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"Als Tiger losgesprungen, als Bettvorleger geendet": Opposition empfängt Regierung wenig freundlich

NATIONALRAT: STRACHE / KURZ / KERN
NATIONALRAT: STRACHE / KURZ / KERN(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Der parlamentarische Empfang der neuen Bundesregierung durch die Opposition fiel nicht besonders freundlich aus. SPÖ-Chef Christian Kern ortete "Veränderung nach hinten", Matthias Strolz (Neos) vermisst "mutige Ansagen", Peter Kolba (Liste Pilz) befürchtet versteckte "Giftzähne" im Regierungsprogramm.

Recht unfreundlich fiel der parlamentarische Empfang für die neue ÖVP-FPÖ-Regierung am Mittwoch seitens der Opposition aus. "Sie sind als Tiger losgesprungen und sind als Bettvorleger geendet", befand etwa der frühere Kanzler und nunmehrige SPÖ-Klubchef Christian Kern. Er ortete lediglich eine "Veränderung nach hinten". NEOS-Chef Matthias Strolz vermisste im Regierungsprogramm "mutige Ansagen".

SPÖ-Chef Kern, von dem ÖVP-Chef Sebastian Kurz das Kanzleramt übernommen hat, gratulierte zunächst zur Angelobung: "Ich stehe nicht an, Ihnen eine glückliche Hand für Ihre Entscheidungen zu wünschen." Die Ausgangslage für eine neue Regierung sei wohl noch nie so gut gewesen wir heute. Kern befürchtet freilich, dass wesentliche Teile der Wahrheit - nämlich geplante Kürzungen - erst nach den Landtagswahlen ans Licht kommen würden.

Regierungsprogramm mit einer "Reihe von Rückschritten"

Im Regierungsprogramm verortete Kern lediglich "eine Reihe von Rückschritten" - sei es gesellschafts-, wirtschafts- oder sozialpolitisch. Der FPÖ warf Kern vor, "Sie haben Ihre Wähler ganz schön verraten". Die Blauen hätten sich zum "Steigbügelhalter" einer Politik machen lassen, die im Wesentlichen den Großspendern der ÖVP-Wahlkampagne nutze. So monierte Kern etwa, dass mit einem degressiven Arbeitslosengeld, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, "Menschen in Armut gestoßen werden". Fazit des Ex-Kanzlers: "Ihre Politik ist eine Politik, die sich gegen die Armen richtet, und nicht gegen die Armut." Kritik übte er beispielsweise auch einmal mehr an der Möglichkeit zum 12-Stunden-Tag und den schwarz-blauen Plänen zum Mietrecht.

"'Neue Besen kehren gut', sagt der Volksmund - darin liegt eine gewisse Hoffnung", meinte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz Richtung Regierungsbank. Erfreulich findet er an der neuen Regierung etwa, dass die Elementarpädagogik ins Bildungsressort wandert. Das Regierungsprogramm sei aber "insgesamt eine Täuschung" und strotze vor "Enttäuschungen in schwarz-blau". So bewertete Strolz etwa das Bildungs-Programm als "uninspiriert". Auch kritisierte Strolz, dass es im Programm nur ganz wenige Zeitangaben gebe, wann die Vorhaben umgesetzt werden sollen. Noch nicht überzeugt ist Strolz zudem, was die proeuropäische Haltung der Regierung betrifft - er befürchtet, dass die FPÖ bald wieder für den "Öxit" eintreten werde.

"Große Sorge" wegen Nachrichtendienst-Macht der FPÖ

"Sicherlich freuen können sich die Spenderinnen und Spender der Liste Kurz", meinte Peter Kolba, Klubobmann der Liste Pilz, etwa mit Blick auf Pläne zum Mietrecht. Ähnlich wie Kern befürchtet Kolba, dass im Regierungsprogramm noch weitere "Giftzähne" enthalten seien, die man noch gar nicht erkenne. Außerdem kritisierte er einmal mehr, dass die FPÖ nun die Macht über alle drei Geheimdienste hat - dies "erfüllt mich mit großer Sorge".

Eine Lobeshymne auf die neue Koalition stimmte dagegen wenig überraschend ÖVP-Klubobmann August Wöginger an. Er sei überzeugt, dass die Regierung zum Wohl für die Bürger arbeiten werde und wünschte allen Regierungsmitgliedern "eine gute, glückliche Hand". Inhaltlich versicherte er beispielsweise einmal mehr, dass man keineswegs einen generellen Zwölf-Stunden-Tag plane, sondern es lediglich um mehr Flexibilität gehe.

FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz setzte überhaupt zu einer Verteidigungsrede an. "Retro" findet er gar nicht so schlecht, wenn es etwa um Sicherheit gehe. Und während die SPÖ nur auf die Arbeitnehmer schaue und die NEOS nur auf die Arbeitgeber, dividiere die Regierung die Gruppen nicht auseinander, gehe es doch um "gemeinsames Wirtschaften". Auch verteidigte Rosenkranz den neuen ÖVP-Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka gegen Kritik, er stehe für "Law and Order": "Wollen sie jemanden haben, der für Ungesetzlichkeit und Unordnung steht?", fragte er die Opposition.

(APA)

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