen Finanzierung 2,4 Milliarden Euro kosten werden, wird erst eine Woche später öffentlich.

Als das Wasser die Luft besiegte

Es folgen eine Hochwasserkatastrophe in Österreich, ein FP-Sonderparteitag in Knittelfeld, das Platzen der Koalition VP/FP 1, Wahlkampf, Neuwahl und Regierungsverhandlungen. Es dauert bis Februar 2003, bis man mit dem Bestbieter Verhandlungen aufnimmt, und erst im Mai 2003 folgt deren Abschluss. Danach ist das Parlament, und am Schluss der Bundespräsident, am Zug. Am 21. August 2003 steht schließlich das „Bundesgesetz über den Nachkauf von Luftraumüberwachungsflugzeugen“ (BGBl. I Nr. 71/2003, Artikel 69). Der Bund kauft 18 Luftraumüberwachungsflugzeuge Eurofighter um 1,969 Mrd. Euro. Dafür muss der Verkäufer aber „Gegengeschäfte" in Höhe von 200 Prozent der Vertragssumme in Österreich abschließen.

Ach weh, Kriegsgerät! Typhoons der RAF nach dem ersten Einsatz über Libyen, 2011.
Ach weh, Kriegsgerät! Typhoons der RAF nach dem ersten Einsatz über Libyen, 2011.MoD

Die einst im April 2002 übermittelte Information der Eurofighter GmbH in Hallbergmoos nahe München, die Flugzeuge ab 30. November 2004 bis Juni 2007 liefern zu können, ist zu diesem Zeitpunkt schon längst Illusion. Und es kommt noch viel dicker: Schon im Mai 2003 gab es Medienberichte über Finanzprobleme in Deutschland, die dazu führen sollen, dass die dort für 2003 vorgesehene Bestellung der Typhoons der ausstattungsmäßigen "Tranche 2" sich vermutlich bis 2007 (!) verschiebt. Die Industrie kämpft dagegen an und rechnet mit den Verträgen für die Tranche-2-Produktion der vier Herstellerländer binnen weniger Wochen.

Folgenschwere Verzögerungen

Doch das verzögert sich letztendlich lange. Mit rund 15 Monaten Verspätung wird sich Mitte Dezember 2004 die Industrie mit Deutschland, England, Italien und Spanien einig. Die Folgen dieser Verzögerungen sind bis heute für Österreich bedeutsam.

Ende 2005 wird der Draken in Österreich Geschichte
Ende 2005 wird der Draken in Österreich GeschichteGreber

Es war zu keiner Zeit (speziell nicht in der Düsen-Ära) und für keine Nation einfach, ein Kampfflugzeug zu entwickeln und zu bauen. Es ist ein Wettkampf um Leistung, Gewicht, Geschwindigkeit, Flughöhe, Reichweite, Nutzlast, Bedienbarkeit und Messtechnik – und das alles am obersten Limit des technisch und wirtschaftlich Machbaren. Und zu jeder Zeit gab es in einem oder mehreren Technikbereichen binnen kürzester Zeit enorme Fortschritte, weshalb manche technischen Merkmale, kaum entworfen und fertig getestet für die Produktion, schon wieder veraltet sind.

Vom modernen Flugzeugbau

Der Kampfflugzeugbau der 1990er- und 2000er-Jahre fällt in so eine Epoche: Während die Fortschritte in der Werkstofftechnologie für Flugzeugrumpf und Flügel, Triebwerkstechnologie und Aerodynamik ein sehr stabiles Umfeld liefern, um mit einer guten Konstruktion auch längerfristig technologisch auf Top-Niveau zu bleiben, sind die Fortschritte im Bereich der Elektronik atemberaubend. Rechen- und Speicherkapazität sowie Übertragungsraten, alles verdoppelt sich immer wieder binnen kurzer Zeiträume. Das ist Traum und Albtraum für die Konstrukteure – wissen sie doch, dass für einen vollständigen Konstruktions-Test-Produktions-Zyklus fünf Jahre und mehr zu veranschlagen sind.

Die Eurofighter der Tranche 1 sind technologisch noch in den späten 90er-Jahren verwurzelt. Die Bauverträge dazu wurden am 21. September 1998 unterzeichnet, die Fertigung endete 2007. Die Tranche-2-Verträge folgen wie erwähnt im Dezember 2004 – mehr als sechs Jahre später. Sechs Jahre, die vor allem im Bereich der Elektronik Platz für multiple Revolutionen lassen.

Die Auslieferung der Tranche 2 wird 2008 beginnen. Da aber die Fertigung einer Maschine – beginnend vom Bau der Teile mit der längsten Vorlaufzeit bis zu dem Augenblick, wo das fertige Flugzeug aus der Halle rollt – etwa vier Jahre beträgt, landet Österreich mit seiner Order vom Sommer 2003 am letzten Zipfel der Tranche-1-Bauteilfertigung.

