Eurofighter: Koalition bläst Neuausschreibung wieder ab

Seit 2007 überwachen die Eurofighter den heimischen Luftraum. Minister Doskozil wollte diese Ära beenden und neue Flugzeuge anschaffen. Schwarz-Blau will eine internationale Expertenkommission einsetzen, die klären soll, wie es weiter geht.
Seit 2007 überwachen die Eurofighter den heimischen Luftraum. Minister Doskozil wollte diese Ära beenden und neue Flugzeuge anschaffen. Schwarz-Blau will eine internationale Expertenkommission einsetzen, die klären soll, wie es weiter geht.(c) APA/AFP/JAVIER SORIANO
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Eine internationale Expertenkommission wird über die Zukunft der Abfangjäger entscheiden. ÖVP und FPÖ sind sich über das Kapitel Landesverteidigung weitgehend einig. Offen ist noch, wie stark das Budget aufgestockt wird.

Wien. Die Koalitionsverhandlungen stehen in einem weiteren Bereich vor einer Einigung: Nachdem das Kapitel „innere Sicherheit“ weitgehend abgeschlossen ist, sind sich der Verhandler auch bei der äußeren Sicherheit, also der Landesverteidigung, schon sehr nahe gekommen.

Das gilt auch für das traditionelle Streitthema Eurofighter: Da haben die Verhandler von ÖVP und FPÖ beschlossen, die Linie des derzeitigen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil (SPÖ) nicht fortzusetzen. Eine Entscheidung über die weitere Vorgangsweise gibt es noch nicht, man will sich externe Hilfe holen: Es soll eine internationale Expertenkommission eingesetzt werden, die sich mit der Frage beschäftigt, wie die Luftraumüberwachung künftig abgewickelt wird, und ob die Eurofighter weiterhin eingesetzt werden.

Doskozil hatte im Jänner eine ministeriumsinterne Task Force genau zu diesem Thema eingesetzt, die etliche Optionen ausgearbeitet und bewertet hat. Der Minister hatte daraufhin im Juni seine Entscheidung verkündet: Die Eurofighter sollen aufgrund der hohen Betriebskosten ausgemustert und ein neuer Flugzeugtyp angeschafft werden, der sowohl die Eurofighter als auch das zweite Luftraumüberwachungsflugzeug, die Saab 105, ersetzt.

Schon im Juni war allerdings klar: Bis zur Nationalratswahl wird sich eine Ausschreibung nicht mehr ausgehen, die neue Regierung muss entscheiden, wie es tatsächlich weiter geht. Und die bläst nun die Neuausschreibung wieder ab und geht nun bei der Entscheidungsfindung zurück an den Start. Wobei die Zeit allerdings drängt: Die Saab 105, an sich ein Trainingsflugzeug im Unterschallbereich, mit dem aber in Österreich ein wesentlicher Teil der Luftraumüberwachung durchgeführt wird, ist am Ende ihres Lebenszyklus angekommen. Spätestens 2020 müssen diese Flieger ausgemustert werden. Der Vorgang der Neubeschaffung dauert normalerweise mehrere Jahre.

Strafverfahren läuft weiter

Eng damit verknüpft ist die Frage, wie die neue Regierung in der rechtlichen Auseinandersetzung mit Eurofighter weiter vorgeht. Doskozil hat eine Strafanzeige gegen den Eurofighter-Konzern eingebracht, die die Staatsanwaltschaft natürlich weiter verfolgen muss. Doch inwieweit Schadenersatzforderungen weiter vorangetrieben werden, liegt im Ermessen des neuen Ministers.

Einig sind sich ÖVP und FPÖ auch darin, dass es künftig ein höheres Budget für das Bundesheer geben soll. Das Ausmaß der Erhöhung ist allerdings noch offen, die FPÖ will die Mittel für das Heer kräftiger aufstocken, die ÖVP steht da aus budgetären Gründen eher auf der Bremse.

Klar scheint inzwischen, dass die oftmals geforderten ein Prozent des BIP – das wären 3,5 statt bisher zwei Milliarden Euro – in dieser Legislaturperiode nicht erreicht werden. Wohl aber soll diese Zahl im Koalitionsübereinkommen als mittelfristiges Ziel festgelegt werden.
Geplant ist weiters eine teilweise Rücknahme der letzten Strukturreform, die eigentlich noch gar nicht richtig umgesetzt wurde. So soll das neu geschaffene „Kommando Schnelle Einsätze“ wieder gestrichen werden. Ebenso sollen die Brigaden in ihrer alten Form wieder hergestellt werden. Was die Militärführung betrifft, wird es wohl erst später Änderungen geben. Generalstabschef Othmar Commenda soll bis zum Auslaufen seines Vertrags im Frühjahr im Amt bleiben dürfen.

