Kanzler Gusenbauer und Verteidigungsminister Darabos wollten aus dem Vertrag mit Eurofighter aussteigen, sagt der frühere Kabinettchef Kammerhofer. Und: "Das Bild, dass der Minister das allein gemacht hat, entspricht nicht der Wirklichkeit."
Zur Entlastung seines früheren Chefs, des Ex-Verteidigungsministers Norbert Darabos (SPÖ) , ist am Donnerstag im Eurofighter-U-Ausschuss sein früherer Kabinettschef Stefan Kammerhofer angetreten. Der Minister habe ebenso wie der damalige SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und auch er selbst alles daran gesetzt, aus dem Vertrag auszusteigen, betonte er dabei. Kurzum: "Der Ausstieg ist heute noch mein Ziel."
Kammerhofer schilderte die Voraussetzungen, als Darabos Anfang 2007 das Ressort übernahm. Der Minister habe aus dem unter der schwarz-blauen Bundesregierung abgeschlossenen Abfangjäger-Vertrag herauswollen, habe dafür im Ministerium aber kaum Unterstützung erhalten . Eurofighter-Chef Aloysius Rauen wiederum habe sich gebrüstet, den "besten Vertrag der Welt zu haben", an den Österreich gebunden sei. Die Hoffnung sei groß gewesen, aufgrund der Korruptionsklausel aussteigen zu können, die "Smoking Gun" sei aber im damaligen U-Ausschuss nicht aufgetaucht. "Wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, dass wir rauskommen mit der Korruption, wären wir in der Sekunde ausgestiegen", betonte er. Dies gelte auch für den Ex-Kanzler: "Alfred Gusenbauer hat alles daran gesetzt und uns jedes Pouvoir gegeben, um aus dem Vertrag rauszukommen." Für den Fall, dass das nicht ging, sei es um die möglichst hohe Reduktion der Kosten gegangen.
"Wir mussten irgendwie klarstellen, das ist ernst" Die Kritik, dass Darabos in den entscheidenden Verhandlungen fast alleine gehandelt habe, sich nur vom Gutachter Wolfgang Koziol unterstützen ließ und den Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn , ausgebootet habe, ließ Kammerhofer nicht gelten. "Das Bild, dass der Minister das allein gemacht hat, entspricht nicht der Wirklichkeit." Er zählte die involvierten Mitarbeiter auf, verwies gleichzeitig aber auf die große Fraktion jener im Verteidigungsministerium, die alles getan hätte, um die damals bevorstehende Abnahme der Flieger zu ermöglichen. "Wir mussten irgendwie klarstellen, das ist ernst."
Am 31. Mai 2017 hat der 21. parlamentarische U-Ausschuss der Zweiten Republik mit der Befragung von Auskunftspersonen begonnen. Ziel ist es, herauszufinden wie es zu dem umstrittenen Vergleich zwischen Österreich und dem Eurofighter-Unternehmen EADS im Jahr 2007 kam. Damals hatte Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) – um Kosten zu senken – mit dem Jet-Hersteller vereinbart, die Zahl der (im Vertrag von 2003) vereinbarten 18 auf 15 Flugzeuge zu reduzieren. Es wurde ein älteres Modell akzeptiert und die Bewaffnung reduziert. Der Rechnungshof und vor allem die Opposition kritisierten den Deal scharf. Nun wird die Causa im Parlament untersucht. Ob sich die "Eurofighter-Nebel" tatsächlich lichten, wie Grünen-Fraktionsführer Peter Pilz meint, wird sich zeigen. Ein Tagebuch durch den U-Ausschuss. APA/HANS PUNZ Als erste Auskunftsperson wurde Birgit Caesar-Stifter, Leiterin der Sektion 2A1, Äußeres/Verteidigung des Rechnungshofes, geladen. Sie kritisierte, dass dem Rechnungshof für seine Überprüfung des Deals Daten gefehlt hätten. Gerade von der "finalen Phase" der Verhandlungen gebe es keine Dokumentation. Sie ortete einen "Bruch": Als der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, auf Wunsch von EADS von den Verhandlungen ausgeschlossen wurde, sei nichts mehr dokumentiert worden. Fortan waren nur noch Darabos selbst und