Ticker Verhandlungstag 1 Zum Auftakt von Österreichs bislang größtem Korruptionsprozess hagelte es Kritik - die Richterin sei nicht zuständig, sei befangen, die Verteidigung werde benachteiligt. Auch Ex-Finanzminister Grasser sorgte für Staunen, als er angab, kein Haus und kein Auto zu besitzen. Die "Presse" berichtete live aus dem Straflandesgericht.
Es war ein Großkampftag im Wiener Landesgericht für Strafsachen. Über Stunden hinweg brachten die Verteidiger der 15 Angeklagten in der Causa Buwog und Terminal Tower Anträge ein. Und zwar: Anträge wegen angeblicher Befangenheit sowie Nicht-Zuständigkeit von Richterin Marion Hohenecker. Allesamt wurden abgewiesen, stattgegeben wurde hingegen jenem Antrag, der auf die Ausweisung eines Journalisten abzielte.
Die Richterin, so hatten die Verteidiger – allen voran jene des früheren Finanzministers und Hauptangeklagten Karl-Heinz Grasser – zuvor wortreich ausgeführt (und mit der Einspielung von Videos und Tweets untermalt), sei wegen ihres Ehemannes, Manfred Hohenecker, nicht objektiv. Denn: Dieser habe sich auf Twitter abfällig über Grasser geäußert, stehe diesem geradezu „feindselig“ gegenüber. Eine derartige Abneigung werde – so sei das eben in einer Ehe üblich – daheim thematisiert. Zwar werfe man Hohenecker nicht vor, ihren einstigen Ausbildungsrichter geehelicht zu haben, ergänzte denn auch der Anwalt des Immobilienmaklers Ernst Karl Plech, Michael Rohregger. Auch an ihrer Integrität hege man keine Zweifel. Doch ergebe sich „für objektive Außenstehende" doch ein ungünstiges und eben nicht unvoreingenommenes Bild.
Auch der Verteidiger von Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics, Otto Dietrich, holte zum verbalen Schlag gegen die Richterin aus. Sie hätte sich gegenüber seinem Mandanten im Villa-Esmara-Verfahren falsch verhalten; nämlich einen für 4. Mai 2017 anberaumten Verhandlungstermin einfach abgesagt – ohne Angabe sachlicher Gründe. Dietrich: „Meinem Mandanten wurde so das faire Verfahren vorenthalten, das die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention voraussetzen.“ Außerdem: Hohenecker habe aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Villa-Esmara-Verfahrens schon ein gewisses Bild von Petrikovics und sei nicht mehr neutral ihm gegenüber eingestellt.
Verteidiger vermissen "Waffengleichheit"
Zuletzt beklagten die Anwälte noch die Sitzordnung. Sie müssten an „der tiefsten Stelle im Saal“ sitzen. Medienvertreter könnten von oben in ihre Unterlagen und auf ihre Laptopbildschirme sehen. Außerdem säßen die Anwälte hinter ihren Mandanten, von denen sie also nur den Rücken sehen. Und: Nur Staatsanwaltschaft, Schöffen und Richter(in) - die allesamt auf derselben Saalseite Platz genommen haben - könnten die jeweils im Zeugenstand Befragten gänzlich sehen. Die für die Verteidigung aufgestellten Übertragungsbildschirme würden hingegen die Geladenen nicht gänzlich abbilden. Das alles widerspreche dem Recht auf ein faires Verfahren und dem Prinzip der „Waffengleichheit", wurde argumentiert.
Die zitierten Anträge wurden allesamt abgewiesen. Die Sitzordnung sei in Ordnung, Oberster Gerichtshof und Straflandesgericht hätten sich für den Richtersenat unter Hoheneckers Führung ausgesprochen, wurde von der Richterin betont. Und überhaupt: „Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen.“ Vielmehr agiere Hohenecker „unabhängig und parteilos“, rechtfertigte sie sich.
Fortsetzung am morgigen Mittwoch
Der zweite Verhandlungstag ist übrigens schon morgen: Um 9:30 Uhr wird im Großen Schwurgerichtssaal weiterverhandelt. Am Programm steht jedenfalls das Eröffnungsplädoyer der Oberstaatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk.
Denn, und das kam heute im Grauen Haus noch gar nicht vor, schließlich geht es nicht nur um die Richterin, sondern um die Affären Buwog und Terminal Tower. Der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech, der ehemalige Chef der Immofinanz, Karl Petrikovics, Ex-Immofinanz-Vorstand Christian Thornton und der Steuerberater Gerald Toifl sowie der Vermögensberater W., der Ex-Geschäftsführer einer Raiffeisen-Firma L., der Ex-Geschäftsführer der Raiffeisen Leasing S. und ein dortiger Abteilungsleiter, der ebenfalls mit S. abgekürzt wird, haben sich zu verantworten. Sie alle teilen sich den Grundvorwurf der Untreue (mal als unmittelbarer Täter, mal als Beteiligter – es drohen bis zu zehn Jahre Haft), auch die Vorwürfe der Bestechung, Beweismittelfälschung, Geschenkannahme oder Geldwäscherei werden teils erhoben. Ebenfalls alle Beschuldigten bestritten bislang alle Vorwürfe kategorisch; für sie gilt die Unschuldsvermutung.