Regierung leitet Auflösungsverfahren der Burschenschaft Germania ein

APA/ROLAND SCHLAGER
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Die Regierung leitet ein Auflösungsverfahren ein. Eine Auflösung gebe es nur dann, "wenn strafrechtlich relevante Aktivitäten festgestellt werden", sagte Innenminister Kickl.

Die Bundesregierung sieht sich zum Handeln gezwungen und hat ein Auflösungsverfahren der umstrittenen Burschenschaft Germania eingeleitet, wie am Mittwoch bekannt wurde. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vereinbart, dass ein Auflösungsverfahren gegen die Germania eingeleitet wird, sagte Kurz am Mittwoch vor dem Ministerrat vor Journalisten. Kurz sprach sich nunmehr - neben strafrechtlichen - auch explizit für politische Konsequenzen aus, war doch der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer Vizevorsitzender der betroffenen Burschenschaft.

Kickl: Auflösung nur dann, "wenn strafrechtlich relevante Aktivitäten festgestellt werden"

Konkret wird eine mögliche behördliche Auflösung laut Paragraf 29 des Vereinsgesetzes geprüft. Die Burschenschaft Germania werde behördlich aufgelöst, "wenn strafrechtlich relevante Aktivitäten festgestellt werden", sagte Innenminister Herbert Kickl nach dem Ministerrat. Dazu werde man die ohnehin bereits laufenden Ermittlungen und eventuell sogar eine strafrechtliche Verurteilung abwarten müssen.

Der Generalsekretär im Innenministerium habe heute mit dem niederösterreichischen Landespolizeidirektor Kontakt aufgenommen, um bei der Vereinsbehörde ein Auflösungsverfahren gegen die Burschenschaft einzuleiten, erklärte Kickl. Es bestehe - wegen des aufgetauchten Liederbuchs - der Verdacht auf strafbare Handlungen nach dem NS-Verbotsgesetz. Werden strafrechtliche Aktivitäten festgestellt, stehe am Ende des Verfahrens auch die Auflösung des Vereins.

Auflösung eines Vereins

Jeder Verein kann mit Bescheid durch die Behörde aufgelöst werden, wenn

  • der Verein gegen Strafgesetze verstößt,
  • der Verein seinen statutenmäßigen Wirkungsbereich überschreitet oder
  • überhaupt den Bedingungen seines rechtlichen (Fort-)Bestands nicht mehr entspricht.

Es sei davon auszugehen, dass Erkenntnisse aus den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen vier Personen auch in dieses Verwaltungsverfahren einfließen, sagte Kickl. Ob man konkret ein Gerichtsurteil abwarten muss, konnte der Minister nicht sagen. Nicht einschätzen wollte Kickl, bis wann das Verfahren beendet sein wird. Auch eine Einschätzung, ob es letztlich zur Auflösung der Burschenschaft kommen wird, wollte er nicht abgeben.

Der Forderung der SPÖ, den Rechtsextremismusbericht wieder einzuführen, möchte Kickl nicht nachkommen. Einen solchen hat es bis zum Jahr 2002 gegeben, seit der Abschaffung durch Schwarz-Blau sind die Entwicklungen über die rechtsextreme Szene im Verfassungsschutz-Bericht enthalten.

Kurz begrüßt geplante Geschichtsaufarbeitung in der FPÖ

Die Aussage der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), wonach es keine Zusammenarbeit mit Landbauer in der Landesregierung geben werde, teile er "zu hundert Prozent", betonte Kurz. Den Rückzug Landbauers aus der Politik forderte Kurz allerdings nicht. "Diese Entscheidung kann weder die Regierung noch die Volkspartei treffen", so Kurz. Allerdings: "Für mich weiß ich, wie ich in so einer Situation entscheiden würde." Er sei von den Vorgängen in der letzten Woche "mehr als schockiert".