sein externer juristischer Berater Helmut Koziol in die Verhandlungen eingebunden. Letzterer hatte in einem Gutachten einen Vergleich empfohlen. Öffentlich präsentiert wurde diese Expertise am 25. Juni 2007. Allerdings: Darabos hatte die Vergleichspunktation mit Eurofighter schon am 24. Juni unterzeichnet. APA/HELMUT FOHRINGER Der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, erklärte, von Darabos' damaligen Kabinettschef in einem Telefonat erfahren zu haben, dass er auf Wunsch eines Eurofighter-Managers keine führende Rolle bei den Gesprächen mehr spiele. "Jemand, der versucht auf die Gesetze zu achten, ist manchmal mühsam und anstrengend", kommentierte Peschorn lapidar. Den Vergleichsabschluss hätte er jedenfalls "nicht empfohlen". Aus heutiger Sicht hätte Darabos gänzlich aus dem Vertrag aussteigen können. 2007 sei das aber nicht in dieser Klarheit sichtbar gewesen, meinte Peschorn. APA/HELMUT FOHRINGER Der frühere Verteidigungsminister, Norbert Darabos (SPÖ), will "einen grottenschlechten Vertrag von Schwarz-Blau" aus dem Jahr 2003 "geerbt" und versucht haben, daraus auszusteigen. Er habe deswegen bei "dem besten Experten", Helmut Koziol, ein Gutachten in Auftrag gegeben. Darauf aufbauend habe er "einen guten Vergleich" ausverhandelt. Allerdings: "Aus heutiger Sicht könnte es durchaus sein, dass wir (von Eurofighter, Anm.) getäuscht wurden." Zur Position vom Präsidenten der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, erklärte Darabos, dieser sei von Beginn an eingebunden gewesen. Aus heutiger Sicht "nicht richtig" sei außerdem die Vorhaltung, dass Eurofighter Peschorn nicht wollte. APA/GEORG HOCHMUTH Während sich Darabos nicht mehr daran erinnern konnte, wer ihm den Zivilrechtsexperten Helmut Koziol als Gutachter empfohlen hatte, wusste dieser selbst es sehr wohl: Er gab an, dass er seine ersten Gesprächsrunden zum Thema mit dem damaligen Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und dem Anwalt Leopold Specht hatte. Koziol hält den Eurofighter-Vergleich immer noch für die beste Lösung. Ein Ausstieg aus dem Vertrag wäre mit Risken behaftet gewesen und hätte schlimmstenfalls fast genauso viel gekostet, wie der Kaufpreis ausmachte. Wie die finanziellen Konditionen im Vergleich berechnet wurden, konnte Koziol nicht sagen. Es habe Berechnungen dazu gegeben. Warum diese nicht mehr auffindbar sind? Koziol dazu: "Entschuldigung, ich bin nicht der Hausmeister im Ministerium." APA/GEORG HOCHMUTH Der für die Abfangjäger-Beschaffung zuständige Ministerialbeamte Karl Hofer gab an, gar nicht in die Vergleichsverhandlungen eingebunden gewesen zu sein: "Aus meiner Sicht als damals Verantwortlicher war ich zum Thema Vergleich nicht gefragt, obwohl es gewissermaßen meine Zuständigkeit war." Nachsatz: "Warum ich nicht eingebunden wurde, weiß ich nicht, da kann man spekulieren." Dass Darabos ausgesagt hatte, er hätte im Verteidigungsressort kaum Unterstützung für die Vergleichsverhandlungen erhalten, konnte Hofer nicht nachvollziehen: "Unterstützung wäre sehr wohl gegeben gewesen, hätte er diese Unterstützung auch verlangt." Zu Vergleichs-Berechnungen gefragt, meinte der Beamte, dass ihm "klassische wissenschaftliche Berechnungen zu einzelnen Modellen nicht in Erinnerung" seien. APA/HANS PUNZ FPÖ und Grüne legten im U-Ausschuss eine ältere Vergleichspunktation (am 24. Mai 2007 auf Briefpapier des SPÖ-Gartenhotels Altmannsdorf verfasst) vor, die nach deren Ansicht rechtsgültig und für die Republik um 80 Millionen Euro günstiger war, von Darabos aber verschwiegen worden sei. Laut Eurofighter-Rechtsberater Meinhard Lukas wurde sie von Helmut Koziol verfasst, Lukas sah sie