Die Liste Pilz erstattete Anzeige, die SPÖ wird den U-Ausschuss wohl Dienstag fixieren. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führen inzwischen zu einer verurteilten Doppelagentin.
Wien. Ein Misstrauensantrag und zwei Strafanzeigen gegen Innenminister Herbert Kickl. Das ist die Bilanz einer emotionalen Nationalratssondersitzung, die von der Opposition wegen der Ermittlungen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) für Montag einberufen wurde.
Die SPÖ löcherte Innenminister Herbert Kickl mit rund 40 Fragen. Die Partei ortete im Vorgehen in der Causa BVT einen internen Machtkampf und politische Motivation, das Amt zu zerstören.
FPÖ-Innenminister Herbert Kickl beantwortete die Fragen im Eiltempo – teils mit Zynismus, teils mit Gegenfragen. Man erfuhr nur wenig Neues. Er führe sein Ministerium gesetzeskonform und „lasse sich sicher nicht den Mund verbieten“, sagte er. „Auch wenn es Ihnen nicht passt, die Sicherheit Österreichs ist nicht gefährdet, nur weil fünf Beamte einer Straftat verdächtigt werden“, sagte Kickl in Richtung SPÖ. Immerhin gebe es insgesamt rund 30.000 Polizisten. Den Vorwurf der Umfärbung wies er zurück: „Ich selbst habe Direktor Peter Gridling für die Verlängerung vorgeschlagen.“
Die Opposition gab sich mit seinen Antworten nicht zufrieden: Die Liste Pilz brachte einen Misstrauensantrag ein – den die Opposition geschlossen befürwortete. Und Liste-Pilz-Abgeordneter Alfred Noll verkündete, Strafanzeige gegen Kickl bei der Staatsanwaltschaft eingebracht zu haben: Seiner Meinung nach hätte die Stelle des Generalsekretärs Peter Goldgruber ausgeschrieben werden müssen. Dazu hält er die Suspendierung des BVT-Direktors Peter Gridling für nicht zulässig.
Nach dem Nationalrat tagte am Abend noch der nationale Sicherheitsrat, wo Vertreter von Justiz- und Innenministerium weiter Rede und Antwort stehen mussten. Die SPÖ sagte im Vorfeld, dass man die Sitzungen sowie den Unterausschuss am Dienstag abwarten wolle, um zu entscheiden, ob man einen Untersuchungsausschuss einberufen wolle. Hinter den Kulissen gilt dieser aber bereits als fix.
Verknüpfung von Verfahren
Neben der politischen Diskussion um das BVT gehen die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) in der Causa weiter. Und auch hier gibt es neue Entwicklungen. Neben den schon laufenden Ermittlungen gegen fünf Beamte wird geprüft, ob ein weiteres laufendes Verfahren gegen einen weiteren BVT-Beamten mit diesem verknüpft wird. Denn schon vor zwei Jahren keimte der Verdacht, dass ein Beamter Daten und Informationen gegen Geld verkauft haben könnte. Schlüsselperson in der Affäre ist die 70-jährige deutsche Unternehmensberaterin Christina W., die unter dem Decknamen „Nina“ als Doppelagentin mit Stasi-Vergangenheit auftrat.
Sie soll unter anderem für den ukrainischen Oligarchen Dimitri Firtasch als Privatagentin gearbeitet haben – aber auch für andere große österreichische Unternehmen wie die Vienna Insurance Group oder die OMV. Laut Verdachtslage soll „Nina“ einen Beamten des BVT bestochen haben, um an Informationen zu kommen, die Firtaschs Verteidigung stützen sollten. Dieser kämpfte damals in Österreich gegen seine Auslieferung an die US-Justiz. Ihm werden in Chicago Bestechungsdelikte im Zusammenhang mit einem nie realisierten Titanerz-Projekt in Indien vorgeworfen.
Die Ermittlungen zur Rolle der Christina W. – ob sie für den BVT als Quelle arbeitete oder diesen sich eher zur Quelle machte, laufen noch. Der betroffene Beamte ist seit zwei Jahren suspendiert, „Nina“ wurde zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Entlastendes Gutachten
Dass die aktuellen Ermittlungen und jene um „Nina“ nun in Zusammenhang gebracht werden, hat „Presse“-Informationen zufolge mit einem der Zeugen zu tun, der nun bei WKStA ausgesagt hat. Es soll sich um einen Ex-BVT-Abteilungsleiter handeln, der beträchtliche Insiderinfos hat – und auch um die Vorgänge im Fall „Nina“ Bescheid wusste. Dieser Ex-Abteilungsleiter gilt auch als Schreiber jenes Pamphlets, das die Basis der Ermittlungen darstellt.
Große Teile sind frei erfunden – das haben Recherchen der „Presse“ ebenso ergeben wie jene der Staatsanwaltschaft. Dennoch wolle man den Vorwürfen genau nachgehen, sagt Generalsekretär im Justizministerium Christian Plinacek. Das gilt auch für die Vorwürfe um die Weitergabe von nordkoreanischen Passmustern. Wie „Die Presse“ erfuhr, wurde das Bundeskriminalamt mit einer Bewertung beauftragt – und kam zu dem Schluss, dass an dem Vorgehen nichts auszusetzen sei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)