Buwog-Prozess: Anwälte-Präsident kritisiert Gericht

Rupert Wolff
Rupert Wolff Die Presse
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Sitzplatz-Streit: Es drohe eine Verurteilung Österreichs wegen des Verstoßes gegen das Menschenrecht auf ein faires Verfahren, meint Anwälte-Präsident Rupert Wolff.

Der Große Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien, der Schauplatz des Buwog-Prozesses, könnte zum Problem werden; genauer gesagt: die eigens für diese Verhandlung hergestellte Sitzordnung. Die Verteidiger und ihre Klienten müssen am tiefsten Punkt des Saals sitzen. Auch andere Benachteiligungen werden bemängelt. Österreichs Anwälte-Präsident Rupert Wolff zur „Presse“: „Es droht eine Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.“

Vorausgesetzt natürlich, dass die Angeklagten oder Teile der Angeklagten-Riege Beschwerde beim EGMR einbringen. Dies darf angenommen werden, da Karl-Heinz Grassers Anwälte Manfred Ainedter und Norbert Wess diesen Schritt bereits angekündigt haben. In diesem Fall könnte der im französischen Straßburg angesiedelte EGMR die Republik Österreich verurteilen – wegen des Verstoßes gegen das Menschenrecht auf ein faires Verfahren (fair trial). Der Gerichtshof könnte zudem dafür sorgen, dass den Beschwerdeführern, also den Angeklagten, von der Republik Österreich eine Entschädigung ausbezahlt wird.

Sitzen „im Schützengraben“

Das Problem: Der denkmalgeschützte, zwischen 1873 und 1876 errichtete Saal wurde vor Auftakt des Korruptionsprozesses so umgestaltet, dass die Verteidiger, wie erwähnt, an der tiefsten Stelle des Saals sitzen müssen. Sie sprechen auch bereits von der „Gruab'n“ oder dem „Schützengraben“.

Die Staatsanwälte sitzen erhöht, ebenso der Richtersenat. Selbst die Zuschauerränge laufen wie in einer Arena schräg nach oben. Diese niedere Position der Anwälte/Angeklagten wirke hinsichtlich Symbolik und Psychologie negativ, so die Verteidigung.

Zweites, bereits abgemildertes Problem: Zuschauer können den Anwälten über die Schulter schauen. Hier hat Richterin Marion Hohenecker aber schon eingegriffen und auf Betreiben der Verteidiger drei Sitzreihen fürs Publikums gesperrt. Und: Weil die Anwälte hinter den Angeklagten/Zeugen sitzen (nicht, wie früher, daneben), sei es (so sagen sie) nicht möglich, auf die Mimik zu achten. Eigens aufgebaute TV-Schirme, die das Bild der jeweils zur Richterin hinsprechenden Person in Richtung Anwälte-Plätze ausstrahlen, könnten dieses Problem nicht beheben, heißt es.

Anwälte-Präsident Wolff (er ist Chef der Dachorganisation aller neun Anwaltskammern): „Hier macht die Strafgerichtsbarkeit in Österreich einen schlechten Eindruck.“ (m. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2017)

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