aber nicht als gültig an; sie sei von der in Paris erarbeiteten Punktation ersetzt worden. APA/HANS PUNZ Darabos' früherer Kabinettschef Stefan Kammerhofer übte sich im Verteidigen seines einstigen Chefs sowie von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer: "Alfred Gusenbauer hat alles daran gesetzt und uns jedes Pouvoir gegeben, um aus dem Vertrag rauszukommen." Für den Fall, dass das nicht ging, sei es um die möglichst hohe Reduktion der Kosten gegangen. Die Kritik, dass Darabos in den entscheidenden Verhandlungen fast alleine gehandelt habe, sich nur vom Gutachter Koziol unterstützen ließ und Finanzprokuratur-Chef Peschorn ausgebootet habe, ließ Kammerhofer nicht gelten, es hätte mehrere involvierte Personen gegeben: "Das Bild, dass der Minister das allein gemacht hat, entspricht nicht der Wirklichkeit." Außerdem betonte Kammerhofer, Koziols Warnung vor einem Ausstieg sei klar gewesen: "Wurscht was wir gemacht hätten, wir hätten volle Latte brennen müssen." APA/HELMUT FOHRINGER Der frühere Leiter der Eurofighter-Taskforce, Erwin Jeloschek, beschrieb den Weg, wie es statt des geplanten Ausstiegs letztlich zum Vergleich des Jahres 2007 mit den Worten: "Wir hatten keine Rücktrittsgründe." Den Verzicht auf die modernen Jets der zweiten Baureihe begründete er damit, dass Österreich wegen Lieferschwierigkeiten ohnehin zumindest sechs Eurofighter der älteren Tranche 1 erhalten hätte. Dann hätte man mit zwei "Logistikschienen" arbeiten müssen: "Man kann sie umrüsten. Aber sie können mit Sicherheit annehmen, aus einem T1 wird kein T2." Es habe daher alles für diesen Schritt gesprochen. "Der Ausstieg aus dem Vertrag war immer die erste Option", unterstrich Jeloschek. APA/HELMUT FOHRINGER Der ehemalige ÖVP-Chef und Vizekanzler Wilhelm Molterer zeichnete das Bild eines allein und gegen gesetzliche Vorgaben handelnden Verteidigungsministers Norbert Darabos (SPÖ) beim Eurofighter-Vergleich im Jahr 2007. Es habe keinen schriftlichen Bericht und daher auch kein Einverständnis seines Ressorts gegeben, sagte er. Dass der SP-Minister damals über einen Vergleich und nicht über einen Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag verhandelte, müsse wohl auf einen Auftrag von SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zurückgehen. Einen Auftrag der gesamten Bundesregierung und damit auch der ÖVP habe es dafür nie gegeben, betonte Molterer. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER) Der frühere Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) bestritt, Kontakt mit Lobbyisten des Jet-Herstellers gehabt zu haben. Einen in Dokumenten - etwa der Münchner Kriminalpolizei - vorkommenden "Dr. Lüssel" kenne er nicht, es handele sich dabei seiner Ansicht nach um eine "kabarettreife Verballhornung von irgendwelchen Namen". Auch Schmiergeldzahlungen bestritt er: "Für meine Partei schließe ich das vollkommen aus." Einen Grund für einen Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag von 2003 habe es laut Schüssel nicht gegeben: "Jeder Beweis der Verzögerung wäre der Jackpot gewesen", meinte Schüssel lapidar: "Der Kollege Pilz hätte die Sektkorken knallen lassen." Er selbst habe nicht aussteigen wollen: "Pacta sunt servanda." APA/HANS PUNZ Der zweite Ex-Kanzler am selben Tag, Alfred Gusenbauer betonte: "Wir wollten aus dem Vertrag raus." Ein Ausstieg wäre jedoch mit einem hohen Risiko verbunden gewesen - dabei verwies er auf das Gutachten des Zivilrechtsexperten Helmut Koziol, das dieser in Darabos' Auftrag erstellt habe. Letzterer habe dann auf dieser Basis im Jahr 2007 eine "ausgezeichnete Leistung geboten" und der Republik Österreich mehrere Millionen