Erwachsenenschutz: Türkiser Streit um Finanzierung hält an

Durch das neue Gesetz sollen die Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden.
Durch das neue Gesetz sollen die Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden. (c) APA
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Das Gesetz soll das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Laut Justizminister Moser sind für die Umsetzung 17 Millionen Euro im Jahr notwendig.

Um die Finanzierung des Erwachsenenschutzgesetzes gibt es weiterhin ein Gezerre zwischen den ÖVP-geführten Ministerien für Justiz und Finanzen. Das Finanzministerium betonte Donnerstag einmal mehr, dass es keine zusätzlichen Mittel geben könne und das Justizministerium durch Umschichtungen in seinem Budget seine Aufgaben zu gewährleisten habe. Aus dem Justizministerium hieß es wiederum, dass die Finanzierung des Gesetzes Teil der Budgetverhandlungen sei. Ressortchef Josef Moser sei das Gesetzesvorhaben wichtig: "Die gesamte Regierung ist dafür, dass das Gesetz rechtzeitig in Kraft tritt."

Das Erwachsenenschutzgesetz sollte mit 1. Juli in Kraft treten, könnte sich nun aber aufgrund beanstandeter Budgetmängel verschieben. Es wurde im Vorjahr von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossen und soll das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Mit den neuen Bestimmungen soll die Handlungsfähigkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden. Stattdessen soll die Vertretung in abgestuften Formen passieren, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt.

Dabei sind die Kosten für die Umsetzung, wie am Mittwoch bekannt wurde, fast doppelt so hoch als im Vorblatt zum Gesetzestext angegeben. Im Begutachtungsentwurf von 2016, der vom damaligen Justizminister und künftigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter (von der ÖVP nominiert) erstellt wurde, wurde von einem Finanzierungsaufwand zwischen 16,7 Millionen Euro im Jahr 2018 und 17,5 Millionen Euro 2022 ausgegangen. Im späteren Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2017 wurden die Kosten nur mehr mit 9,5 Millionen im Jahr 2018 angegeben und sollten in den nächsten Jahren kontinuierlich sinken und bis 2022 auf Null zurückgehen. Justizminister Moser bestätigte am Mittwoch, dass er für die Umsetzung 17 Millionen Euro im Jahr braucht.

Richter warnen vor erheblichem Mehraufwand

Auch die Richter betonten, dass die Umsetzung des Gesetzes ohne zusätzliche Mittel nicht möglich sei. "Mit dem neuen Erwachsenenschutzgesetz kommt besonders in den ersten Jahren ein erheblicher Mehraufwand auf die Gerichte zu, der mit dem derzeitigen Personalstand nicht zu bewältigen ist", hieß es in einer Aussendung der Richtervereinigung am Donnerstag.

Innerhalb des ersten Jahres nach Inkrafttreten seien alle rund 65.000 derzeit bestehenden Sachwalterschaften dahin gehend zu prüfen, ob ein Genehmigungsvorbehalt auszusprechen ist. Also, ob die Wirksamkeit von bestimmten rechtsgeschäftlichen Handlungen davon abhängig zu machen ist, dass der gerichtliche Erwachsenenvertreter diese genehmigt. In weiterer Folge ist in einem aufwendigen Verfahren zu prüfen, ob ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter weiterhin nötig ist oder Alternativen bestehen.

>>> "Empörend", "erschüttert": Kritik an Regierungsplänen

Neben dem nötigen Personal für die Erwachsenenschutzvereine werden dafür - wie bereits im Begutachtungsentwurf des Justizministeriums dargelegt - gleichzeitig mit dem Inkrafttreten dringend auch zusätzliche Richter, Rechtspfleger und Kanzleimitarbeiter benötigt. "Die Pflegschaftsgerichte sind mit dem derzeitigen Personalstand nicht in der Lage, diese Aufgabe zu bewältigen. Die Richterschaft fordert daher das für die Umsetzung und den Erfolg der Reform nötige Personal und Budget", so die Richtervereinigung.

Kräuter kritisiert in Genf Regierungspläne

Volksanwalt Günther Kräuter, auch Generalsekretär des "International Ombudsman Institut", kritisierte unterdessen in Genf vor hunderten Repräsentanten von Menschenrechtsinstitution die Pläne der Regierung, das Erwachsenenschutzgesetz zu verschieben. "Finanzielle Gründe sind keinesfalls akzeptabel, es geht um Menschenwürde und Menschenrechte, da darf es keine Kompromisse geben", betonte er vor dem jährlichen Meeting der Globalen Allianz nationaler Menschenrechtsinstitutionen (GANHRI ) zum Thema "Autonomie und Unabhängigkeit alter Menschen".

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim zeigte sich schwer empört über das Vorgehen der ÖVP: "Die Ärmsten der Armen werden verhöhnt", sagte er am Donnerstag. Dem Finanzminister Hartwig Löger wirft Jarolim eine "riesige Frotzelei" vor - und Kanzler Sebastian Kurz, der einmal mehr nur durch Abwesenheit glänze, "politische Feigheit".

(APA)

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