Schwarz-Blau: Die letzten Fragen

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Am Samstag soll die neue Regierung stehen. In einem „Konklave“ wollen ÖVP und FPÖ unter anderem noch klären, wer Finanzminister wird. Die Vorgaben des Bundespräsidenten wurden erfüllt.

1. Wann ist mit einem Verhandlungsabschluss zu rechnen?

Die finale Verhandlungsrunde beginnt am Donnerstagabend im Palais Epstein neben dem Parlament. In einer Art „Konklave“ – so nennen es ÖVP und FPÖ – sollen dann bis Freitagnacht die letzten Kompromisse geschlossen werden. Am Samstagnachmittag, nachdem die Gremien beider Parteien zugestimmt haben, wollen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache mit dem Programm und der Ministerliste an die Öffentlichkeit gehen.

2. Welche Kapitel im Koalitionspakt sind noch nicht abgeschlossen?

Inhaltlich sei man sich weitgehend einig, hieß es am Mittwoch. Im Kapitel „Direkte Demokratie“ bahnt sich ein Kompromiss zwischen den Forderungen der FPÖ (verpflichtende Volksabstimmung, wenn vier Prozent der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterschrieben haben) und jenen der ÖVP (zehn Prozent) an. Grundrechts- und Budgetfragen werden ausgeklammert. Auch über einen EU-Austritt soll nicht abgestimmt werden können.

3. Wie werden die Ressorts zwischen den Koalitionspartnern verteilt?

Es soll weiterhin 14 Ministerien und zwei Staatssekretariate geben – darüber sind sich Kurz und Strache einig. Im Verhandlungsfinale geht es jetzt um die Aufteilung. Wenn die FPÖ das Innen- und das Verteidigungsministerium bekommt, muss sie sich insgesamt wohl mit sechs Ressorts begnügen, während acht an die ÖVP gehen. Andernfalls wird – wie unter Rot-Schwarz – geteilt. Zusätzlich darf jede Partei einen Staatssekretär nominieren.

4. Welche Ministerien gehen an die ÖVP – und wer soll sie führen?

Sebastian Kurz nimmt die wesentlichen EU-Agenden – Vorbereitung auf die Ratspräsidentschaft 2018, Koordination der österreichischen EU-Politik – ins Kanzleramt mit. Dort wird es weiterhin einen Minister geben, der auch für Kultur und Medien zuständig ist, nämlich den Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel.

Das Finanz- und das Wirtschaftsministerium, das wie unter Wolfgang Schüssel mit den Arbeitsagenden verknüpft werden könnte, bleiben bei der ÖVP. Eines der beiden Ressorts ist für Vizeparteichefin Bettina Glatz-Kremsner reserviert. Natürlich gibt die Volkspartei auch die Landwirtschaft nicht ab. Die Frage dort ist eher, ob Andrä Rupprechter bleiben kann.

Sollte das Innenministerium freiheitlich werden, übernimmt die ÖVP das Justizministerium. Diese Teilung war eine der Bitten – manche sagen Bedingungen – von Bundespräsident Alexander Van der Bellen (siehe dazu letzte Antwort). Wahrscheinlich ist, dass das Bildungsressort samt Unis und Kindergärten schwarz wird. Und dass das Frauenministerium von der Gesundheit getrennt wird. Es könnte wieder den Familien angegliedert werden. Oder der Bildung.

5. Welche Jobs bekommen Elisabeth Köstinger und Wolfgang Sobotka?

Das ist offen und hängt womöglich zusammen. Sollte Elisabeth Köstinger doch in die Regierung wechseln, weil Kurz den Frauenanteil erhöhen und die murrende West-Achse in der ÖVP zufriedenstellen möchte, könnte der ursprüngliche Plan in Kraft treten, wonach Wolfgang Sobotka Nationalratspräsident wird. Sonst war der Noch-Innenminister schon Kandidat für fast alle Ressorts, zuletzt auch für das Finanzministerium.

Köstinger brächte die fachlichen Voraussetzungen für das Landwirtschaftsministerium mit, kommt aber offenbar auch für das Bildungsressort oder ein Zukunftsministerium mit Bildung und anderen Themenbereichen infrage.

6. Welche Ressorts bekommen die Freiheitlichen?

Die parteifreie Karin Kneissl wird auf einem FPÖ-Ticket Ressortchefin in einem ausgedünnten Außenministerium. Neben den zentralen EU-Agenden könnte ihr auch noch die Integration abhandenkommen. Darüber dürfte im „Konklave“ aber noch gefeilscht werden.

Herbert Kickl scheint als Innenminister durch zu sein – ebenso Norbert Hofer als Verkehrs- und Infrastrukturminister. Stand Mittwoch wird auch das Sozialministerium freiheitlich und um die Gesundheit erweitert. Außerdem will die FPÖ das Verteidigungsministerium. Die Frage ist, welches Ressort der Vizekanzler bekommt. Zwischenzeitlich wurde kolportiert, dass rund um die Themen Katastrophenschutz und Tourismus ein neues Heimatschutzministerium für Heinz-Christian Strache gezimmert werden könnte.

7. Wie steht Alexander Van der Bellen zu den schwarz-blauen Plänen?

Am Donnerstag informiert Kurz den Bundespräsidenten über den Stand der Dinge. Die Angelobung ist für Montag oder Dienstag vorgesehen. Davor will Alexander Van der Bellen noch Gespräche mit jenen Regierungsmitgliedern führen, die er noch nicht kennt. Um sich ein Bild zu machen, wie es heißt.

Dass er den einen oder anderen Minister ablehnen könnte, glaubt man nicht einmal mehr in der FPÖ. Kurz und Strache haben ihre Personalpläne laufend mit Van der Bellen abgestimmt. So kam auch Karin Kneissl in die Ziehung: Sie ist der Kompromiss zwischen dem unbedingten FPÖ-Wunsch nach dem Außenamt und Van der Bellens Sorgen wegen der internationalen Resonanz auf einen freiheitlichen Außenminister.

Auch die Idee, die wichtigsten EU-Agenden dem Bundeskanzler zu unterstellen, soll zumindest teilweise von Van der Bellen stammen. Auf diese Weise will das Staatsoberhaupt verhindern, dass die Regierung von der FPÖ auf einen anti-europäischen Kurs geführt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2017)

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