Hätte, wäre, würde, könnte...

Es folgt eine Entscheidung mit Tragweite: Sechs der 18 Jets sollen noch aus der Tranche 1 kommen, die restlichen aus Tranche 2. Geliefert werden sollen vier Maschinen 2007, zwölf im Jahr 2008, die restlichen beiden 2009. Und es sollen in weiterer Folge die ersten sechs technisch auf Tranche 2 nachgerüstet werden. Eine „vollständige Gleichwertigkeit" muss laut Vertrag dabei aber nicht gewährleistet werden. Diesen Vertrag schließt man im besagten Sommer 2003, noch bevor eine Unterschrift der vier Eurofighter-Partnernationen unter den Tranche-2-Bauvertrag überhaupt absehbar ist.

Eingedenk einer Lernkurve, die man den Technikern beim Produktionsumstieg von Tranche 1 zu 2 zugestehen muss, ist eine Unterschrift unter den Tranche-2-Vertrag - und somit die politische Absegnung der Fertigung - nun mehr als dringlich.

Womit sich eine Frage stellt: War der Österreich-Vertrag ein Druckmittel der Industrie, um die vier Eurofighter-Partnerländer rascher zur Unterschrift unter den Tranche-2-Vertrag zu bewegen?

Hätte, wäre, könnte, würde. Die Zeit würde zeigen, dass noch Ende 2008 keine der vier nationalen Eurofighter-Endfertigungslinien mehr als vier Tranche-2-Modelle an Kunden ausgeliefert hat, bis Mitte 2009 waren es insgesamt 24 für vier Länder, gebaut auf vier Fertigungslinien.

Österreich hätte indes 2008 schon zehn Tranche-2-Flugzeuge und 2009 noch zwei bekommen sollen, alle zwölf endmontiert von der deutschen Fertigungslinie in Manching bei München. Realistisch scheint das angesichts der letztlich gebauten Stückzahlen nie erreichbar gewesen zu sein, dafür war schlicht viel zu lange keine Unterschrift unter dem Tranche-2-Vertrag der Partnernationen.

Die Sache mit der Wahrheit...

Heute wird der Umstand, dass EADS in Manching 2007/08 die ganze Produktion über den Haufen werfen musste, um statt neue Tranche-2 zu bauen gebrauchte deutsche Tranche-1 Eurofighter für Österreich herzurichten, es vermutlich verunmöglichte, einen Beweis zu führen, dass EADS nicht fristgerecht hätte liefern können.

Fertigungslinie in Manching
Fertigungslinie in ManchingEurofighter/Bundesheer

In Wien läuft inzwischen ein Untersuchungsausschuss im Parlament, und ein neuer Minister einer neuen Regierung sitzt im Verteidigungsministerium, welcher noch zu Zeiten als Parlamentarier den Untersuchungsausschuss mitbeschlossen hatte. An und für sich sind die Regeln für parlamentarische Untersuchungsausschüsse ja klar: Die Auskunftspersonen müssen wahrheitsgemäß antworten und alle Ämter und Behörden müssen ihre Akten vorlegen. So steht es im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats, und das galt auch für alle bis auf einen – Norbert Darabos.

... und mit dem Rechtsgutachten

Ende März 2007 beauftragt Norbert Darabos den Zivilrechtsprofessor Helmut Koziol mit einem Gutachten, das die Sachlage im Eurofighter-Vertrag bis hin zur Möglichkeit eines Ausstiegs beurteilen soll. Darabos gibt gegenüber der Presse bekannt, dass er am Wochenende des 14./15. April 2007 das Gutachten in Händen halten werde. Am Parteitag der SPÖ Burgenland in Oberschützen nennt er konkret Montag, 16. April 2007, an dem ihm der erste Teil des Berichtes vorliegen werde.

Womit der Minister offenbar nicht gerechnet hat ist jedoch die Begehrlichkeit des Ausschusses, der auch mit seiner Stimme mitbeschlossen worden war: Der FPÖ-Antrag, der den Bundesminister für Landesverteidigung auffordert, das übermittelte (Teil-) Rechtsgutachten betreffend Möglichkeiten des Ausstieges aus dem Eurofighter-Vertrag vorzulegen, geht einstimmig durch den Ausschuss. Doch Darabos weigert sich plötzlich. Begründung: Es gebe keinen Akt im Verteidigungsministerium zu dem Gutachten, und es verschlechtere seine Verhandlungsposition gegenüber Eurofighter, aus Teilen dieses Gutachtens zu zitieren.

