"Rauchen ist größte Epidemie": Expertenhearing im Parlament

Umstrittenes Thema: Rauchen oder Nicht-Rauchen
Umstrittenes Thema: Rauchen oder Nicht-Rauchen(c) Clemens Fabry (Presse)
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Seit 1964 seien mehr als 20 Millionen Menschen am Rauchen verstorben – "das entspricht zwei Jumbo-Jet-Abstürzen jeden Tag", sagt Krebsspezialistin Zielinski. Er nimmt am heutigen Hearing des ÖVP-FPÖ-Antrags zum Rauchergesetz teil.

Die Zustimmung reißt zumindest vorerst nicht ab: Schon mehr als 480.000 Personen haben das „Don’t Smoke"-Volksbegehren unterzeichnet. Bis 4. April kann noch unterschrieben werden. Schon heute, Dienstag, wird sich das Parlament mit dem Thema befassen. Konkret, mit dem Koalitionsantrag zur Änderung des Tabak- und Nichtraucherschutzgesetzes, mit dem das Rauchverbot in der Gastronomie aufgehoben werden soll. Er wird im Gesundheitsausschuss einem öffentlichen Hearing unterzogen.

Die Liste Pilz hat zu der Debatte die Internistin Daniela Jahn-Kuch geladen, die Schwester des Journalisten Kurt Kuch. Der ehemalige Raucher ist 2015 an Krebs verstorben, zuvor hatte er sich für die erste „Don't Smoke"-Initiative eingesetzt. Die ÖVP entsendet die Leiterin der Abteilung Jugendpolitik, Zlata Kovacevic. Die FPÖ schickt die Ökonomin Barbara Kolm vom wirtschaftsliberalen Hayek-Institut. Für die Neos kommt der Gesundheitswissenschafter Florian Stigler.

Die SPÖ setzt indes auf den Krebsspezialisten Christoph Zielinski von der MedUni Wien. Auf politischem Parkett ist sein gemeinsamer Auftritt mit dem damaligen Bundespräsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen im August 2016 erinnerlich. Nach kursierenden Krankheitsgerüchten bescheinigte Zielinski dem nunmehrigen Staatsoberhaupt: "Der ist super beinand."

"Zwei Jumbo-Jet-Abstürze jeden Tag"

Gegenüber dem „Kurier“ bezog Zielinski schon vor Hearing-Beginn Position. „Das Rauchen ist die größte Epidemie in der Gesundheitspolitik des 20. Jahrhunderts“, sagte er. Allein in den USA „sind am Rauchen mehr Menschen gestorben, als bei allen Kriegen, die die USA in den letzten 150 Jahren geführt haben, zusammen“. Seit dem Jahr 1964 seien mehr als 20 Millionen Menschen am Rauchen verstorben – „das entspricht zwei Jumbo-Jet-Abstürzen jeden Tag“, illustrierte der Experte.Dem Argument, Raucher wüssten über die negativen Folgen des Rauchens Bescheid, würden sich aber aus freiem Willen dazu entschließen, entgegnete Zielinski: „Im Rauchen sind 7000 verschiedene Stoffe drinnen, die tatsächlich auch eine Abhängigkeit machen, sodass der freie Wille reduziert wird.“ Der „ganz freie Wille“ sei folglich nicht gegeben: „Wir reden von Sucht.“ Insofern sei es auch nicht verwunderlich, dass selbst Lungenfachärzte zu Zigaretten greifen würden: „Das spielt sich außerhalb von Professionen ab.“ 

Nächste Schwierigkeit sei das Passiv-Rauchen, das mitunter zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen könne. „Wir wissen, dass das Risiko von Kellnern in skandinavischen Ländern – dazu gibt es eine Publikation –, an Folgen des Rauchens zu erkranken um 60 Prozent erhöht ist gegenüber Kellnern, die in Nicht-Raucher-Lokalen arbeiten.“

SPÖ bringt Antrag auf Volksabstimmung ein

Unterdessen gab die SPÖ bekannt, mittels eines Entschließungsantrags auf eine Volksabstimmung, den Druck auf Türkis-Blau erhöhen zu wollen. „Beschlussfassung wäre am 21. März im nächsten Plenum, die Volksabstimmung wäre dann infolgedessen vor In-Kraft-Treten des Gesetzes“, sagt die frühere Gesundheitsministerin und jetzige Gesundheitssprecherin der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner am Dienstag im Ö1-„Morgenjournal“.

Bei der heutigen Abstimmung, so ihr Wunsch sollten die Abgeordneten mit ihrem Namen und nicht anonym votieren, erinnerte sie daran, „dass 28 Abgeordnete der ÖVP 2015 klar für das Rauchverbot in der Gastronomie gestimmt haben.“ Dass der rote Antrag eine Mehrheit bekommt, glaubt Rendi-Wagner zwar nicht, es gehe aber vor allem um ein Signal.

Auf einen Blick

In Österreich ist seit 2009 ein "grundsätzliches" Rauchverbot in Lokalen in Kraft. Nach einer Übergangsfrist für Umbauarbeiten und einer Neuregelung dürfen seit Juni 2010 Gastronomen den Tabakkonsum nur mehr dann erlauben, wenn sie über abgetrennte Raucherzimmer verfügen oder die gesamte Verabreichungsfläche nicht größer als 50 Quadratmeter ist. Durch den Lungenkrebs-bedingten Tod des Journalisten und Rauchers Kurt Kuch wurde die Debatte über das Rauchverbot Anfang 2015 neu entfacht.

Wenige Monate später einigte sich die SPÖ-ÖVP-Regierung auf ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Türkis-Blau kippte dieses Vorhaben - und löste damit Proteste und das "Don't Smoke"-Volksbegehren aus.

>>> Interview im "Kurier"

>>> Rendi-Wagner im Ö1-"Morgenjournal"

(hell)

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