Buwog: Justizschelte, Medienkritik und steigende Nervosität

Auch in der Uni Wien, im Audimax, fand eine "Grasser-Veranstaltung" statt: eine Art Vorlesung, die das "Nachspielen" von heiklen Protokoll-Auszügen beinhaltete.
Auch in der Uni Wien, im Audimax, fand eine "Grasser-Veranstaltung" statt: eine Art Vorlesung, die das "Nachspielen" von heiklen Protokoll-Auszügen beinhaltete.Foto: Fabry, Die Presse
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Die Anwälte von Karl-Heinz Grasser werfen Medien vorverurteilende Berichterstattung vor. Und präsentieren ein Gutachten.

Wien. Wie transportiert man als Strafverteidiger die Botschaft, Journalisten würden den eigenen Mandanten vorverurteilen? Man gibt eine Pressekonferenz. Dort überhäuft man die teilnehmenden Medienvertreter mit Vorwürfen und endet mit den Worten: „Nehmen Sie es nicht persönlich!“ So geschehen am Dienstag im Café Landtmann, im Rahmen der – von immer mehr Nervosität gekennzeichneten – Vorbereitungen auf den großen Auftakt des Buwog-Prozesses am 12. Dezember.

Vorweg: Ob Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Co. tatsächlich wie geplant ab 12. Dezember wegen Untreue vor Gericht stehen werden, ist nach wie vor unklar. Wie „Die Presse“ berichtete, tagt nur einen Tag vorher der Oberste Gerichtshof (OGH). Dabei geht es auch um die Frage der Zuständigkeit der als Prozessleiterin ausgewählten Richterin Marion Hohenecker. Gut möglich, dass der OGH über eine an ihn herangetragene Nichtigkeitsbeschwerde so urteilt, dass die gesamte Strafsache Buwog einem neuen Richter übertragen werden muss. In dem Fall würde sich der Prozessstart stark verzögern.

„Unfassbar“ sei diese Situation, so Grasser-Anwalt Manfred Ainedter am Dienstag im Rahmen der eingangs erwähnten Pressekonferenz. Andererseits sei diese Ausgangslage bezeichnend für das Verfahren, in dem es „Pleiten, Pech und Pannen“ gebe.

Sodann präsentierte Ainedter gemeinsam mit dem zweiten von Grasser engagierten Anwalt, mit Norbert Wess (er hatte sich zuletzt in Korruptionsprozessen als Rechtsvertreter der Telekom Austria einen Namen gemacht), ein „Rechtsgutachten“. Und zwar zur Frage allfälliger Vorverurteilung von Grasser, Walter Meischberger (Lobbyist und Mitangeklagter) und Ernst Karl Plech (Immobilienmakler, Mitangeklagter) durch die Medienberichterstattung. Wenig überraschender Tenor des von den drei genannten Verdächtigen in Auftrag gegebenen Gutachtens: Vor allem im Rahmen von Enthüllungsberichterstattung habe es Vorverurteilung gegeben. Die Unschuldsvermutung sei „faktisch außer Kraft gesetzt worden“.

Erstellt wurde das Gutachten von der Kölner Anwaltskanzlei Höcker (Autoren: Ralf Höcker, Anja Wilkat). Nach Angaben der Grasser-Anwälte dauerte dessen Fertigstellung zwei Jahre. Wie viel das 506 Seiten starke Papier gekostet habe, wollten die Grasser-Verteidiger nicht bekannt geben. Von 25.000 Artikeln, TV- und Radiobeiträgen, die in den vergangenen Jahren zur Causa Buwog veröffentlicht worden seien, wurden 1000 Beiträge für die Expertise ausgewertet.

Ärger als Fall Kachelmann

Anwalt Höcker, der aus Deutschland angereist war, sagte: „Dass die Herren Grasser, Meischberger und Plech nichts Unrechtes gemacht haben – daran dürfte in diesem Land niemand mehr glauben.“ Ob das Strafverfahren nun noch fair ablaufen könne? „Wir meinen nicht“, so der Jurist. Der Fall Grasser übersteige hinsichtlich medialer Vorverurteilung auch den Fall Kachelmann – dem deutschen Wettermoderator Jörg Kachelmann war Vergewaltigung vorgeworfen worden. Er wurde freigesprochen.

Interessant: Das Gutachten liegt auch der Justiz vor. Es wurde zum Gerichtsakt genommen.

AUF EINEN BLICK

Buwog-Verfahren: Die Anwälte von Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger und Ernst Plech legten ein 506 Seiten starkes Gutachten einer Kölner Anwaltskanzlei vor – darin wird Medien vorverurteilende Berichterstattung in Sachen „Buwog“ vorgeworfen. Diese Vorgangsweise der Verteidiger darf zwar unter dem Aspekt der Litigation PR gesehen werden – Tatsache ist aber, dass das Gutachten den Weg in den Gerichtsakt gefunden hat. Es wurde nämlich einer Gegenschrift zur Anklage beigelegt.

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