Warum Kickl den BVT-Chef nicht leicht loswird

Das BMI will den Posten von Direktor Peter Gridling neu besetzen – sein Vertrag wurde aber bereits verlängert.
Das BMI will den Posten von Direktor Peter Gridling neu besetzen – sein Vertrag wurde aber bereits verlängert.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat den umstrittenen BVT-Chef, Peter Gridling, bereits fix für weitere fünf Jahre bestellt. Die Regierung könnte jetzt die Nachrichtendienste völlig neu aufstellen.

Wien. Die Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) brodelt weiter. Die einen sprechen von berechtigten Vorwürfen, die anderen von einer politischen Umfärbeaktion, einem unverhältnismäßigen Einsatz und davon, dass unrechtmäßig sensible Daten über die Rechtsextremismusszene beschlagnahmt wurden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einer Causa, die manche als Staatsaffäre bezeichnen.

1 Alle Seiten fordern volle Aufklärung. Wie soll das gewährleistet werden?

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen fünf Beamte des BVT – darunter Direktor Peter Gridling, der derzeit auf Urlaub ist. Die Anwälte der Beschuldigten wollen prüfen lassen, ob die Hausdurchsuchung in dieser Form rechtmäßig war. Die Opposition hat eine Sondersitzung beantragt, die vermutlich am 19. März stattfinden wird. Dort könnte die SPÖ auch einen U-Ausschuss beantragen. Das Innenministerium will nun der Staatsanwaltschaft Beamte des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung zur Seite stellen, um alle Seiten zu beleuchten. Das Justizministerium will die Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen prüfen und hat einen Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angeordnet.

2 Kommt es zu einem Führungswechsel im BVT?

Innenminister Herbert Kickl hat angekündigt, dass es zu personellen Änderungen an der Spitze des BVT kommen wird. Doch wurde Gridling jüngst als BVT-Chef verlängert, wie „Die Presse“ erfuhr – eigentlich mit Wirksamkeit zum 1. März. Allerdings legt sich Kickl quer. Laut „Falter“ hält er die Bestallungsurkunde zurück. Die Präsidentschaftskanzlei bestätigt, dass Alexander Van der Bellen die Urkunde für Gridling zuvor unterschrieben hat. Wie stehen die Chancen Kickls, Gridling doch noch zu verhindern? Schlecht.

„Der Akt des Bundespräsidenten kann vom Minister nicht mehr rückgängig gemacht werden“, sagt Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk. Zwar sei Gridling tatsächlich erst dann bestellt, wenn ihn die Urkunde erreiche. Er könne dies aber erzwingen, indem er einen Antrag auf Aushändigung der Urkunde beim Innenminister stelle – und im Fall der Ablehnung einen Bescheid anfordere. Gegen diesen könne Gridling vor Gericht gehen und sich so seine Verlängerung in dem Amt erkämpfen, sagt Funk zur „Presse“.

Was Kickl aber sehr wohl dürfte, wäre, Gridling die Bestallungsurkunde zu übergeben, aber ihn zu beurlauben, bis alle Vorwürfe geklärt sind.

3 Das BVT galt auch schon vor der Affäre als Problembehörde. Warum?

Das BVT wurde 2002 von Schwarz-Blau erfunden und war von Anfang an eine problembehaftete Behörde, die mit internen Querelen zu kämpfen hatte. Das lag nicht zuletzt am ersten BVT-Direktor, Gert-Rene Polli, dem langdienende Beamte einen „schwierigen Führungsstil“ und eine russlandfreundliche Ausrichtung der Behörde nachsagten. Polli stand deswegen und aufgrund seiner Kontakte in den Iran massiv in der Kritik und trat schließlich 2008 zurück. Bis heute kämpft die Behörde mit internen Streitereien und Konkurrenzkonflikten. Dazu kommt die etwas unglückliche Identität des BVT – es ist ein Hybride zwischen Geheimdienst und Behörde, immer wieder gibt es thematische Überschneidungen mit dem Heeresabwehramt und Querelen mit demselbigen.

So oder so: Selbst wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen – das BVT an sich hat als Behörde keine Zukunft. Ein Gutteil der Informationen wird derzeit von befreundeten ausländischen Diensten bezogen – dass diese weiter kooperieren wollen, wenn ihre sensiblen Daten nun nicht nur mehr in der Behörde liegen, ist unwahrscheinlich. Das Vertrauen ist nachhaltig geschädigt. Eine Reform ist demnach spätestens jetzt unumgänglich.

4 Welche Geheimdienste gibt es überhaupt in Österreich?

Gar keine. Es gibt zwar gleich drei Nachrichtendienste, aber keinen Geheimdienst. Der Unterschied: Nachrichtendienste sammeln und werten Informationen aus. Das Bundesheer verfügt gleich über zwei Nachrichtendienste: das Heeresnachrichtenamt (HNA), das für die Auslandsaufklärung zuständig ist. Das HNA bereitet Einsätze von österreichischen Soldaten im Ausland vor und hat besondere Expertise auf dem Balkan. Dagegen ist das Abwehramt für Gefährdungen des Bundesheers im Inland zuständig. Das BVT als ziviler Nachrichtendienst beschäftigt sich mit extremistischen Strömungen – Islamismus, Rechtsextremismus etc.– und übernimmt dabei auch die polizeilichen Aufgaben der Aufklärung von erfolgten oder geplanten Straftaten. Ein echter Geheimdienst würde sich viel mehr mit Gefahrenerforschung im Vorfeld konkreter Straftaten beschäftigen – und aktiv gegensteuern.

5 Kommt es zu einer Reform der Nachrichtendienste?

Davon ist auszugehen. Laut Ministeriumskreisen soll Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eine Expertenkommission einsetzen und eine Reform planen. Schon sein Vorgänger, Wolfgang Sobotka (ÖVP), wollte eine Umwandlung des BVT in einen echten Geheimdienst. Eher auszuschließen ist eine Zusammenlegung der drei Nachrichtendienste: Das BVT hat mit dem HNA von der Aufgabenstellung her gar nichts zu tun. Sehr wohl gibt es bei der Terrorismus- und Extremismusabwehr ähnliche Aufgabenstellungen. Doch die militärischen Dienste pochen auf ihre Selbstständigkeit: Sie arbeiten eng mit ausländischen militärischen Nachrichtendiensten zusammen, die niemals Informationen an zivile Nachrichtendienste weiterleiten würden. Möglich wäre eine Zusammenlegung von HNA und Abwehramt, doch da gäbe es angesichts der unterschiedlichen Aufgabenstellung nicht viele Synergieeffekte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2018)

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