Mit einer Show gegen die Grasser-Richterin

Der Hauptangeklagte Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und einer seiner Mitangeklagten (re.): Ernst Karl Plech.
Der Hauptangeklagte Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und einer seiner Mitangeklagten (re.): Ernst Karl Plech.REUTERS
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Und was sagte Karl-Heinz Grasser am ersten Prozesstag? Nur, dass er weder Haus noch Auto besitze. Sonst dominierte ein Thema den Auftakt der Buwog-Verhandlung: die Twitter-Affäre um den Mann der Richterin.

Wien. Die Schöffen (Laienrichter) mussten zu Beginn des Grasser-Prozesses schwören oder geloben, unbefangen an die Sache heranzugehen. Nur: an welche Sache? Statt über die Buwog-Privatisierung, über Korruption und über Karl-Heinz Grasser zu sprechen, wurde von der Verteidigung eine stundenlange Multimediashow geboten. Das Leitthema: die Ablehnung von Richterin Marion Hohenecker „wegen Befangenheit“.

Apropos Schöffen: Obgleich nur zwei Laienrichter im Senat sitzen, wurden nicht weniger als zwölf (!) Schöffen angelobt. Als großzügige Personalreserve. Falls gleich zehn Laienrichter ausfallen.

Für Prozessleiterin Marion Hohenecker war es ein schwerer Tag. Man sah ihr das an. Gleich fünf Anwälte der Verteidiger-Riege der 14 Angeklagten (der 15. Angeklagte, Ex-Raiffeisen-Landesbank-Oberösterreich-Boss Ludwig Scharinger, ist nicht verhandlungsfähig) schossen sich auf sie ein. Es ging um die Twitter-Affäre rund um den Ehemann der Richterin, den Korneuburger Strafrichter Manfred Hohenecker (dieser war übrigens seinerzeit der Ausbildungsrichter der nunmehrigen Vorsitzenden). Weil sich Manfred Hohenecker auf Twitter mehrfach negativ über Karl-Heinz Grasser geäußert hatte, sei nun kein faires Verfahren mehr zu erwarten, erklärten die Anwälte.

Und Grasser selbst? Was wurde eigentlich aus der Hauptfigur? Der frühere Finanzminister betrat erst zeitgleich mit dem Richtersenat den Verhandlungssaal durch einen Seiteneingang. Blieb ganz am Rand des Großen Schwurgerichtssaals stehen und war erleichtert, dass die Richterin schon nach ein paar Sekunden die Fotografen verbannte.

Bei der obligatorischen Abfrage der Personaldaten („Generalien“) sagte der 48-jährige Ex-FPÖ-Politiker nur wenige Worte. Zum Beispiel: „Das ist richtig.“ Und zwar auf die Frage der Richterin: „Sie haben kein Haus, kein Auto?“

An dieser Stelle ging ein Raunen durch den Saal. Beruf? „Derzeit kein Dienstgeber.“ Nettoeinkommen? „Ich möchte dazu keine Angaben machen.“ Nein, der Verhandlungsgegenstand, das mutmaßliche Lukrieren von Bestechungsgeldern im Zuge des 2004 erfolgten Verkaufs von Bundeswohnbaugesellschaften, wurde (noch) nicht besprochen.

Nachdem alle 14 Angeklagten, darunter die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger, der Makler Ernst Karl Plech, der Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics oder etwa der frühere Raiffeisen-Landesbank-Oberösterreich-Vorstand Georg Starzer zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt worden waren, brach eine Lawine an Ablehnungsanträgen gegen Richterin Hohenecker los.

All diese Anträge wurden letztlich zwar – erwartungsgemäß – abgewiesen. Klar ist, warum sie gestellt wurden, obwohl bereits das Gerichtspräsidium erklärt hatte, Hohenecker sei unbefangen: Die Verteidigung will schlussendlich die von ihr angenommene Befangenheit der Richterin per Nichtigkeitsgrund geltend machen.

Es wirkte schon sehr speziell, als von Grasser-Anwalt Manfred Ainedter das auf YouTube erfolgreich kursierende Spottlied „Karl-Heinz“ der Wiener Liedermacher Christoph & Lollo rezitiert wurde. Der Refrain: „Wann geht der Karl-Heinz endlich in Häf'n?“ Dabei lief sogar auf Vidiwall das Video. Da aber der Ton nicht funktionierte, wurde der gesamte Liedtext von Ainedter vorgelesen. Denn: Dieses Video hatte der Mann der Richterin auf Twitter als „immer noch aktuell“ bezeichnet.

„Gegen den Zeitgeist“

Wie gesagt: Alle Anträge auf Ausschluss der Richterin wurden von dieser selbst abgewiesen. Ihr Kommentar: „Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen.“

Das Sperrfeuer der Anwälte ging weiter. Und degradierte sowohl die Angeklagten als auch die beiden Vertreter der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu Statisten. Die Sitzordnung im Saal könne kein faires Verfahren garantieren, hieß es nun. Die Anwälte sitzen nämlich tiefer als die Anklagevertreter. Auch der Antrag auf Änderung der Sitzordnung wurde abgewiesen. Dem Verteidiger-Antrag auf Ausschluss des Journalisten Ashwien Sankholkar (er war Zuschauer) wurde aber von der Richterin stattgegeben. Grund: Der Betroffene gilt als möglicher Zeuge. Sankholkar: „Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit.“ Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2017)

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