Die Grenzen von Schwarz-Blau

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Weniger Zuwanderer, mehr Überwachung: Die ÖVP fordert in ihrem Programm Maßnahmen, die unter Rot-Schwarz schwer umsetzbar waren. Doch wie weit könnte die neue Regierung wirklich gehen?

Sicherheit und Zuwanderung, meistens in Verbindung zueinander, waren zentrale Themen im Wahlkampf. Und zwar für ÖVP und FPÖ. Beide Parteien sind für striktere Regelungen, was Nichtösterreicher betrifft. Am Verhandlungstisch könnte die Volkspartei also Maßnahmen durchsetzen, die mit der SPÖ nicht vorstellbar waren – oder nur nach langwierigen Streitereien. Politisch dürfte es für Schwarz-Blau in diesem Bereich also wenig Grenzen geben. Doch es gibt andere: die Versprechen von ÖVP und Freiheitlichen auf dem Prüfstand.

Mindestsicherung

EU-Bürgern soll der Zugang zu Sozialleistungen erschwert werden, und zwar durch eine Wartefrist: Erst wer fünf Jahre lang in Österreich lebt, soll Anspruch darauf haben. Damit es EU-rechtlich hält, soll diese Frist auch für Österreicher gelten, die von einem Auslandsaufenthalt zurückkehren. Laut Franz Marhold, Leiter des Instituts für österreichisches und europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, ist diese Forderung „nicht absurd, aber schwer argumentierbar“. Denn es gebe zwar keine unmittelbare Diskriminierung, weil EU-Bürger mit Österreichern gleichgestellt werden. „Aber eine mittelbare Diskriminierung.“ Denn Österreicher haben eher einen Wohnsitz in Österreich. Es sei also klar, dass die Maßnahme beschlossen werde, „um eine bestimmte Gruppe zu treffen“.

Eine solche mittelbare Diskriminierung sei grundsätzlich möglich – nur müsse sie gut argumentiert werden. „Die Staatsfinanzen wären ein Kriterium.“ Die Republik müsste also rechtfertigen, warum es nicht zumutbar sei, die Sozialleistungen früher auszubezahlen. Mehr Chancen sieht der Experte für eine andere Forderung der ÖVP: Anerkannte Flüchtlinge sollen demnach eine „Mindestsicherung light“ erhalten. „Aufgrund der Flüchtlingskonvention sind wir zur Gleichbehandlung verpflichtet“, sagt er. Man könnte aber Asylberechtigten weniger Geld-, dafür mehr Sachleistungen zur Verfügung stellen: von der Wohnung bis hin zu einer Ausbildung. „Das wäre zulässig.“

Familienbeihilfe

Mit der SPÖ konnte sich die ÖVP nicht einigen, nun versucht sie es mit den Freiheitlichen: Die Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder, die in einem anderen EU-Land leben – selbst wenn ein Elternteil in Österreich arbeitet. Die Leistung soll in Zukunft an das Lohnniveau im Ausland angepasst werden. Laut Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Mazal sei dies EU-rechtlich möglich, denn man müsse alle Kinder gleich behandeln. Und das sei derzeit nicht der Fall: Wenn das Kind im Ausland Familienbeihilfe bekäme, sei dies im Verhältnis ja mehr wert – oder weniger. Marhold sieht dies anders und beruft sich auf ein Urteil vom EuGH. Das Antidiskriminierungsrecht verpflichte die Staaten, jedem EU-Bürger mit Anspruch darauf die volle Beihilfe zu zahlen. Die Sache sei auch bereits ausjudiziert worden – von einem italienischen Vater in Frankreich.

Universitäten

Die Freiheitlichen wollen zwar einen freien Hochschulzugang, aber nur für Österreicher. Alle anderen Studierenden sollten Studiengebühren zahlen. Bei Drittstaatsangehörigen sei dies ohnehin kein Problem, sagt Marhold. Bei EU-Bürgern allerdings schon. „Eine Alternative wäre, Studiengebühren für alle einzuheben und gleichzeitig Steuerfreibeträge zu beschließen.“ So würden Menschen, die in Österreich Steuern zahlen, entlastet: in den meisten Fällen Österreicher.

Sicherheitspaket

Es gibt aber auch Punkte, bei denen sich ÖVP und FPÖ politisch uneinig sind. Wie beim Sicherheitspaket, das unter anderem die Überwachung internetbasierter Kommunikation ermöglichen soll. Die Freiheitlichen wollen allerdings nichts davon wissen. Beim Datenschutz sollte man „seine liberale Seite zeigen“, sagt Oberösterreichs Vizelandeshauptmann, Manfred Haimbuchner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2017)

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