Euro erspart. Doch legte er Wert darauf, dass Verteidigungsminister Darabos nicht in "seinem Namen" verhandelt habe. Laut wurde der Ex-Kanzler, als er mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, die Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP hätten 2006/2007 nur unter "Eurofighter-Bedingungen" stattgefunden. Gusenbauer: "Es hat keine Drohungen gegeben, keinerlei Versuche, andere einzuschüchtern oder zu erpressen." Außerdem: "Alfred Gusenbauer kann man weder erpressen noch unter Druck setzen noch einschüchtern." APA/HANS PUNZ Georg Schmidt, früherer Bundesheerpilot und später Lobbyist mit angeblich guten Kontakten zur ÖVP, betonte im Parlament: "Ich bin kein EADS-Lobbyist", wenn schon, dann sei er "Lobbyist der Landesverteidigung" gewesen. Dass "der Zivildiener" - er wolle Darabos' Namen gar nicht aussprechen - schlecht verhandelt habe, sei "kein Ausdruck", sagte er dann. "Ein Superprojekt ist durch diesen Deal kaputt gemacht worden", meinte er in seiner Befragung. "Ein Schwächling" sei über den Tisch gezogen worden. Kurzfristig sei es für EADS ein "extrem guter" Vergleich, langfristig betrachtet sei dieser aber auch für das Unternehmen schlecht. Ganz offen erzählte Schmidt auch, dass er mit seiner damaligen IT-Firma an den Gegengeschäften profitieren wollte. APA/HANS PUNZ Edwin Wall war ein Verhandler des ursprünglichen Eurofighter-Kaufvertrags. Alledings: "In den Vergleich war ich in keinster Weise eingebunden." Das habe ihn selbst gewundert: "Das ist auch für mich ein Rätsel." Es sei dies auch der einzige Fall in 40 Jahren gewesen, in dem er bei Beschaffungsvorgängen nicht gefragt war. Seine Arbeit habe erst nach Unterzeichnung des Vergleichs begonnen, indem er mit Erwin Jeloschek, ehemals Leiter der Task Force Luftraumüberwachung, an der Verschriftlichung der Detailvereinbarung mitgearbeitet hat. Mit Darabos habe es keinen Kontakt gegeben, so Wall. APA/EXPA/MICHAEL GRUBER Zum Start des Themas Gegengeschäfte im U-Ausschuss wurde der frühere Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) befragt. Er betonte, dass die Gegengeschäfte "vernünftig" gewesen und "international durchaus üblich" seien. "Man stand Schlange", sei es doch mit vier Milliarden Euro um ein außerordentlich großes Volumen gegangen. Auf Basis aktueller Informationen des Wirtschaftsministeriums seien von den 3,5 Milliarden 3,3 Milliarden Euro anerkannt und damit abgewickelt, wobei der letzte Bericht aus dem Jahr 2010 stamme und man davon ausgehen könne, dass das Volumen mittlerweile gut erreicht werde bzw. wurde, meinte Bartenstein. Er gehe davon aus, dass über die Jahre "tausende Arbeitsplätze" gesichert und geschaffen worden seien. APA/HELMUT FOHRINGER ''Eurofighter-Nebel lichten sich'': Der U-Ausschuss als Tagebuch Kammerhofer betonte auch, dass Darabos selbstverständlich für die Vergleichsverhandlungen vorbereitet wurde. Er habe sich primär auf die Expertise Koziols, der in seinem Gutachten vor den Risiken eines Ausstiegs gewarnt hatte, und auf Generalmajor Erwin Jeloschek gestützt. Peschorn sei im "Back-Office" eingebunden gewesen. Koziols Warnung vor einem Ausstieg bzw. dem hohen Prozessrisiko sei klar gewesen: "Wurscht was wir gemacht hätten, wir hätten volle Latte brennen müssen."
Dass es keine Aufzeichnungen zu den entscheidenden Verhandlungsrunden gebe, wollte er nicht kommentieren. Er wisse jedenfalls, dass Koziol - für Kammerhofer der "Säulenheilige des Zivilrechts" - in Kurzschrift mitprotokolliert habe. Auch kaufmännische Unterlagen für Darabos habe es gegeben. "Es ist immer alles beim Jeloschek zusammengelaufen."
(APA)
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