Dem Ausschuss erzählt er, dass der Zwischenbericht nur seiner "persönlichen Begutachtung" diene und nicht Grundlage des Untersuchungsauftrages sei. Der Vorsitzende, Peter Pilz, erklärt dem Minister, dass der Aktenbegriff selbst bloße Notizen und Zettel umfasst, ja mit Sicherheit auch ein Teilgutachten oder provisorisches Gutachten. Es hilft alles nichts: Der allmächtige Ausschuss wird das Gutachten nie sehen und der Minister für seine Weigerung nie zur Verantwortung gezogen.

Während der Ausschuss noch läuft, arbeitet Minister Darabos an einer Doppelstrategie. In Erwartung, dass der Ausschuss vielleicht die Bombe liefert, die den Ausstieg ermöglicht, will er diese Option nicht ad acta legen. Parallel dazu sagt ihm das Gutachten von Professor Koziol, dass ein Ausstieg ohne stichhaltige Beweise hohe Risken birgt, da es auch zu klären sei, „ob die Republik ausreichend über die relevanten Unterschiede (zwischen Tranche 1 und Tranche 2, Anm.) aufgeklärt wurde". Die Beweislast dafür, das nicht worden zu sein, trägt die Republik.

Der "gute Kompromiss"

Um trotzdem irgendeinen politisch verwertbaren Erfolg vorweisen zu können, wird gleichzeitig an einem Vergleich mit Eurofighter verhandelt. Am 25. Juni 2007 erklärt Darabos vor versammelter Presse, er rechne "mit einem guten Kompromiss" mit der Eurofighter GmbH, was ein Vergleichsangebot betrifft. Der Abschluss des Vergleichs stehe unmittelbar bevor. Was er nicht erzählt, ist, dass er am Vortag bereits Handelseins mit Eurofighter geworden war und am selben Tag unterschrieben hat. Darabos bekam die formelle Ausfertigung des Gutachtens am 26. Juni 2007 – am selben Tag, an dem sein „Vergleich" mit Eurofighter bindend wurde.

Norbert Darabos, damals Verteidigungsminister, freute sich über das neue Gerät für seine Soldaten...
Norbert Darabos, damals Verteidigungsminister, freute sich über das neue Gerät für seine Soldaten...APA

Den Bericht des Untersuchungsausschusses – er hat mehr als 100 Zeugen befragt, 420 Stunden dauerten die Sitzungen, 6000 Seiten Protokolle wurden geschrieben, Darabos hat das Gremium zwischenzeitlich mehrmals als „Verbündeten" bezeichnet – hat Darabos aber nicht abgewartet. Und der Vergleich hat es in sich: Nichts von dem, was Österreich einst bestellt hat, wird kommen. Statt 18 sind es jetzt 15 Maschinen. Und statt in Tranche-2-Ausführung nur noch in der simpleren Tranche 1. Darüber hinaus wird auf diverses, in modernen Luftwaffen sogar ganz übliches Equipment verzichtet. Darabos rühmt sich darob einer Einsparung von bis zu 400 Millionen Euro. Der Rechnungshof wird nachher freilich nur 267 Millionen minus errechnen können.

Eine wahrhaft teure Ersparnis

Auf der technischen Seite hat der Vergleich dramatische Auswirkungen: Das bestellte Ersatzteilpaket – passend für Tranche 2 – etwa ist jetzt nutzlos und geht zurück. Die Teilefertigung für Tranche 1 ist jedoch längst abgeschlossen. Österreich bewegt sich nun als fünfter Kunde in einem Ersatzteil-Pool, der ursprünglich für die vier Partnernationen vorgesehen war und von diesen bestellt worden ist. Manche der „Umlaufteile" - jene Bauteile, die zwischen den Luftwaffen, die sie nutzen, und der Industrie, die Wartung und Reparatur durchführt, pendeln - sind in dem Pool so knapp, dass zu wenige vorhanden sind, um die gewünschte Einsatzbereitschaft erreichen zu können. In Folge müssen eigentlich neue Flugzeuge „kannibalisiert" bzw. ausgeschlachtet werden, um zumindest einen Teil der Flotten flugfähig zu erhalten.

Dass dieser Abtausch auch dazu führt, dass Österreich heute auf Typhoons sitzt, die man nicht einmal mehr verkaufen kann, auch wenn man es möchte – daran denkt zu diesem Zeitpunkt auch noch keiner.

Mit Datum Februar 2017 läuft also nun eine Anzeige wegen Betrugs gegen Eurofighter bzw. den nunmehrigen Dachkonzern Airbus. Dort aber bleibt man cool und sieht ein politisches Manöver. Und es soll ein neuer Untersuchungsausschuss kommen...

-----------

Luftfahrtexperte Martin Rosenkranz war als Chefredakteur von "airpower.at" in den vielen Jahren der Eurofighter-Ausschreibung, Beschaffung und den Nachwehen intensiv mit diesen Vorgängen beschäftigt und auch im Untersuchungsauschuss live dabei.

Sein Text wurde redaktionell und optisch bearbeitet von Wolfgang Greber (Die Presse).

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.