Buwog-Verfahren: „Grasser hat die Republik geschädigt“

Hatten ihren großen Tag: die Vertreter der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Alexander Marchart (li.) und Gerald Denk.
Hatten ihren großen Tag: die Vertreter der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Alexander Marchart (li.) und Gerald Denk.APA/HELMUT FOHRINGER/APA-POOL
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Tag der Anklage: Er habe „ein System der organisierten Korruption aufgebaut“, musste sich Karl-Heinz Grasser von den beiden Oberstaatsanwälten sagen lassen.

Wien. Es sind wahrlich schwere Schläge, die Karl-Heinz Grasser am zweiten Tag des Buwog-Prozesses einstecken muss. Der ehemalige Finanzminister muss sich absprechen lassen, je zum Wohl der österreichischen Bevölkerung agiert zu haben. „Er hat Politik zum eigenen Vorteil gemacht. Er hat kassiert“, erklären die beiden Oberstaatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk in ihrem Eröffnungsvortrag.

Grasser, die Zentralfigur im Korruptionsprozess um den 2004 abgewickelten Verkauf von vier Bundeswohnbaugesellschaften, wirkt klein – wie er da so sitzt, an einem einfachen Schreibtisch, den ihm die Justiz zur Verfügung stellt. Auf einem Podest, direkt vor ihm, ja über ihm, bauen sich die beiden Anklagevertreter in ihren schwarzen Talaren auf und halten – abwechselnd sprechend – ihre geradezu vernichtende Rede. Dann und wann mustern sie den Hauptangeklagten mit einem kühlen Seitenblick – einen Angeklagten, den sie sogar mit einem eigenen Kürzel charakterisieren: „GGG“ oder: „die drei ,G‘“. Wohl in Anlehnung an das einer Trademark gleichkommende Namenskürzel des Ex-Ministers, KHG, entwarfen die Korruptionsjäger die Begriffskombination „Geld, Gier, Geheimnisse“.

10,1 Millionen Euro an Bestechungsgeldern, resultierend aus dem Buwog-Verkauf und aus der ebenfalls von Grasser organisierten Einmietung von Finanzämtern in den Linzer Terminal Tower, sollen geflossen sein. Zahler seien eine Immofinanz-Tochter und eine Porr-Tochter gewesen. „Weil Magister Grasser die Fäden zog.“

Der ehemals strahlende FPÖ-Vorzeigepolitiker habe wegen seiner hohen Position „an den richtigen Rädchen drehen können“. Nach außen hin habe er sich aber zurückgehalten. Das Eintreiben und Verstecken der Gelder habe er anderen überlassen: seinen Freunden, den Lobbyisten Walter Meischberger (dieser sitzt nun im Gerichtssaal direkt neben Grasser) und Peter Hochegger – sowie dem Immobilienmakler und früheren Buwog-Aufsichtsratschef Ernst Karl Plech. Letztere gehören nun freilich ebenfalls der 14-köpfigen Gruppe der Angeklagten an. Generalvorwurf: Untreue zu Lasten der Republik. Das Quartett, also Grasser und seine Freunde, wird von Marchart und Denk so bezeichnet: „Das war eine verschworene Viererbande.“

„370 Jahre lange arbeiten“

10,1 Millionen Euro also. So als ob die beiden Anklagevertreter einen Kontrapunkt zu ihrer extrem ausführlichen, steckenweise verschachtelten und nur schwer lesbaren Anklageschrift schaffen wollen, werden sie nun plastisch: „Für 10,1 Millionen Euro müsste der Durchschnittsösterreicher 370 Jahre arbeiten.“ Bitterer Nachsatz: „Für 10,1 Millionen Euro brutto – davon müsste er noch Steuern zahlen.“ Und darum gehe es: „Um Korruption und um Steuern.“ Prompt folgt eine gut vorbereitete Überleitung der Ankläger: „Sehen wir uns an, wer auf der Anklagebank Platz genommen hat: Magister Grasser, der ehemalige Finanzminister!“ Weiter: „Er war nicht Teil der Lösung des Korruptionsproblems, er war Teil des Korruptionsproblems.“ In dieser Tonart rollt am Mittwoch im Straflandesgericht Wien eine Angriffswelle nach der nächsten über Grasser hinweg: „Er hat seine Befugnis missbraucht. Er hat die Republik geschädigt. Den Schaden hatten alle Steuerzahler zu tragen.“

Gegenoffensive am dritten Tag

Das Bestechungsgeld, also die zehn Millionen Euro, sei auf gleiche Teile unter den Mitgliedern der „Viererbande“ aufgeteilt worden. Ein von Meischberger errichtetes Liechtenstein-Konto sei Grasser „zuzurechnen“. Ebendieser hat bisher immer alle Vorwürfe bestritten (für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung). Und darauf hingewiesen, dass das besagte Konto Meischberger gehörte.

In einer spontanen Replik auf den Vortrag der Anklage spricht Grasser-Anwalt Manfred Ainedter von „Grimms Märchen“. Und kündigt für den Donnerstag eine umfassende Gegendarstellung an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2017)

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