Kurz sucht Gespräch mit seinem Kritiker Karas

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sie haben bisher noch keine Linie in Fragen wie der Kürzung der Familienbeihilfe für EU-Zuwanderer oder bei der Reform der Gemeinschaft gefunden. Für den einzigen wirklichen Kritiker des neuen ÖVP-Chefs steht viel am Spiel.

Wien. Wer Othmar Karas kennt, weiß, dass er keine Ruhe geben kann. Wenn ihm in der Europapolitik seiner Partei etwas gegen den Strich geht, dann leidet er eine Weile, bis es irgendwann aus ihm herausbricht. Als etwa SPÖ und ÖVP einander mit immer neuen Vorschlägen bei der Diskriminierung von EU-Zuwanderern zu überbieten versuchten, kam aus Brüssel die harsche Aufforderung, die „Neiddebatte“ endlich zu beenden. Der Leiter der ÖVP-Delegation im Europaparlament kritisiert jeden Vorstoß, der innenpolitisch gut wirkt, den Grundsätzen der EU aber widerspricht.

Als etwa SPÖ und ÖVP im vergangenen Jahr eine Nachverhandlung des EU-Handelsabkommens Ceta forderten, prangerte Karas das lautstark an. „Die Politik ist vor der Stimmung in die Knie gegangen.“ Mit derartiger Kritik wandte er sich Anfang des Jahres auch an Außenminister Sebastian Kurz, der nun das Gespräch suchen will. Dieses „Mir san mir!“-Verhalten sei inakzeptabel twitterte Karas, nachdem der nun mächtigste Mann seiner Partei vorgeschlagen hatte, die Familienbeihilfe an die Kaufkraft des Landes anzupassen, in dem sich die jeweiligen Kinder befinden. Er wusste sich von der EU-Kommission bestätigt, die in einem Brief an die deutsche Bundesregierung ausgeschlossen hatte, dass Arbeitnehmer in der EU je nach Herkunft unterschiedliche Sozialleistungen erhalten.

Ähnlich sauer stießen ihm die Vorschläge von Kurz zur EU-Reform auf, die auf ein Mehr an nationaler Souveränität und eine Kürzung des EU-Budgets hinausliefen. „Leide seit Jahren darunter. Europa wurscht!“, twitterte einmal der EU-Abgeordnete, der seiner Partei den größten bundesweiten Wahlerfolg der letzten Jahre eingefahren hatte. Die ÖVP war 2014 bei der Europawahl mit 27 Prozent auf den ersten Platz gekommen.

Schon zweimal nach hinten gereiht

Auf Anfrage der „Presse“ wollte Karas am Montag nicht zur Nominierung des neuen ÖVP-Chefs und Spitzenkandidaten für die Herbst-Wahl Stellung nehmen. Er wolle ein Gespräch abwarten, dass ihm Kurz angeboten habe, hieß es aus Straßburg. Für den ehemaligen JVP-Chef, ÖVP-Generalsekretär und mittlerweile etablierten Europapolitiker steht einiges auf dem Spiel. Kurz hat sich ausbedungen, die Listen für künftige Wahlen selbst aufzustellen. Das wird auch die nächste Europawahl 2019 betreffen.

Karas freilich hat sich schon von Kurz' Vorgängern nicht mundtot machen lassen. Einmal war ihm dafür die ehemalige TV-Moderatorin Ursula Stenzel, das andere Mal Ex-Innenminister Ernst Strasser bei Europawahlen vor die Nase gesetzt worden. Dass er heute der einzige prominente Kritiker des neuen ÖVP-Frontmanns ist, dürfte ihn also nicht davon abhalten, auf eine weniger populistische Europapolitik zu drängen. Um sich eine eigene politische Basis neben seiner Partei zu schaffen, hat Karas bereits vor einigen Jahren das Bürgerforum Europa gegründet. Über diese Plattform versucht er, seine eigenen proeuropäischen Ideen zu verbreiten und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2017)

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