Grasser lehnt Richterin ab: Wirbel um Twitter-Einträge

Lässt kurz vor Prozessbeginn Bombe platzen: Karl-Heinz Grasser.
Lässt kurz vor Prozessbeginn Bombe platzen: Karl-Heinz Grasser.Die Presse, Fabry
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Wenige Tage vor Beginn des größten Korruptionsprozesses der österreichischen Justizgeschichte wird scharf geschossen: Die Richterin, deren Zuständigkeit sowieso wackelt, gerät wegen ihres Mannes unter Druck.

Wien. Es lag etwas in der Luft. Am Mittwoch ließ Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der Hauptangeklagte des Buwog-Korruptionsprozesses, die Bombe platzen. Er lehnt seine Richterin, Marion Hohenecker vom Straflandesgericht Wien, wegen des Anscheins der Befangenheit ab.

Der Ehemann der Richterin, Manfred Hohenecker, Richter im Landesgericht Korneuburg, habe offenbar auf der Social-Media-Plattform Twitter diverse Einträge verfasst. Diese seien von „tiefer Abneigung“ gegen Grasser geprägt, formulieren dessen Anwälte Manfred Ainedter und Norbert Wess in einem (der „Presse“ vorliegenden) Ablehnungsantrag.

Diese Twitter-Einträge (Tweets) seien dem Mann der Richterin zuzurechnen, heißt es in dem Papier. Der zugehörige Account (er ist gesperrt, wer die Einträge lesen will, braucht eine Freigabe des Inhabers) lautet auf „Manfred H.“, hat den Profilnamen „@MHohenecker“ und zeigt auch ein Foto des Richters. Es sei anzunehmen, „dass dieser Account von Dr. Manfred Hohenecker (...) genutzt wird“, heißt es in dem Antrag.

Weiter: Die dortigen Kommentare seien „massiv gegen“ Grasser gerichtet. Tatsächlich findet sich etwa dieser Tweet (23. Jänner 2015): „Sollte Bandion (Bawag-Richterin Claudia Bandion-Ortner, Anm.) der Prozess gegen Grasser zufallen, wenn es denn je einen geben wird, so spricht es sich leichter von Minister zu Minister.“

Ein anderer Eintrag (22. November 2015) lautet: „Tatsache ist aber: Wer für oder mit dem Herrn Schüssel (Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Anm.) gearbeitet hat, hat sich selbst für immer diskreditiert.“

„Wäre in Lebensgefahr“

In einem weiteren Kommentar (6. September 2015) schrieb Hohenecker bzw. der User dieses Accounts: „Gäb's den ,Tatort‘ wirklich, wäre Grasser in Lebensgefahr.“ Dazu sind Emoticons (Symbole) von einem Engel und einer Pistole abgebildet. Der Tweet bezieht sich offenbar auf eine „Tatort“-Folge mit dem Titel „Ihr werdet gerichtet“. In der Folge geht es um einen Killer, der Selbstjustiz begeht, da die Schweizer Justiz überlastet und daher nicht handlungsfähig ist.

Grasser bzw. seine Anwälte meinen: „Es entspricht der täglichen Lebenserfahrung, dass es zwischen Ehegatten (insbesondere in concreto, wo beide als Strafrichter beruflich tätig sind) zu einem gewissen kommunikativen Austausch über aktuelle berufliche Themenkreise kommt (...).“ Und: „Dass das gegenständliche Strafverfahren die vorsitzende Richterin seit nunmehr vielen Monaten (fast ausschließlich) beschäftigt und voraussichtlich zumindest im nächsten Jahr zur Gänze beruflich in Anspruch nehmen wird, ist offenkundig. Schon aus diesem Grund kann (...) davon ausgegangen werden, dass es bei einer so intensiven beruflichen Inanspruchnahme der vorsitzenden Richterin zumindest gelegentlich zu einem Gespräch bzw. Meinungsaustausch mit ihrem (fachkundigen) Ehemann über das gegenständliche Verfahren kommen wird bzw. kommt.“ Es bestehe daher „der äußere Anschein der Befangenheit“ der Richterin.

Das Dilemma des Gerichts

Das Straflandesgericht Wien will nun rasch reagieren. Die Zeit drängt. Nächste Woche, Dienstag (12. Dezember), soll der Buwog-Prozess beginnen. Weist das Gericht den Antrag ab, behält sich die Verteidigung noch am ersten Prozesstag vor, schlussendlich Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Eine Prozesswiederholung könnte die Folge sein.

Gibt das Gericht dem Antrag statt, ist der Buwog-Prozess vorerst geplatzt. Ein neuer Richter müsste sich erst in den Akt einlesen. Letzteres droht sowieso: Der OGH entscheidet, wie berichtet, nur wenige Stunden vor Prozessbeginn, ob Richterin Hohenecker überhaupt zuständig ist. Es bleibt spannend.

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