Die neue Regierung ist angelobt, 5500 Menschen demonstrierten

Angelobung der neuen Regierung
Angelobung der neuen RegierungAPA
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Der Bundespräsident mahnte und lobte den neuen Kanzler Kurz und dessen Vize Strache. Anders als einstmals Klestil zeigte Van der Bellen eine freundliche Miene - und sorgte mit zwei Hoppalas für Schmunzeln.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montagvormittag die türkis-blaue Bundesregierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) angelobt. Anders als bei der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 schritt die Regierung heute nicht unterirdisch, sondern vom Kanzleramt über den Ballhausplatz in die Präsidentschaftskanzlei. Und anders als dereinst das damalige Staatsoberhaupt Thomas Klestil zeigte Van der Bellen keine saure, sondern eine freundliche Miene.

"Wir haben in den vergangenen gut zwei Monaten intensiv daran gearbeitet, eine tragfähige gemeinsame Lösung zu finden", erklärte der Bundespräsident. Er habe Kurz und Strache als "kooperativ und lösungsorientiert erlebt", und so müsse eine Bundesregierung auch arbeiten.

"Ich verrate ein Geheimnis, wir haben doch eine sehr unterschiedliche politische Herkunft", scherzte Van der Bellen. Als Präsident müsse er aber das Wohl aller im Auge haben. "Das gleiche gilt für Sie", mahnte Van der Bellen. Wichtig sei außerdem, Verantwortung für die Geschichte zu tragen - auch für die dunklen Seiten. Außerdem lege er Wert auf "Achtsamkeit beim Gebrauch unserer Sprache" und "Respekt vor Andersdenkenden und vor Minderheitenrechten".

Beinahe Unterzeichnung der Bestellungsurkunden vergessen

Die Regierung besteht aus 14 Ministern. Dazu kommen noch zwei Staatssekretäre. Sie bejahten allesamt die Gelöbnisformel, mit der sie versicherten, Bundesverfassung und alle Gesetze der Republik Österreich getreulich zu beobachten und die mit ihrem Amt verbundenen Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Einzelne Minister wie Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) oder Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) fügten an die Formel noch den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" an.

Ungewöhnlich an der Angelobung war zweierlei. Erstens verzichtete Van der Bellen darauf, die Titel der Regierungsmitglieder vorzulesen ("Das ist mir zu umständlich") und zweitens begnügte er sich nicht damit, einfach die Gelöbnisformel abzunehmen, sondern wechselte mit jedem Minister und Staatssekretär auch noch einige persönliche Worte. Zwei kleine Fauxpas leistete sich der Bundespräsident auch: Er vergaß kurzfristig sowohl, Strache die Hand zu geben und ihn um das Gelöbnis zu ersuchen, als auch die Unterzeichnung der Bestellungsurkunden der Minister. Das sorgte rundherum für Schmunzeln.

>> Was wäre, wenn Van der Bellen es wirklich vergessen hätte?

"Strache raus, Basti raus"

Während die Regierung angelobt wurde, demonstrierten etwa 5500 Menschen gegen Türkis-Blau. Die Demos verliefen über weite Strecken ohne gröbere Zwischenfälle, beim Abstrom gab es dann aber doch drei Festnahmen. Rund 1500 Polizisten waren im Einsatz. Die Polizei hatte für das Regierungsviertel in Wien ein Platzverbot und weiträumige Sperren rund um Kanzleramt, Ballhausplatz und Hofburg verhängt.

An mehreren Standorten versammelten sich in den Morgenstunden Demonstranten. Unter anderem vom Platz der Menschenrechte vor dem Museumsquartier, vom Karlsplatz, von der Uni Wien und von Landstraße Wien Mitte setzten sich Demozüge in Bewegung. "Strache raus, Basti raus", skandieren etwa die Schülerinnen und Schüler, die sich gegen 9 Uhr von Wien Mitte aus Richtung Heldenplatz auf den Weg machten. "Tod dem Faschismus!", "Türkis ist auch nur helles Blau" und "Raus aus meinem Kurzzeitgedächtnis", war auf Plakaten zu lesen.



Das ursprünglich befürchtete große Verkehrschaos blieb aus. Der ÖAMTC führte dies einerseits auf umfangreiche Aufklärungsarbeit im Vorfeld zurück, was doch einige zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel bewogen haben dürfte. Auch dass die letzte Woche vor Weihnachten begonnen hat und manche bereits frei haben, hat vermutlich zur Deeskalation beigetragen. "Es gab zwar einige Staus, aber so wie befürchtet war es nicht", resümierte eine ÖAMTC-Sprecherin. Gegen Mittag waren die meisten Sperren in der Innenstadt bereits aufgehoben. Bei den Öffis kam es in der Innenstadt ebenfalls zu Behinderungen.

Die Angelobungsformel im Wortlaut

Die Angelobung von Regierungsmitgliedern durch den Bundespräsidenten erfolgt nach der Verlesung der Gelöbnisformel mit den Worten "Ich gelobe". Bekräftigt wird das Gelöbnis mit Handschlag und Unterschrift. Das Dekret hat folgenden Wortlaut:

"Sie werden im Sinne des Artikel 72 des Bundes-Verfassungsgesetzes geloben, die Bundesverfassung und alle Gesetze der Republik Österreich getreulich zu beobachten und die mit Ihrem Amte verbundenen Pflichten nach besten Wissen und Gewissen zu erfüllen." Nach den Worten "Ich gelobe" erfolgt die Unterschrift des neuen Regierungsmitgliedes und des Bundespräsidenten unter das Ernennungsdekret.

(kron/cim/APA)

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