Kickl zu Causa BVT: "Es ist Zeit, dass wir zu den Fakten kommen"

Innenminister Kickl im Parlament.
Innenminister Kickl im Parlament.(c) Reuters
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Die SPÖ wirft Türkis-Blau vor, das Vertrauen der Österreicher in den Sicherheitsapparat massiv erschüttert zu haben - und richtet 40 Fragen an Innenminister Kickl. Dieser kritisiert das "linke Spiel" und betont: Alles sei korrekt abgelaufen.

Die Opposition fordert von der türkis-blauen Koalition restlose Aufklärung der „besorgniserregenden Vorgänge" im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Gemeint sind Hausdurchsuchungen, Suspendierungen, ein anonymes Dossier, ein vermuteter Machtkampf um Posten zwischen ÖVP und FPÖ sowie ein „Ping-Pong-Spiel zwischen Justiz- und Innenministerium“, wie SPÖ-Chef Christian Kern am Montag im Nationalrat ausführte. Seine Partei hatte zuvor eine Dringliche Anfrage an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zur Affäre eingebracht.

„Es ist wesentlich schlimmer als bloß eine Umfärbung (der Posten im Zuge der Regierungsumbildung, Anm.)“, führte der ehemalige Kanzler aus. Gemeint ist: Die Verfassung garantiere den Österreichern Schutz, Polizei und Sicherheitsbehörden seien mit dessen Realisierung betraut. Darauf würden die Menschen vertrauen. Kickl habe nun keine 100 Tage im Amt gebraucht, um dieses Vertrauen „nachhaltig in Zweifel zu ziehen; wir erleben ein politisches Spiel auf dem Rücken der Sicherheit“, meinte Kern. Die Leidtragenden seien die Polizisten, die „jeden Tag ihre Knochen hinhalten“. Und Österreichs Ruf. Denn: Das BVT sei „regelrecht lahm gelegt worden“, durch das Vorgehen der Koalition, das internationale Ansehen sei beschädigt – „und das bedeutet einen realen Sicherheitsverlust“.

Erwartungsgemäß keine Mehrheit hat ein Misstrauensantrag gegen Innenminister Herbert Kickl gefunden. Das entsprechende Begehren der Liste Pilz wurde mit Koalitionsmehrheit abgeschmettert. SPÖ und NEOS stimmten hingegen für Kickls Abberufung.

Kickl bestreitet "Umfärbung" von Beamten

Kickl konterte Kern umgehend: „Es ist Zeit, dass wir zu den Fakten kommen – und aufräumen mit den Verschwörungstheorien“. Er unterstellte dem roten Klubobmann, ihm etwas „anflicken“ zu wollen. Tatsächlich handele es sich bei der Causa um ein korrektes Verfahren. Kerns Verhalten sei „schlicht und ergreifend beschämend“. „Es stört sie“, so Kickl, dass ein blauer Innenminister für Ordnung sorge. „Ich hätte ja gedacht, dass wir einen gemeinsamen Kampf gegen die Korruption führen“, sprach der Innenminister Kern direkt an. „Sie betreiben hier ein linkes Spiel. Und Sie fügen den Beamten und Beamtinnen einen Schaden zu, die ihre Aufgaben treu und gewissenhaft erfüllen“, kritisierte Kickl weiter. 

Er selbst habe jedenfalls nichts gegen den inzwischen suspendierten BVT-Chef Peter Gridling, betonte der Innenminister. Die Staatsanwaltschaft habe aber begründeten Verdacht gegen diesen. „Es gibt ungefähr 33.000 Beamten des BMI (Innenministerium, Anm.)“, keinen von ihnen habe er „umgefärbt“, wehrte sich Kickl weiter. 

Für die Beantwortung der 40 dringlichen Fragen der SPÖ nahm sich Kickl denn abschließend auch noch einige Minuten Zeit. Er sei über die Einsatzbesprechung bezüglich der Hausdurchsuchung informiert worden, so Kickl. Die Staatsanwaltschaft sei federführend tätig gewesen. Um die „Unbefangenheit“ zu wahren, wurde auf die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) zurückgegriffen – diese sei nicht schwer bewaffnet gewesen. 35 Beamte seien im BVT eingesetzt worden, 23 in Privatwohnungen.

