Geschichte der Burschenschaften: Anti-napoleonischer Veteranenverband

Sie wollten das, was die Franzosen auch hatten – aber eben ohne Franzosen: Wie die Burschenschaften entstanden. Eine Geschichte vom Wartburgfest bis zur FPÖ.

Schuld ist Napoleon. Genauer gesagt: die Französische Revolution, deren Wirren Napoleon Bonaparte hervorbrachten. Dieser steckte dann Europa bis Moskau in Brand (wobei: Letzteres taten die Moskowiter selbst) – und forderte somit Gegenreaktionen heraus.

In den deutschen Ländern hatte die Französische Revolution anfangs viel positive Resonanz hervorgerufen, auch Napoleon wurde bewundert. „Weltgeist zu Pferde“ nannte ihn der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Vor allem junge Deutsche, die Studenten, die Intellektuellen, wollten das, was die Franzosen hatten, auch: eine Republik, eine Nation.

Aber sie waren eben keine Franzosen: Deren verfeinerte Form der Zivilisation wurde schon zuvor vielfach als etwas Künstliches abgetan und dem eine deutsche Kultur der Innerlichkeit gegenübergestellt. Metaphorisch überspitzt formuliert: Da der französische Salon, dort der deutsche Wald.

An Napoleon schieden sich erst recht die Geister: Man wollte seine Ideen – die jene der Französischen Revolution waren –, aber nicht seine Herrschaft. Sogenannte Freicorps aus jungen Männern, darunter sehr viele Studenten, wurden gegründet, um Widerstand gegen die Franzosen zu leisten. Nach den Befreiungskriegen kehrten diese an die Universitäten zurück und gründeten – als eine Art Veteranenverband – die Burschenschaften.

Die „Urburschenschaft“ war jene in Jena, gegründet 1815. Geistige Wegbereiter waren der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn, der den Beinamen „Turnvater“ bekam. Das Ziel war die deutsche Nation, die Vereinigung der vielen deutschen (Klein-)Staaten – aber auch Meinungsfreiheit, Liberalismus und Demokratie spielten eine Rolle. Ein starkes antijüdisches Element im Denken gab es schon damals – wiewohl dann auch viele Juden, etwa Theodor Herzl, Burschenschafter werden sollten.

Wartburgfest 1817

Ihren ersten großen Auftritt hatten die Burschenschaften beim Wartburgfest 1817. Hierbei sollte an den Thesenanschlag von Martin Luther erinnert werden, der sich zum 300. Mal jährte. Die Burschenschaften waren damals sehr stark protestantisch geprägt. Auch des Sieges über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig vier Jahre zuvor wurde beim Wartburgfest gedacht. 500 deutsche Studenten nahmen auf Einladung der Jenaer „Urburschenschaft“ daran teil. Es kam dabei auch zum Exzess der Bücherverbrennung: Unter anderem wurden der „Code Napoléon“ und Werke von Autoren, die als konservativ und reaktionär galten, verbrannt, darunter jene des Schriftstellers August von Kotzebue.

Und dieser August von Kotzebue, Generalkonsul des autoritär geführten Russland, sollte 1819 vom radikalen Burschenschafter Karl Ludwig Sand ermordet werden. Nun reagierte – auch unter dem Eindruck von antisemitischen Ausschreitungen – die Staatsgewalt. Fürst Metternich drängte die Mitglieder des Deutschen Bundes zu den Karlsbader Beschlüssen. Diese waren die Grundlage für eine scharfe Zensur, für die Verfolgung nationaler und liberaler Professoren und Studenten.

In der Revolution von 1848 versuchten die Nationalen, Liberalen und ihre Mitstreiter von der im Entstehen begriffenen Arbeiterbewegung dann den Umsturz – doch dieser scheiterte. In den folgenden Jahrzehnten trennten sich die Wege der Nationalen und Liberalen weitgehend. In den Burschenschaften gaben die Nationalen den Ton an. Jüdische Mitglieder waren bald nicht mehr erwünscht. Grosso modo lässt sich sagen, dass die Burschenschaften in Österreich schon immer etwas radikaler (und deutschnationaler) waren als in Deutschland. Was gewissermaßen auch logisch war: Die Deutschen hatten ihr Ziel ab 1871 ja erreicht – die deutsche Einigung.

Zeit des Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus waren die Burschenschaften verboten. Die Nazis gingen auf Nummer sicher: Solch eigenständige Organisationen mit langer rebellischer Tradition bargen immer auch ein gewisses Risiko. Es regte sich zwar da und dort Widerstand, aber die gemeinsame deutschnationale Ideologie verband dann doch. Die meisten Burschenschafter wurden Nazis.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden die Burschenschafter ihre politische Heimat in der FPÖ. Auch diese hatte über ihre Funktionäre und Sympathisanten eine Vergangenheit in der NS-Zeit, aber auch eine davor: in den nationalliberalen Parteien und Bewegungen des 19. Jahrhunderts. Und damit auch in den Burschenschaften.

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