Bleibt Österreich also das „Raucherparadies“ Europas?

Raucherparadies Österreich?
Raucherparadies Österreich?APA/dpa/Patrick Seeger
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Die meisten jugendlichen Raucher und die laschesten Tabakontrollen – Österreich belegt diverse zweifelhafte Spitzenplätze.

Wien. Das Aus für das Rauchverbot in der Gastronomie könnte Österreichs Ruf als „Raucherparadies“ Europas zementieren. Ist dieser Ruf wirklich gerechtfertigt?

1. Sind Österreichs Jugendliche nach wie vor „Europameister“ im Rauchen?

Die gute Nachricht: Der Zigarettenkonsum bei Jugendlichen nimmt ab. Hatten noch vor zehn Jahren knapp die Hälfte in den vorangegangenen 30 Tagen zumindest eine Zigarette geraucht, sind es mittlerweile rund 30 Prozent. Nichtsdestotrotz sind österreichische Jugendliche beim Rauchen nach wie vor „Europameister“. Nirgendwo sonst greifen 12- bis 18-Jährige häufiger zur Zigarette. 27 Prozent bezeichnen sich der Statistik Austria zufolge als „aktive Raucher“, rauchen also täglich mindestens eine Zigarette. Gleichzeitig belegt Österreich europaweit den letzten Platz bei der Tobacco Control Scale – ein Indikator, der die Umsetzung gesetzlicher Tabakkontrolle misst. Also Faktoren wie die Höhe der Steuern auf Tabakprodukte, Rauchverbote im öffentlichen Raum, Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung.

2. Wie hoch sind die Kosten für den Staat, die durch das Rauchen verursacht werden?

Dem Institut für höhere Studien zufolge entsteht dem Staat durch Kosten, die durch das Rauchen verursacht werden, ein Defizit von 750 Millionen Euro pro Jahr. „Bei diesen 750 Millionen Euro muss man von einer Mindestsumme ausgehen“, sagt Umweltmediziner Manfred Neuberger von der Initiative Ärzte gegen Raucherschäden. „Wahrscheinlich sind die Kosten deutlich höher.“

3. Wie gesundheitsgefährdend ist regelmäßiges Passivrauchen eigentlich?

Manfred Neuberger zufolge sind die Belastungen für einen regelmäßigen, starken Passivraucher, also etwa für einen Kellner in einem Raucherlokal, vergleichbar mit jenen für einen nicht starken, aktiven Raucher – also enorm. Mindestens 10.000 Menschen sterben jedes Jahr in Österreich an den Folgen des Rauchens, nicht nur durch Lungen-, Kehlkopf-, Rachen-, Speiseröhren- und Brustkrebs, sondern auch durch Herzkreislauferkrankungen. Allein die Zahl der Herzinfarkte hat sich in Ländern, die das Rauchverbot in der Gastronomie eingeführt haben, um zehn bis 20 Prozent verringert.

4. Führten Rauchverbote zu Umsatzeinbußen für die Gastronomie?

Hier lohnt sich ein Blick nach Beverly Hills, die erste kalifornische Gemeinde, die Mitte der 90er-Jahre ein Rauchverbot verhängte. Den Gegnern gelang es, wieder eine Aufhebung des Verbots zu erreichen, wodurch sich zwei direkt vergleichbare Zeitperioden ergaben. Es stellte sich heraus, dass das Verbot bzw. die Aufhebung keinen Effekt auf die Umsätze hatte. Zum selben Ergebnis kamen Studien in europäischen Ländern.

5. Freuen sich wirklich alle Gastronomen über das Aus des Rauchverbots?

Zwei Drittel der Gastronomen begrüßen das Aus des Rauchverbots, meint die Wirtschaftskammer Österreich. Bei jenen Gastronomen, die bereits umgebaut haben, herrsche allerdings Unmut, sagt Peter Dobcak, Gastronomie-Obmann der Wiener Wirtschaftskammer. Er schätzt, dass in Wien mehr als zwei Drittel der Lokale zumindest getrennte Räumlichkeiten haben. Vor allem neue Lokale, die mit dem Verbot gerechnet haben, sind komplett rauchfrei und werden das auch bleiben. Profitieren würden hingegen kleine, getränkelastige Lokale, vor allem von der Anhebung der Quadratmetergrenze für Raucherlokale auf 75 m2 (statt 50). „Für kleine Lokale ist das eine enorme Erleichterung.“

6. Rauchen erst ab 18 – im Lokal und Auto. Wie soll das kontrolliert werden?

Dass mit der neuen Regelung unter 18-Jährige keinen Zutritt zu Raucherräumen haben, sei begrüßenswert, sagt Peter Dobcak. Es könne aber nicht sein, dass der Wirt zum Polizist werde und Ausweise kontrollieren müsse. Wie mit dem Rauchverbot in Autos mit unter 18-Jährigen umgegangen wird, ist noch offen. Man warte das Gesetz ab und werde dann die polizeiliche Vorgangsweise besprechen, heißt es von Seiten der Wiener Polizei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2017)

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