Wie der künftige Bundeskanzler tickt

(c) Clemens Fabry
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Sebastian Kurz. Mit dem Gespür für die richtigen politischen Themen erklomm der 31-Jährige die Karriereleiter. Als Regierungschef muss der lang unterschätzte Wiener aber nun erstmals hohe Erwartungen erfüllen.

Als er mit 24 Jahren Staatssekretär für Integration wurde, trauten ihm viele die Aufgabe nicht zu. Zu jung und keine Erfahrung, hieß es. Doch Sebastian Kurz überraschte. Als er mit 27 Außenminister wurde, kamen ähnliche Befürchtungen auf. Wie soll ein junger Mann, der nicht einmal sein Jusstudium fertiggebracht hat, inmitten der Diplomaten bestehen? Doch Sebastian Kurz erfüllte seine Aufgabe gut. Nun soll er mit 31 Bundeskanzler werden. Doch diesmal trauen ihm viele die Aufgabe zu. Und genau darin könnte die Schwierigkeit liegen.

Die Erwartungen an den Wahlsieger sind im bürgerlichen Lager so hoch, dass Enttäuschungen vorprogrammiert sind. Kurz soll einen neuen Regierungsstil prägen, Reformen umsetzen, Länder und Parteibasis zufriedenstellen, aber gleichzeitig für neue Wählerschichten offen bleiben. Im Wahlkampf ging das mit einer gelungenen Kampagne noch gut, doch im Regierungsalltag wird man an den Taten gemessen. Und als Kanzler kann man nicht mehr wie einst Kurz als Außenminister gleichzeitig in der Regierung sitzen und doch eine Art Opposition anführen.

Planung statt Zufall

Dass Kurz Reinhold Mitterlehner beerbte, war kein Zufall, sondern lang geplant. So, wie bei Kurz überhaupt wenig Zufall ist. Schon in seiner Anfangszeit in der Jungen ÖVP suchte er den Kontakt zu arrivierten Politikern und Journalisten. Aber auch seine jugendlichen Mitstreiter band er ein, indem er ihren Rat suchte und ihnen das Gefühl gab, dass er ihren Rat umsetzen will. Eine Stärke von Kurz, die ihm auch in der Anfangszeit in der Regierung half. Er hörte Fachexperten viel zu und arbeitete sich so rasch ein.

Auch politisch kam es Kurz gelegen, dass er durch Zuhören früher als andere erkannte, dass die Stimmung in der Bevölkerung sich in der Flüchtlingsfrage längst weg von einer Refugee-Welcome-Stimmung gedreht hatte. Kurz schlug nun als Außenminister einen viel schärferen Ton als in seiner Zeit als Integrationsstaatssekretär an. Das brachte ihm aber auch den Vorwurf ein, seine Meinung schnell zu ändern, solange sie nur gerade populär ist.

Ideologisch ist Kurz nicht ganz leicht einordenbar. Er ist jedenfalls bürgerlich geprägt, das Leistungsprinzip ist ihm wichtig, ebenso aber die christliche Soziallehre. Wenngleich im urbanen Wien aufgewachsen, fühlt sich Kurz dem Land (seine Familie stammt aus Niederösterreich) ebenfalls verbunden. Dass er das im Wahlkampf in einem Video extra betonte, war freilich wieder reines Kalkül, um die ÖVP-Wähler auf dem Land hinter sich zu bringen.

Sein Privatleben schirmt Kurz ab. Seine Freundin tritt selten öffentlich auf, zeigte sich aber etwa am Tag des Wahlsiegs auf der ÖVP-Feier. Sport war immer ein Hobby von Kurz, insbesondere Tennis. Dass Kurz auf die Frage nach seiner Lieblingsfußballmannschaft das Nationalteam angibt, zeugt hingegen weniger von Fußballinteresse als von der Kunst, stets eine für alle genehme Antwort zu geben.

Mehr Pragmatiker als Ideologe

Kurz wirkt nicht so gesellig oder volksnah wie ein Josef Pröll. Dafür achtet der 31-Jährige auch zu genau darauf, was er wann, wem, wie sagt. Kurz ist auch kein Intellektueller vom Format eines Wolfgang Schüssel. Kurz ist aber auch nicht der „Hietzinger Schnösel“, als der er von seinen Gegnern dargestellt wird. In der Regel tritt Kurz bescheiden und höflich auf. Wenn es lauter werden soll, lässt er das lieber seine Mitarbeiter für ihn erledigen. Oder gleich Ministerkollegen wie Wolfgang Sobotka, der die Regierung Kern verbal angegriffen hat, aber sich seit dem ÖVP-Obmannwechsel zu Kurz so artig verhält wie ein Kind kurz vor der Bescherung am Heiligen Abend.

Hietzinger ist Kurz gar keiner. Er kommt aus dem „Arbeiterbezirk Meidling“, wie er im Wahlkampf gern betont hat, um dem Simmeringer Kern nicht die Hoheit über einfachere Wählerschichten zu lassen. Dass er aus dem Hietzing schon sehr ähnlichen Obermeidling stammt, sagte Kurz freilich lieber nicht dazu.

Die richtige PR und gute Rhetorik waren schließlich schon bisher die Stärke des 31-Jährigen, ein feines Gespür für die gerade richtigen politischen Themen ebenso. Wahrscheinlich ist Kurz am Ende auch mehr Pragmatiker als Ideologe. Einmal festgelegte Ziele rasch umzusetzen war ihm aber immer wichtig. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob er das als Regierungschef schafft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2017)

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