Bundeskanzler Kurz verspricht „ein Comeback“ für Österreich. Die Arbeit der Regierung solle geprägt sein von Respekt, Anstand und Hausverstand.
Zuerst konnte es der SPÖ gar nicht schnell genug gehen: Es sei eine Desavouierung des Parlaments, kritisierte die frischgebackene Oppositionspartei, dass Sebastian Kurz das Hohe Haus so spät über sein Regierungsprogramm informieren werde. Nämlich erst um 13 Uhr und nach einem ersten Besuch in Brüssel mit anschließender, internationaler Pressekonferenz.
Die Sozialdemokraten mussten sich am Ende fast drei weitere Stunden gedulden – zum Teil selbst verschuldet, weil sie in der gestrigen Sitzung des Nationalrats eine ausführliche Debatte zur Geschäftsordnung führten. Erst gegen 16 Uhr konnte Kurz den 183 Abgeordneten mitteilen, was er mit seinen 15 Regierungskollegen für die kommenden fünf Jahre plant. Dass es endlich losging, überraschte offenbar Karin Kneissl: Die Außenministerin wollte nicht warten und war zurück in ihr Büro gegangen. Erst mit etwa 20 Minuten Verspätung, als Kurz mitten in seiner Rede war, kehrte sie auf den leeren Platz auf der Regierungsbank zurück.
DIE ÖVP
Bundeskanzler Kurz verzichtete in seiner Rede auf einen beliebten rhetorischen Trick der Politik: ein düsteres, schlechtes Bild der aktuellen Zustände zu zeichnen, um dann zu versprechen, dass jetzt alles besser würde. Denn so schlecht geht es Österreich wirtschaftlich nicht, die Wachstumsraten müssen alle paar Monate nach oben korrigiert werden. Dennoch ist Raum für Verbesserung – und diese verspricht Kurz all jenen, die sich bei der Wahl für „unseren neuen Weg“ entschieden hätten.
„Ich verspreche Ihnen“, meinte er wohl mehr zu den TV-Zusehern als zu den Mandataren, „dass unser Weg nicht beendet wird, bevor Österreich nicht wieder besser dasteht.“ Ziel sei es, Österreich wieder an die Spitze zu führen. „Wir wollen ein Comeback für Österreich schaffen, auf das wir gemeinsam stolz sein können und von dem alle in unserem Land profitieren“, betonte er unter Applaus der ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten, während die Opposition – SPÖ, Neos, Liste Pilz – bewegungslos zuhörte.
Die Versprechen Kurz' inkludieren, dass den arbeitenden Menschen „wieder mehr zum Leben bleibt“, dass man das Bildungswesen verändern werde und dass man eine Politik machen werde, „die den Menschen wieder dient, anstatt sie zu bevormunden“.
Seine Versprechen ergänzte Kurz mit einem Bekenntnis. Ein Bekenntnis „zu einem neuen Stil und zu Werten, die unsere Arbeit prägen sollen: Respekt, Anstand und auch Hausverstand.“ Als junger Politiker habe er es sich zur Aufgabe gemacht, „andere nicht anzupatzen“. Und er wünsche sich das von der Politik allgemein und einen respektvollen Umgang zwischen Opposition und Regierung. Ausdrücklich gab der ÖVP-Politiker auch ein Bekenntnis zur Vergangenheit ab: Man müsse den Horror des Nationalsozialismus dazu verwenden, um „uns daran zu erinnern, dass so etwas nie wieder passieren darf. Für uns ist eines ganz klar: Antisemitismus hat in Österreich und in Europa keinen Platz.“
DIE FPÖ
Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) versprach der Opposition Zusammenarbeit – war er doch selbst zwölf Jahre lang in dieser Rolle und weiß, wie es ist, wenn gute Vorschläge nicht aufgenommen werden, nur weil sie vom politischen Gegner kämen. Sein Anspruch werde daher sein, gute inhaltliche Vorschläge entsprechend zu würdigen.
Lob gab es von Strache für seinen neuen Chef, Sebastian Kurz: Nie zuvor habe er so einen jungen Mann kennengelernt, der so gewissenhaft und fleißig arbeite. Das verdiene Respekt und Vertrauen. Als einen „historischen Moment“ bezeichnete der Vizekanzler den Umstand, dass künftig die Wähler Volksabstimmungen erzwingen könnten. Dass die FPÖ manches nicht durchbrachte – etwa die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern –, sei „schade“, teilweise hätte man sich größere Vorhaben vorstellen können.
DIE OPPOSITION
Einer, der binnen zweier Tage in die Rolle des Oppositionsführers schlüpfen musste, füllte diese am gestrigen Parlamentstag bereits recht gut aus: Der bisherige Bundeskanzler, SPÖ-Chef Christian Kern, attackierte in seiner Replik den „türkisen Weihrauch und den blauen Dunst“ der Regierungserklärung, warf der FPÖ vor, ihre Wähler verraten zu haben, und kritisierte die Regierung, sie mache eine Politik, die sich „gegen die Armen richtet und nicht gegen die Armut“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2017)