Buwog-Verfahren: Grasser-Verteidigung sieht Anklage als „Vollholler“

Karl-Heinz Grasser war Attacken der Ankläger ausgesetzt. Dann folgte der Gegenschlag.
Karl-Heinz Grasser war Attacken der Ankläger ausgesetzt. Dann folgte der Gegenschlag.(c) APA/HELMUT FOHRINGER/APA-POOL
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Nach den schweren Angriffen der Korruptionsstaatsanwaltschaft schlugen die Verteidiger von Karl-Heinz Grasser zurück.

Wien. „Ich halte es für einen Vollholler, dass Grasser vorgeworfen wird, 9,6 Millionen Euro gegenüber dem Bund einbehalten zu haben und zugleich Untreue gegenüber der Immofinanz begangen zu haben“. Norbert Wess, einer der beiden Verteidiger von Ex-FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, verwendete am Donnerstag, dem dritten Verhandlungstag des Buwog-Korruptionsprozesses, diesen von SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern gebrauchten Begriff („Vollholler“). Einen Begriff, der mittlerweile zum Wort des Jahres gekürt wurde.

Wess tat dies im Rahmen eines praktisch ganztägigen Eröffnungsvortrags. Was er damit meinte: Die Anklage wirft Grasser vor, er habe beim Verkauf von Bundeswohnbaugesellschaften Bestechungsgelder von jenem Konsortium kassiert, das den Zuschlag bekam. Das war das Immofinanz-Konsortium. Dieses verlangt nun das Geld, 9,6 Millionen Euro, zurück. Das selbe tut auch die Finanzprokuratur als Vertreterin der Republik Österreich. Und stützt sich dabei auf die Anklage. Diese sagt nämlich, dass die eigentlich Geschädigte die Republik Österreich sei.

Es war jedenfalls ein Eröffnungsvortrag der Verteidigung, wie man ihn noch nie erlebt hat. Zunächst sandte Wess (Grassers erster Verteidiger Manfred Ainedter hatte seinem Kollegen das Feld überlassen) noch einige wenig freundliche Botschaften an die beiden Oberstaatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk. Diese hatten an Grasser, wie berichtet, kein gutes Haar gelassen. Wess: „Sie haben versucht, mit meinem Mandanten politisch abzurechnen. Das hat mich enttäuscht.“ Und: „Mein Mandant ist beruflich ruiniert. Operation gelungen. Patient tot.“

Die eingestellten Verfahren

Dann ließ es sich der Verteidiger nicht nehmen, auf jene früheren Ermittlungsverfahren hinzuweisen, die gegen Grasser gelaufen sind, aber eingestellt wurden: etwa das Verfahren um Telekom Austria-Gelder, das um die Novomatic-Affäre (Versuch das Glücksspielgesetz zu ändern), das um die Dorotheum-Privatisierung oder das um den Post-Börsegang.

Außerdem erinnerte Wess daran, dass auch in Sachen „Buwog“ zwei große Brocken vom Oberlandesgericht Wien aus der Anklage gestrichen worden sind. Apropos Oberlandesgericht (OLG): Unter dem harmlos anmutenden (auf die Vidiwall im Gerichtssaal projizierten) Titel „Vorbemerkungen“ ließ sich Wess auf eine sehr detaillierte, lang anhaltende Auflistung von Ungereimtheiten ein, die das OLG in seiner Bewertung der Buwog-Anklage vorgenommen hatte. Zur Erklärung: Weil einige Beschuldigte Einspruch gegen die Anklageschrift erhoben hatten, musste das OLG eine Prüfung vornehmen.

So mancher Beobachter konnte sich ob der Ausführlichkeit der Darlegungen des Grasser-Anwalts ein Stöhnen nicht unterdrücken. Als die Auflistungen der vom OLG erkannten Kritikpunkte erschöpft waren (dies galt auch für die Prozesskiebitze) und Wess zum Abschluss von einer „Harry-Potter-Fantasie“ der beiden Oberstaatsanwälte sprach, widmete er sich jenen Passagen der Anklage, die „aktenwidrig“ seien. Gemeint: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe nicht darauf Rücksicht genommen, was der Gerichtsakt enthalte.

Widerspruch zum Gerichtsakt

In der Anklage heißt es etwa: Den mutmaßlichen „Tatplan“, den Grasser und seine Vertrauten Walter Meischberger, Peter Hochegger und Ernst Karl Plech zwecks Kassieren von Bestechungsgeld ausgeheckt haben sollen – diesen „Tatplan“ habe Hochegger seinerzeit dem damaligen Kabinettschef von Infrastrukturminister Michael Schmid, Willibald Berner, geschildert. Hochegger bestreitet das. Laut Anklage habe Hochegger bei seiner ersten Einvernahme durch die Behörden „diese Schilderung nicht bestritten“, weil er „derart überrascht“ gewesen sei.

Im Einvernahmeprotokoll wird Hochegger aber so zitiert: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ein solches System entwickelt habe.“
Am Nachmittag endete schließlich der Vortrag der Grasser-Verteidigung. Wess legte zum Schluss ein Geständnis ab: „Ich weiß, das Ganze hier gewinnt nicht den Preis für das schnellste Plädoyer.“ Fortsetzung heute, Freitag.

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