Hitlers Geburtshaus: VfGH sieht "keinen Missbrauch der Gesetzesform"

Hitlers Geburtshaus
Hitlers Geburtshaus(c) Clemens Fabry (Presse)
  • Drucken

Das Höchstgericht hat entschieden, dass der "Bedarf zur Enteignung" gegeben sei und den Antrag der früheren Eigentümerin abgewiesen. Sie überlegt nun den Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Die Enteignung des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau ist nicht verfassungswidrig. Das hat der Verfassungsgerichtshof am Freitag entschieden. Das Höchstgericht wies damit den Antrag der früheren Eigentümerin ab, wie VfGH-Präsident Gerhart Holzinger verkündete. Denn, so Holzinger weiter, der Verfassungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, "dass die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der im Jahr 1945 wiedererstandenen Republik Österreich ist". Die Republik habe eine "besondere Verantwortung" in der Unterbindung von neo-nationalsozialistischem Gedankengut.

Das Hitler-Geburtshaus war den ehemaligen Eigentümern 1952 zurückgegeben worden. Die Republik mietete sich aber ein und nutzte das Haus für verschiedene Zwecke, zuletzt als Tagesheimstätte der Lebenshilfe Oberösterreich. Diese zog 2011 aus, seither steht das Haus leer. Im Vorjahr kam das Innenministerium - nach vergeblichen Gesprächen mit der Besitzerin - zum Schluss, dass die Enteignung nötig sei, um eine Nutzung des Gebäudes im Sinne einer nationalsozialistischen Wiederbetätigung ausschließen zu können. Dafür wurde eigens ein Gesetz beschlossen, das am 14. Jänner 2017 in Kraft trat. Danach kündigte das Ministerium an, das Haus zu sanieren und wieder einer sozialen Nutzung - durch die Lebenshilfe - zuzuführen.

"Bedarf zur Enteignung gegeben"

Der Rechtsanwalt der ehemaligen Besitzerin, Gerhard Lebitsch, erachtete die Enteignung durch ein Gesetz an sich für problematisch, auch könne man dies nicht mit einem normalen fairen Verfahren vergleichen. Das Höchstgericht wies die behauptete Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren allerdings zurück: Der VfGH kann "keinen Missbrauch der Gesetzesform" erkennen, sagte Holzinger. Auch eine Verletzung des Rechts auf Eigentum sah er nicht. Eine Enteignung sei zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse geboten sei. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag von Wien, das verfassungsgesetzliche Verbot der nationalsozialistischen Wiederbetätigung und der historische Kontext Österreichs würden allen Staatsorganen "eine besondere Verantwortung" im Umgang mit der Unterbindung von neonationalsozialistischem Gedankengut gebieten.

Hitlers Geburtshaus komme ein Alleinstellungsmerkmal zu, es sei geeignet, als eine Art "'Pilgerstätte' oder Identifikationsstätte zur Pflege (neo-)nationalsozialistischen Gedankenguts" besucht zu werden, erklärte Holzinger. Die "spezifische Symbolkraft" könne nachhaltig nur beseitigt werden, wenn eine tiefgreifende bauliche Veränderung dem Objekt den Wiedererkennungswert nehme. Der Staat sei verpflichtet, selbst sicherzustellen, dass Missbrauch nicht stattfinden könne. Das sei aber nur möglich, wenn der Bund die volle Verfügungsgewalt über das Objekt erlange. Daher sei "der Bedarf zur Enteignung gegeben".

Die Enteignung sei nicht unverhältnismäßig, da das Ziel nur durch die Enteignung der gesamten Liegenschaft sichergestellt sei, argumentieren die Höchstrichter. Auch sei auszuschließen, dass die Liegenschaft an Dritte verkauft wird. Die Republik habe sich außerdem mehrfach erfolglos um den Kauf der Liegenschaft bemüht. Die Enteignung erfolge auch nicht ohne Entschädigung, die Antragstellerin ist daher auch nicht im Recht auf Eigentum verletzt worden. Wie hoch die Entschädigung sein wird, muss der Innenminister nach Verhandlungen mit den Rechtsvertretern der früheren Eigentümerin festlegen, erläuterte Holzinger.

