Van der Bellen will Andreas Hauer als VfGH-Mitglied ernennen.
Wien. Auch wenn manch einer im ÖVP-Klub hinter vorgehaltener Hand Bedenken geäußert hatte, hielt am Donnerstag die viel beschworene Pakttreue. Der Antrag der Koalition, den blauen Wunschkandidaten, Andreas Hauer, als Verfassungsrichter zu nominieren, wurde in geheimer Abstimmung mit 105 Stimmen angenommen.
172 Stimmen waren abgegeben worden. Die Wunschkandidatin der SPÖ, Rechtsanwältin Marcella Prunbauer-Glaser, blieb mit 57 Stimmen ebenso chancenlos wie der von den Neos präferierte Kandidat, Gottfried Musger (Hofrat am Obersten Gerichtshof), der auf zehn Stimmen kam.
Hauer, Professor für Öffentliches Recht in Linz, ist Mitglied der schlagenden Verbindung Corps Alemannia Wien zu Linz. Bei einem Vortrag 2010 hatte er erklärt, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) könne „getrost als mitverantwortlich für die multikriminelle Gesellschaft bezeichnet werden, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in Westeuropa etabliert hat“. Damit kritisierte der Jurist die Rechtsprechung zum Aufenthaltsrecht. Zudem trat Hauer als Redner beim FPÖ-Akademikerball in der Hofburg auf.
Während die Opposition im Parlament Hauer kritisierte, verteidigten ihn FPÖ und ÖVP. Nun müsste Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem Vorschlag des Nationalrats nicht Folge leisten. „Der Bundespräsident hat die Möglichkeit, den Vorschlag abzulehnen“, sagt Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk im Gespräch mit der „Presse“.
Van der Bellen will den Willen der Koalition aber akzeptieren. Er teile zwar Hauers Meinung nicht. „Professor Hauer stellt allerdings in diesem Vortrag nicht die gesamte Judikatur des EGMR schlechthin infrage. Abgesehen davon ist inhaltliche Kritik an einem Höchstgericht für einen Rechtsprofessor im Rahmen der Freiheit der Wissenschaft selbstverständlich zulässig. Sie ist kein hinreichender Hinderungsgrund für die Bestellung zum Verfassungsrichter“, erklärte Van der Bellen am Donnerstag.
Als Nächstes muss der Bundesrat einen weiteren Kandidaten für den Verfassungsgerichtshof nominieren, diesfalls hat sich die Koalition auf den FPÖ-Vertrauensanwalt Michael Rami verständigt.
Rauchergesetz vor VfGH?
Einer der ersten Punkte, über die die neuen Richter entscheiden müssen, könnte gleich ein FPÖ-Prestigeprojekt sein: die Aufhebung des Rauchverbots in Lokalen. SPÖ, Neos und die Liste Pilz prüfen gerade, ob sie das Gesetz anfechten.
Nach Einschätzung von Funk könnte das Rauchergesetz den Gleichheitsgrundsatz verletzen, weil Beschäftigte im Hotel- und Gastgewerbe im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen nicht vor dem schädlichen Tabakrauch geschützt werden. Zudem sei der Schutz der Nichtraucher ungenügend, weil laut einer Studie schädliche Luft vom Raucherbereich hinüberziehe. Das könne einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot darstellen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2018)