Der Mann, der endlich ernst genommen werden will

(c) Clemens Fabry
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Heinz-Christian Strache. Zwölf Jahre lang ist er schon FPÖ-Chef. Er wurde zuerst als „Haider-Kopie“ belächelt, dann der Retter der Partei und der schärfste Kritiker der Regierung. Und jetzt?

Es ist nicht genau überliefert, was Heinz-Christian Strache am Wahlabend tatsächlich durch den Kopf gegangen ist. Mit Sicherheit empfand er Freude und Erleichterung – vielleicht aber auch ein bisschen Frust, weil die SPÖ seine Partei am Ende doch noch überholte. Wahrscheinlich war aber auch ein bisschen Genugtuung dabei: Gegenüber jenen, die ihn in den vergangenen Jahren unterschätzt hatten. Und dann kam vielleicht der Schock, als klar wurde: Denn dieses Mal könnte es wirklich so weit sein. Jetzt könnte er tatsächlich an die Macht kommen.

Heute, zwei Monate später, sind die Koalitionsverhandlungen kurz vor dem Abschluss. Dass Strache Vizekanzler wird, ist so gut wie fix. Doch für welche Ressorts er zuständig sein soll, darüber sind sich die Verhandler noch nicht sicher. Möglich wäre, dass er aus imagetechnischen Gründen den Sport zu sich nimmt, und andere, leicht managebare Aufgaben. Oder er wird doch so etwas wie Heimatschutzminister, Katastrophenschutz inklusive.

So oder so – Strache ist bereits in seine neue Rolle geschlüpft: Beim Gang zu Pressekonferenzen überlässt er Sebastian Kurz freundlich den Vortritt, beantwortet Fragen der Journalisten ruhig und gelassen – und verzichtet auf allzu markante Sprüche und Botschaften. Auf die Termine, vor allem wenn es um Ökonomie geht, versucht er sich gut vorzubereiten. Man soll ihm bloß nicht den Vorwurf machen können, er könne nur beim Ausländerthema mitdiskutieren. Manch einer behauptet, dass auch seine Brille zum neuen, seriösen Image gehöre. Der Grund ist allerdings eher ein medizinischer – Strache hatte zuletzt eine Bindehautentzündung.

Vor einigen Jahren, eigentlich auch Monaten, war noch vieles anders: Da begann kein Medientermin ohne Schelte für Journalisten, die angeblich die Wahrheit verzerren. Darauf folgte ein rhetorischer Angriff auf die Koalition, am liebsten auf den ÖVP-Chef. Im Nationalratswahlkampf ließ sich Strache sogar gemeinsam mit Kurz plakatieren. Der FPÖ-Chef groß und in Farbe, der ÖVP-Obmann blass und mit dem Zitat „Der Islam gehört zu Österreich“. Bei Reden nannte er seinen künftigen Koalitionspartner auch gern „Shorty“. Das gehört eben zum Aufgabenbereich eines Oppositionspolitikers, vor allem eines rechtspopulistischen: ein „Wir“-Gefühl erzeugen, gegen die angebliche Elite ankämpfen – und gegen andere Feindbilder wie Moslems und Flüchtlinge.

Spätestens im Jahr 2015 war klar, dass das nicht alles sein konnte. Strache begann langsam, sich zu seiner jetzigen Rolle vorzutasten: Er gab sich etwas staatsmännischer, ein wenig ruhiger. Einerseits war das ein ehrlicher Reifeprozess – immerhin verändern sich Personen mit der Zeit. Andererseits war dies vor allem der taktische Versuch, mehr Wähler von sich zu überzeugen.

Bemüht um Frieden – intern

Zum Teil ist dies gelungen. Und die Genugtuung vom Wahlabend könnte er auch gegenüber früheren Parteikollegen empfunden haben: Denn damals, als Strache vor zwölf Jahren die FPÖ übernommen hatte, war noch viel von der „Jörg-Haider-Kopie“ die Rede. Eine eigenständige Persönlichkeit und politischer Stil wurden ihm vielfach nicht zugetraut – und erst recht nicht, die Partei aus dem politischen Koma zu holen. Das sollte sich als unwahr erweisen: Strache versuchte, die Fehler Haiders nicht zu wiederholen, bemühte sich um internen Frieden in der Partei.

Doch auch wenn es bei Wahlen stetig ein Plus gab – in die Praxis konnten sie die Erfolge nur bedingt umsetzen. Denn die Partei wurde erst in den vergangenen zwei Jahren als Regierungspartner in Betracht gezogen. Allerdings nur auf Landesebene – Strache blieb der ewige Oppositionspolitiker. Bis zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem er nun selbst Teil der angeblichen Elite wird.

Die Schwierigkeit wird für Strache also sein, so wenig Menschen wie möglich zu enttäuschen. Seine Funktionäre, die immer noch einen politisch und rhetorisch harten Kurs fordern. Seine Wähler, die hoch gegriffene Versprechen eingehalten sehen wollen – aber auch jene Menschen, die ihn als ewigen Oppositionspolitiker sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2017)

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