Gang zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof?

Denkmalschutz spielte in diesem Fall übrigens keine Rolle, wie Holzinger auf Journalistenfragen klarstellte: "Denkmalschutz ist keine verfassungsrechtliche Kategorie." "Das ist ein völlig singulärer Fall" - ausnahmsweise sei es zulässig, das Eigentum auf den Bund zu übertragen, um nationalsozialistische Wiederbetätigung zu bekämpfen. "Es ist ein ganz außergewöhnlicher Fall", betonte der VfGH-Präsident, aber das Höchstgericht habe seine Judikaturlinie aus anderen Fällen in Bezug auf den Nationalsozialismus fortgesetzt.

Rechtsanwalt Lebitsch meinte, die Entscheidung sei "zur Kenntnis zu nehmen". Es bestehe nun noch die Möglichkeit, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu wenden - er werde das mit seiner Mandantin erst besprechen, gehe aber davon aus, dass sie diesen Weg wählen wolle. Wie schon das Verfahren vor dem VfGH hätte auch dies freilich keine aufschiebende Wirkung, die Enteignung ist bereits durch die Kundmachung des Gesetzes im Jänner eingetreten. Seine Mandantin hänge an dem Haus, habe sie doch dort ihre Kindheit und Jugend verbracht.

Sobotka: "Verantwortungsvoller Umgang sichergestellt"

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) zeigte sich am Freitag über die Bestätigung der Enteignung erfreut: "Wir stellen sicher, dass dieses Gebäude niemals in falsche Hände geraten und zu einer Pilgerstätte für Ewiggestrige werden kann", meinte der Ressortchef. "Die Diskussion rund das Haus hat uns nun über Jahrzehnte begleitet", es sei ihm ein Anliegen gewesen, "hier Klarheit zu schaffen, um einen verantwortungsvollen Umgang mit unserer Geschichte zu ermöglichen", betonte Sobotka.

Nun sei die Möglichkeit gegeben, entsprechende Pläne zu prüfen, um eine "verantwortungsvolle und nachhaltige Nutzung zu ermöglichen". Diesbezüglich werde man sich eng mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann und dem Braunauer Bürgermeister abstimmen, kündigte Sobotka an.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hitlers Geburtshaus in Braunau
Österreich

Hitlers Geburtshaus: Ex-Besitzerin beklagt "überschießende" Enteignung

Der Verfassungsgerichtshof hat über die Enteignung des Hitler-Geburtshauses in Braunau verhandelt. Eine Entscheidung soll in den nächsten Wochen fallen.
Hitler-Geburtshaus in Braunau
Innenpolitik

OLG zu Hitler Geburtshaus: Republik muss 1,5 Millionen nicht zahlen

Die Ex-Eigentümerin hat nun noch die Möglichkeit, die Entscheidung beim Obersten Gerichtshof anzufechten.
Mahnstein vor dem Hitler-Geburtshaus in Braunau
Österreich

Hitler-Geburtshaus: Republik beruft gegen erhöhte Enteignungssumme

Der Streit um die Enteignung des Hitler-Geburtshauses in Braunau geht weiter: Die Republik beruft gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis, der eine Entschädigung von mehr als 1,5 Millionen Euro festgesetzt hat.
Geburtshaus von Adolf Hitler
Österreich

Streit über Enteignung von Hitlers Geburtshaus kurz vor Urteil

Die frühere Eigentümerin war für die Enteignung mit 310.000 Euro entschädigt worden. Dies war ihr zu wenig - sie klagte. Gutachten schätzen den Wert des Hauses auf mindestens 800.000 Euro.
OBEROeSTERREICH: HITLER-GEBURTSHAUS IN BRAUNAU KOeNNTE WOHNGEBAeUDE WERDEN
Zeitreise

Hitler-Geburtshaus: Ex-Besitzerin kämpft weiter gegen Enteignung

Die frühere Hausbesitzerin will den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit ihrem Fall befassen. Ihr Anwalt erklärt: "Sie hat nichts zu verlieren, ihr wurde alles weggenommen."

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.