Neben individuellen Konsequenzen seien auch die politischen Parteien gefordert, meinte Kurz. SPÖ und ÖVP hätten ihre Geschichte schon aufgearbeitet, "andere Parteien haben das noch nicht gemacht", sagte er mit Blick auf die FPÖ. Er begrüße daher, dass Strache eine entsprechende Historiker-Kommission angekündigt habe.

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache nahm erneut in der Liederbuch-Causa Stellung. "Für all jene, die sich strafrechtlich oder moralisch etwas zu Schulden kommen haben lassen", müsse es Konsequenzen geben. Landbauer habe ihm aber glaubhaft versichert, "nichts damit zu tun zu haben". Ob Landbauer Landesrat wird, sei die Entscheidung der niederösterreichischen FPÖ.

Germania werde "Aufösung hinnehmen"

Die Burschenschaft reagierte zurückhaltend auf das von der Regierung angekündigte Auflösungsverfahren gegen sie. In einer schriftlichen Stellungnahme verwies Vereinssprecher Philip Wenninger lediglich darauf, dass er "selbstverständlich das Vereinsgesetz, das auch die Auflösung genau regelt", kenne.

Die Germania werde eine Vereinsauflösung, wenn sie "rechtlich korrekt ist, hinnehmen". Die Frage, ob man gegen die Auflösung berufen würde, ließ er offen. Man beschäftige sich jetzt nicht mit "Was wäre, wenn"-Fragen, sondern warte das Verfahren ab. Die Germania hat zudem erst vor kurzem ihre Organe neu bestellt. Neuer Obmann ist Dieter Derntl, Wenninger bleibt Vizeobmann.

Am Dienstagabend war die Germania bereits vom Österreichischen Pennälerring (ÖPR) ausgeschlossen worden. "Die Verbrechen an den Juden zur Zeit des Nationalsozialismus verpflichten uns, uns mit allen Möglichkeiten dem Totalitarismus und Tendenzen zu Antisemitismus entgegenzutreten", erklärte dazu der Sprecher des Pennälerringes, Udo Guggenbichler.

Der ÖPR hate am Dienstag auch seine Satzung um eine Präambel erweitert. Unter anderem heißt es darin: "Der Verband und seine Korporationen bekennen sich zur demokratischen Republik Österreich und achten die Bundesverfassung als ihr höchstes Gut. Der Österreichische Pennäler Ring und seine Mitglieder lehnen jede Form eines totalitären Systems entschieden ab. Als Verband stellt sich der ÖPR gegen jede Form des Antisemitismus und Rassismus. Die Verbrechen, die an den Juden in der Zeit des Nationalsozialismus begangen wurden, verpflichten uns, mit allen uns zu Verfügung stehenden Möglichkeiten Totalitarismus und antisemitischen Tendenzen immer energisch entgegenzutreten. Die Wahrung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten ist höchstes Streben und Verpflichtung für jedes Mitglied im Österreichischen Pennäler Ring."

Die Causa Landbauer auf einen Blick

Wegen des einschlägigen Liederbuchs der Verbindung "Germania zu Wiener Neustadt", der auch der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat, Udo Landbauer, angehört, hat nun die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen vier Personen aufgenommen. Im Raum steht der Vorwurf der Wiederbetätigung.

In dem 300 Seiten starken Liederbuch, das die Burschenschaft aufgelegt hat, sind unter anderem diese Zeilen abgedruckt: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.'" Und an anderer Stelle: "Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines': 'Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.'"

Landbauer streitet ab, von dem Lied gewusst zu haben. Seine Mitgliedschaft bei der Burschenschaft stellte er ruhend. Medientermine, wie einen Skikurs im Rahmen seines Niederösterreich-Wahlkampfes, wurden kurz vor der Landtagswahl am 28. Jänner abgesagt.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen forderte im Vorfeld des Urnengangs den Rücktritt Landbauers. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner schloss eine Zusammenarbeit mit dem 31-Jährigen aus.

(APA/Red.)

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