Alle Kabinettsmitarbeiter "vom BVT sicherheitsüberprüft"

Auf die Frage, warum Gridling nicht darüber informiert wurde, dass das Bestallungsdekret wieder im Ministerium vorlag, meinte Kickl, dass das „nicht üblich“ sei. Der Interimsleiter des Verfassungsschutzes sei schon zuvor als stellvertretender Leiter bestellt worden, beharrte er einmal mehr. Ebenfalls wiederholte der Ressortchef: Er habe auf internationaler Ebene bereits Gespräche geführt – um sicherzustellen, dass die Causa Österreichs Ruf nicht schade bzw. künftige Kooperationen nicht gefährdet würde.

Alle seine Kabinettsmitarbeiter seien überdies „vom BVT sicherheitsüberprüft“ worden, führte Kickl aus. Unbeantwortet hingegen ließ er die Frage, seit wann das Dossier im Ministerium liege: Das wisse er nicht, meinte der Ressortchef lediglich - seit Herbst seien interne Ermittlungen aufgenommen worden. Abschließend fügte Kickl noch an, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen, denn er habe sofort gehandelt. Hätte er die Angelegenheit hingegen beiseite geschoben, dann hätte man ihm Vorwürfe machen können. „So nicht“, betonte er.

Causa BVT auf einen Blick

2016: Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) übergibt drei bei der Österreichischen Staatsdruckerei hergestellte nordkoreanische Pässe an Südkorea.

2017: Auf 39 Seiten werden anonyme Vorwürfe gegen BVT-Beamte erhoben und ergehen an Staatsanwälte, Politiker und Medien. Es geht um Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit, Veruntreuung von Steuergeld und sexuelle Übergriffe.

Oktober 2017: Die Pass-Übergabe wird öffentlich bekannt. Das Innenministerium betont, die Musterexemplare seien "im Rahmen der üblichen Polizeikooperation Schulungs- und Anschauungszwecken, um Fälschungssicherheit zu prüfen und Fälschungsmerkmale erkennen zu können", weitergegeben worden.

Februar 2018: Vier anonyme Zeugen melden sich bei der Staatsanwaltschaft. Sie geben an, um ihr Leben zu fürchten.

27. Februar 2018: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ordnet eine Hausdurchsuchung im BVT an. Auftrag: die Sicherstellung sämtlicher Unterlagen. Grundlage sind neben der Pass-Weitergabe Vorwürfe der unterlassenen Datenlöschung. Beamte des BVT sollen Daten des Rechtsanwalts Gabriel Lansky im Rahmen der Aufarbeitung der Causa "Alijew" nicht wie vom Gericht angeordnet gelöscht haben.

27. Februar 2018: Um 22:30 Uhr bewilligt ein Journalrichter die Hausdurchsuchung.

28. Februar 2018: Razzien im BVT sowie in Wohnungen von Mitarbeitern. Durchgeführt wird sie von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS). Sie wurde gemeinsam mit dem Innenministerium ausgewählt.

2. März 2018: Das Justizministerium erhält im Nachhinein Bescheid von der Aktion.

3. März 2018: Informationen über die Razzia gelangen an die Öffentlichkeit, ebenso dass einige BVT-Mitarbeiter suspendiert wurden. Ihnen wird Datenmissbrauch und die Veruntreuung von Geldern vorgeworfen, die für Zahlungen an Informanten vorgesehen waren. Unter den Beschuldigten ist auch Verfassungsschutz-Chef Peter Gridling. Er verschwindet auf Urlaub, sein Vertrag läuft mit 20. März aus.

8. März 2018: Das Justizministerium schaltet sich in die Ermittlungen ein. Untersucht wird, warum gerade die - vom FPÖ-Gewerkschafter und -Politiker Wolfgang Preiszler geleitete - EGS mit den Hausdurchsuchungen beauftragt war. Auch soll geklärt werden, warum die Festplatte einer Referatsleiterin für Extremismus, die keine Beschuldigte ist, mitgenommen wurde.

9. März 2018: Die Neos berufen den Nationalen Sicherheitsrat ein, die SPÖ eine Sondersitzung des Nationalrats. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) stellt erstmals öffentlich BVT-Chef Gridling infrage. Den Hausdurchsuchungseinsatz bezeichnet er als "lupenrein".

10. März 2018: Die SPÖ liebäugelt mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

19. März 2018: Eine Dringliche Anfrage an Kickl wird im Nationalrat eingebracht. Am Abend tagt der Nationale Sicherheitsrat.

(hell)

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