Offiziere machen Druck

Gleichzeitig hat die Offiziersgesellschaft am Dienstag ihre Forderungen an die Koalitionsverhandler gerichtet. Die Offiziere sehen ein Budget von einem Prozent des BIP als „Untergrenze“. Das Bundesheer habe nach den Sparprogrammen der vergangenen Jahre einen erheblichen Nachholbedarf bei den Investitionen. So sei eine Milliarde Euro für die Modernisierung der Kasernen notwendig, eine weitere Milliarde für einen zeitgemäßen Fuhrpark. Und es müsse in die Ausrüstung der Soldaten investiert werden: Bei einer Mobilmachungsstärke von 55.000 Mann müsse es für jeden einzelnen Soldat einen Kampfanzug und ein Gewehr geben. Das sei derzeit nicht der Fall.

Ebenfalls auf der Wunschliste der Offiziere: Die Milizübungen sollen wieder eingeführt werden. Nach sechs Monaten Grundwehrdienst solle es künftig wieder zwei Monate Milizübungen geben. „Das Experiment der Freiwilligkeit bei der Miliz ist gescheitert, daher ist die Zeit der Experimente vorbei“, sagte der Präsident der Offiziersgesellschaft, Erich Cibulka.

Eine unendliche Geschichte

Chronologie. Wie sich der Eurofighter-Ankauf zur Polit-Affäre entwickelte.

Wien. Die neue Koalition muss eine Entscheidung treffen, wie es mit den Eurofightern weiter geht. Die unendliche Geschichte der Luftraumüberwachungsflugzeuge wird damit um ein Kapitel reicher:

2000. Die schwarz-blaue Regierung beschloss, Nachfolger für die schon altersschwachen Abfangjäger des Typs Saab Draken anzuschaffen.

2002. Die Regierung entscheidet sich für den Ankauf der Eurofighter und gegen den schwedischen Saab Gripen, den FPÖ-Verteidigungsminister Herbert Scheibner eigentlich favorisiert hatte.

2006. Die SPÖ führt im Nationalratswahlkampf eine erfolgreiche Kampagne gegen den Eurofighter-Ankauf und verspricht, diesen rückgängig zu machen.

2007. Das Parlament setzt einen Eurofighter-Untersuchungsausschuss ein, Vorsitzender ist der damalige Grüne Peter Pilz. Verteidigungsminister wird der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, der Verhandlungen mit dem Eurofighter-Konzern aufnimmt. Noch während der U-Ausschuss zahlreiche Unstimmigkeiten bei der Anschaffung der Flugzeuge aufdeckt, einigt sich Darabos mit Eurofighter auf einen Vergleich: Statt 18 Flugzeugen der neueren Tranche zwei werden 15 der Tranche eins geliefert. Dafür gibt es einen Preisnachlass von 250 Millionen Euro. Im Juli 2007 landet der erste Eurofighter.

2008-2015. Das Bundesheer leidet unter immer knapper werdenden Budgetmitteln und schränkt den Betrieb der Eurofighter immer weiter ein. Es sind nur noch wenige Flugstunden möglich, die Luftraumüberwachung wird zu einem guten Teil mit den völlig überalteten Trainingsflugzeugen der Type Saab 105 durchgeführt.

2012. In Italien wird ein Investor namens Gianfranco Lande wegen Anlagebetrugs verhaftet. Lande ist Chef einer Firma Namens Vector Aerospace, die von Eurofighter 114 Millionen Euro bekommen hat, angeblich um Gegengeschäfte mit Österreich abzuwickeln. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass über das Netzwerk Schmiergelder bezahlt wurden und ermittelt seit damals.

2017. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) erstattet Strafanzeige gegen den Eurofighter-Konzern wegen Betrugs und arglistiger Täuschung beim Ankauf. Die Republik fordert vom Hersteller Schadenersatz in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Im Parlament wird abermals ein Eurofighter-Untersuchungsausschuss eingesetzt, der aufgrund des Neuwahl-Beschlusses nur wenige Sitzungen abhalten kann. Darin wird der Darabos-Vergleich äußerst kritisch bewertet. Eine von Doskozil eingesetzte Task Force kommt zum Ergebnis, dass die Luftraumüberwachung kostengünstiger abgewickelt werden kann, wenn die Eurofighter stillgelegt und neue Flugzeuge angeschafft werden. Der nahe Neuwahltermin verhindert eine Neuausschreibung. (maf)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2017)

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