Nationalrat-Debatte

Rauchverbot: Hartinger-Klein kritisiert "grausliches" Vorgehen von Rot-Schwarz

Die SPÖ richtet 24 Fragen an Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger (FPÖ)
Die SPÖ richtet 24 Fragen an Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger (FPÖ)APA/ROLAND SCHLAGER
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Vizekanzler Strache polemisiert: Raucher würden krank, wenn sie draußen rauchen müssten. Die Gesundheitsministerin meint, SPÖ und ÖVP hätten mit dem Rauchverbot den "Gastwirten die Gastfreundlichkeit verboten".

Das Thema Rauchen beschäftigt die Österreicher weiterhin: Schon mehr als 400.000 Personen haben das "Don't smoke"-Volksbegehren unterzeichnet. Heute, Mittwoch, beschäftigt das Thema auch den Nationalrat: ÖVP und FPÖ haben einen Initiativantrag eingebracht, mit dem sie das generelle Rauchverbot in der Gastronomie noch vor dessen Start wieder abschaffen wollen. Beschlossen wird das Vorhaben damit aber noch nicht. Nach der Beratung im Ausschuss soll dies in einer der nächsten Nationalratssitzungen passieren. Schon jetzt wird über das Thema debattiert: Grund ist eine Dringliche Anfrage der SPÖ an die freiheitliche Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein.

Zur Erinnerung: In einem ihrer ersten Interviews als Ressortchefin hatte Hartinger-Klein gemeint: "Als Gesundheitsministerin kann ich mich natürlich nicht so identifizieren mit diesem Vorschlag." Aber: "Ich habe Respekt vor der Mehrheit, und wenn diese das im Parlament beschließt, dann habe ich das als Gesundheitsministerin zur Kenntnis zu nehmen." Der SPÖ war das zu wenig - sie richtete 24 Fragen an die Ministerin - und übte im Nationalrat am türkis-blauen Vorgehen im Allgemeinen Kritik. Es handele sich um einen "enormen gesundheitspolitischen Rückschritt", das geplante Verbot vor seiner Umsetzung zu kippen, wurde argumentiert. International gehe alles in Richtung Nichtraucherschutz, nur Österreich schwimme gegen den Strom.

Hartinger-Klein ließ die Kritik nicht gelten, sondern übte ihrerseits an der rot-schwarzen Vorgängerregierung Kritik. Letztere habe "den Gastwirten verboten, dass sie Raucher mit all ihren Schwächen bewirten", meinte die Ministerin. "Sie haben den Gastwirten die Gastfreundlichkeit verboten." Da Rot-Schwarz geahnt habe, wie "grauslich" ein solches Vorgehen sei, hätte man sich zu einer Übergangsfrist bis Mai 2018 entschlossen, damit die Nachfolgeregierung, eben Türkis-Blau, nun die Verantwortung zu tragen hätte. "Sie haben versucht, die Verantwortung abzuschieben", sagte Hartinger-Klein in Richtung der SPÖ-Abgeordneten. So diene man "dem sozialen Frieden nicht". (Anmerkung: Die Legislaturperiode hätte regulär erst im Herbst 2018 geendet; die Nationalratswahl im Oktober 2017 war eine vorgezogene.)

Überhaupt bestehe nur in 13 EU-Ländern ein absolutes Rauchverbot, die übrigen europäischen Staaten hätten lediglich Einschränkungen für Raucher vorgenommen. Und solche seien auch für Österreich vorgesehen. So solle es Verschärfungen bei den Regelungen für Kinder und Jugendliche geben; welche konkret, ließ Hartinger-Klein offen. Insofern sehe sie den gesetzlichen Auftrag ihres Ministeriums zum "Schutz vor Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung" auch nicht als gefährdet an. Überhaupt sei "die individuelle Entscheidungsfreiheit angemessen zugrunde zu legen".

Fragen nach Gesundheitsdaten, beantwortete sie knapp: "Jährlich sterben zwischen 11.000 und 14.000 Österreicher an den Folgen des Rauchens", der Anteil der Passivraucher könne nur geschätzt werden. Oder: Kinder, die Tabakrauch ausgesetzt sind, würden häufiger an chronischen Atemwegserkrankungen oder Asthma leiden, als andere.

"Stirbst vorher an Lundenentzündung"

Mit heiserer Stimme, weil verkühlt, hat sich auch Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Wort gemeldet. Raucher würden irgendwann krank, doch schicke man sie aus der Gastronomie zwangsweise nach draußen, "stirbst vorher an Lungenentzündung", polemisierte er in Anspielung auf die aktuelle Witterung gegen die SPÖ.

Außerdem würden vor den Lokalen stehende Raucher für Lärm und Anrainerbelästigung sorgen. Den Gastronomen drohten dadurch etwa in Wien horrende Geldstrafen, so der selbst als Raucher bekannte Vizekanzler.

Strache plädierte für Eigenverantwortung. Raucher träfen die freie Entscheidung, zur Zigarette zu greifen, so wie jeder Mensch die freie Wahl habe, sich ungesund zu ernähren oder Extremsport zu betreiben, philosophierte er. Die direkte Demokratie nehme er ernst, betonte er in Bezug auf das aktuelle Volksbegehren zum Rauchverbot: "Ich habe kein Problem damit, nach dem Volksbegehren eine Abstimmung sicherzustellen und möglich zu machen."

Rendi-Wagner: "Wie erklären Sie das Ihrem Gewissen?"

Zuvor hatte Hartinger-Kleins Amtsvorgängerin, die jetzige SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner Türkis-Blau vorgeworfen, vorzugeben, sich für direkte Demokratie stark zu machen, tatsächlich aber "die Bevölkerung aus diesem Prozess schlicht auszuschließen". Immerhin soll das Rauchverbot-Aus ohne Begutachtungsfrist im Parlament beschlossen werden und auf unbegrenzte Dauer gelten.

An den Ex-Koalitionspartner ÖVP gerichtet, fragte Rendi-Wagner: "Wie erklären Sie das Ihrem Gewissen, Ihren Kindern, Ihren Enkelkindern, Ihren Überzeugungen, Ihren Wählerinnen und Wählern?" Immerhin hätten 28 der heutigen ÖVP-Parlamentarier vor drei Jahren mit der SPÖ für ein Rauchverbot ab Mai 2018 gestimmt.

Die Debatte zur Dringlichen Anfrage ging kurz nach Straches Statement mit der Abstimmung der beiden eingebrachten Anträge zu Ende. Sowohl jener der NEOS (für eine Volksbefragung) als auch jener der SPÖ (gegen die Aufhebung des Gastro-Rauchverbots) wurden mit schwarz-blauer Mehrheit abgeschmettert.

Auf einen Blick

In Österreich ist seit 2009 ein "grundsätzliches" Rauchverbot in Lokalen in Kraft. Nach einer Übergangsfrist für Umbauarbeiten und einer Neuregelung dürfen seit Juni 2010 Gastronomen den Tabakkonsum nur mehr dann erlauben, wenn sie über abgetrennte Raucherzimmer verfügen oder die gesamte Verabreichungsfläche nicht größer als 50 Quadratmeter ist. Durch den Lungenkrebs-bedingten Tod des Journalisten und Rauchers Kurt Kuch wurde die Debatte über das Rauchverbot Anfang 2015 neu entfacht. Wenige Monate später einigte sich die SPÖ-ÖVP-Regierung auf ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Türkis-Blau kippte dieses Vorhaben - und löste damit Proteste und das "Don't Smoke"-Volksbegehren aus.

(hell)

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