Peter Pilz im Rückzugsgefecht

Also doch kein Rücktritt vom Rücktritt: Peter Pilz sorgte mit seiner Zickzacklinie kurzzeitig für Verwirrung.
Also doch kein Rücktritt vom Rücktritt: Peter Pilz sorgte mit seiner Zickzacklinie kurzzeitig für Verwirrung.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Der Parteichef der Liste Pilz weist Vorwürfe der sexuellen Belästigung weiter energisch zurück. Die Vorwürfe hätten ihn aber in einem unerträglichen Ausmaß belastet, daher nehme er sein Mandat nicht an.

Wien. Kurze Zeit herrschte am Montag Verwirrung: Tritt Peter Pilz, wegen sexueller Belästigung beschuldigter Gründer der Liste Pilz, doch nicht zurück? Im „Morgenjournal“ sagte er, er werde bis Mittwoch entscheiden, wie er mit seinem Mandat umgehe. Zu Mittag war dann wieder alles ganz anders. In einem Pressegespräch stellte Pilz klar: Es bleibt beim Rücktritt. Offen sei nur die Frage, in welcher Form er weiter politisch aktiv bleiben will. Das werde er mit dem Parlamentsklub der Liste Pilz – die wohl nicht mehr so heißen wird – klären. Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen.

1. Ist der Rücktritt ein Schuldeingeständnis?

Nein. Es gibt zwei Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Pilz: einen von seiner parlamentarischen Mitarbeiterin und einen Vorfall beim Europäischen Forum Alpbach im Jahr 2013. Den ersten Vorwurf weist Pilz entschieden zurück. Er komme von einer Ex-Mitarbeiterin, deren Wunsch nach einer Beförderung nicht erfüllt worden sei, und die daraufhin mit Arbeitsverweigerung gedroht habe. Die Vorwürfe seien konstruiert, um eine drohende Kündigung oder Entlassung abzuwehren. Anders verhält es sich mit dem zweiten Vorwurf: Da sagt Pilz, dass er sich an den betreffenden Abend nicht erinnern könne. Zwei Zeugen bestätigen aber die Darstellung der Frau, einer Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei. Daher, sagt Pilz, ziehe er die Konsequenzen – auch, weil er an die Grenzen der persönlichen Belastbarkeit geraten sei.

2. Welche Theorien stellen Peter Pilz und sein Anwalt in den Raum?

Pilz-Anwalt Alfred Noll beschuldigt die Grünen, den Bericht der Gleichbehandlungsanwaltschaft an die Öffentlichkeit gespielt zu haben. Pilz bringt ein anderes Szenario ins Spiel: Die zuständige Beamtin bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft sei Spitzenkandidatin der Neos im Burgenland gewesen. Und auch bei einem Zeugen aus Alpbach weist Pilz auf den politischen Hintergrund hin: Dieser sei SPÖ-Nationalratskandidat.

3. Haben die Grünen die Vorwürfe der Klubmitarbeiterin geklärt?

Das ist nicht der Fall. In der Causa befanden sich alle Seiten in einer heiklen Situation: Die Mitarbeiterin hat sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt, die einen Brief an die Klubführung geschrieben hat, wonach die Vorwürfe – so sie stimmen – den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen würden. Somit musste der Arbeitgeber zum Schutz der Mitarbeiterin für sie einen neuen Arbeitsplatz finden. Es gab aber keine Erlaubnis, die Unterlagen weiterzugeben, womit Pilz mit den Vorwürfen nur mündlich konfrontiert werden konnte und keine Möglichkeit hatte, sich adäquat zu wehren. Auch ein Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission konnte damit nicht eingeleitet werden. Ein internes Verfahren – ein Jurist hört sich beide Seiten an und trifft dann eine bindende Entscheidung – lehnte Pilz ab, er wollte ein öffentliches Verfahren. Womit auch klar wird, warum die Mitarbeiterin das ablehnte: Sie hätte jederzeit von Pilz geklagt werden können.

4. War diese Causa der Grund für die Abwahl von Pilz beim grünen Bundeskongress?

Sicher nicht, denn die Vorwürfe waren nur dem kleinen Kreis der Klubführung – sechs Abgeordneten und dem Klubdirektor – bekannt. Die Basis wusste nichts davon. Die Abwahl war wohl eine Abrechnung mit einem nicht sonderlich beliebten Parteipromi. Wohl aber dürfte der Vorfall einer der Gründe für das Zerwürfnis zwischen Pilz und der damaligen Parteichefin, Eva Glawischnig, gewesen sein. Geäußert hat sich das im Richtungsstreit um die politische Strategie: Pilz wollte die Grünen zu einer populistischen Linkspartei umformen.

5. Wie endgültig ist der Rücktritt von Pilz?

Pilz hat angekündigt, sich jetzt für einige Wochen völlig zurückzuziehen. Danach will er weiter politisch aktiv sein, zu klären sei noch, in welcher Form. Auch wenn er es dementiert – selbst eine Rückkehr in den Nationalrat wäre theoretisch nicht ausgeschlossen. Wenn ein Mandatar von der Bundesliste oder der steirischen Landesliste zurücktritt, könnte Pilz jederzeit das Mandat wieder übernehmen. Außerdem ist er weiter Parteichef der Liste Pilz und will das auch bleiben.

6. Wie geht es mit der Liste Pilz weiter?

Für die neu gegründete Liste ist der Abtritt ihrer Galionsfigur sicher ein Schock. Allerdings sind mit Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl zwei erfahrene Parlamentarier dabei. Und Alfred Noll hat bereits gezeigt, dass er eine ähnlich öffentlichkeitswirksame Rolle spielen kann wie Pilz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2017)

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