Kurz-Biografie: Der Kanzler, die Ziege und offene Fragen

Sebastian Kurz
Sebastian KurzREUTERS
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Die zweite Biografie über den Bundesparteichef der Volkspartei, Sebastian Kurz, bietet Persönliches, eine Reflexion der Flüchtlingskrise und Warnungen.

Wien. Wer bisher die private Seite des Bundeskanzlers vermisst hat, der wird auf den ersten 40 Seiten der neuen Sebastian Kurz-Biografie auf jeden Fall fündig. Man erfährt, dass der Kanzler als Baby quicklebendig war, dass er einmal einen Zwergziegenbock von den Nachbarn auf den Bauernhof der Großeltern in Zogelsdorf brachte und dass er als Sechsjähriger mit dem Flüchtlingsmädchen spielte, das die Familie auf ebenjenem Bauernhof aufgenommen hatte.

Es wird erzählt, wie sich die Eltern einst beim Katharinentanz kennenlernten und später dann in eine winzige Wohnung in Wien zogen, dass Kurz' aus Novi Sad geflüchtete Großmutter mütterlicherseits bis heute manchmal an ihren Fußweg nach Niederösterreich denkt und wie es der Familie ging, als der Vater, ein Ingenieur, einst kurz vor Weihnachten seinen Job bei Philips verlor.

Die letzte Anekdote hat Kurz bereits im Wahlkampf mehr als einmal erzählt. Es ist aber das erste Mal, dass seine Eltern, die er in seiner bisherigen politischen Karriere eher von den Medien abgeschottet hat, auch selbst ausgiebig zu Wort kommen. Das ist der große Unterschied zur ersten Biografie zweier „Falter“-Journalistinnen über den 31-Jährigen, die vor anderthalb Monaten erschienen ist: Die aktuelle ist in Zusammenarbeit mit Kurz entstanden.

Der „Bild“-Chefreporter Paul Ronzheimer, der mit Kurz in Berlin einst über die Schließung der Balkanroute stritt, wie er im Vorwort schreibt, schöpft dafür unter anderem aus zahlreichen langen Gesprächen mit dem (zu dieser Zeit noch nicht) Kanzler. Auf 192 Seiten will er eine Frage beantworten: „Wer ist dieser Mann, den die einen in Europa „Wunderknabe“ nennen und vor dem sich die anderen fürchten?“

Historische Figur oder Laune?

In diesem Zusammenhang soll die Biografie auch eine Reflexion der Flüchtlingskrise bieten, während der Kurz zur international präsenten Figur wurde. Ronzheimer, der für die deutsche Boulevardzeitung während dieser Zeit vielfach an den Grenzen Europas unterwegs war, flicht da auch die eine oder andere persönliche Begegnung mit Flüchtlingen ein, in Ungarn, Kos, Idomeni. Vor allem in Österreich habe Kurz dann als einer gegolten, der trotz Widerständen etwas tut. Nachsatz: Dass darunter Flüchtlinge leiden, werde da kaum noch diskutiert.

Es ist einer der zentralen Momente in Kurz' politischem Aufstieg, der da mit viel Detail skizziert wird. Angefangen mit der Anekdote von der Ablehnung als 16-Jähriger bei der JVP über das Geilomobil, das Staatssekretariat, die Übernahme der ÖVP und den schmutzigen Wahlkampf gipfelt er im 18. Dezember 2017, dem Tag der Angelobung als Kanzler.

Für seine Zukunft in dieser Funktion gibt Ronzheimer Kurz denn via Buch auch einige Warnungen mit. Denn die größten Herausforderungen – und damit die Frage, ob das „Wunderkind“ eine historische Figur wird oder Kurz eine bloße Laune bleibt –, stünden noch vor ihm. In einer echten Krise habe er sich noch nicht beweisen müssen.

Und wer ist nun Sebastian Kurz? Ganz einfach ist diese Frage anscheinend auch nach fast 200 Buchseiten nicht zu beantworten. „Sebastian Kurz ist schon in so jungen Jahren ein Volkstribun. Und er ist in seinen Ansichten flexibel: Bisher hat er sich vor allem daran orientiert, was populär erscheint“, schreibt der Autor. „Er ist so makellos und nahezu fehlerfrei in seinem Auftreten und seiner Kommunikation, dass man nur schwerlich sagen kann, wie und wer er wirklich ist.“

Das Buch

Paul Ronzheimer
Sebastian Kurz –
Die Biografie
Herder, 192 Seiten
€ 24,00

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2018)

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