Ein Expertenhearing wurde von der Tagesordnung für den Innen- und Justiz-Ausschuss gestrichen. Die Opposition ist erzürnt. Rechtsanwälte warnen vor dem Paket, mit dem "5,1 Millionen Menschen unter Generalverdacht" gestellt würden.
Eigentlich hätte es am Donnerstag ein Hearing mit Experten geben sollen. Das Thema: das von Türkis-Blau geplante Überwachungspaket, das noch im April im Plenum beschlossen werden soll. Wie der "Kurier" am Dienstag berichtet, wurde der Termin aber von der Tagesordnung für den Innen- und Justiz-Ausschuss gestrichen - angeblich, weil die Koalition "die Öffentlichkeit ausschließen" wolle. Dazu wird ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon zitiert, der gesagt hatte, man wolle sachlich mit den Abgeordneten diskutieren und keine "mediale Inszenierung".
Das genügt SPÖ, Neos und Liste Pilz nicht. Sie verweigerten laut "Kurier" ihre Unterschrift auf der entsprechenden Einladung zum "Geheim-Hearing" und beharren auf ein "außerparlamentarisches Hearing". Denn: "Ein Paket wie dieses muss vor der Öffentlichkeit bestehen, also laden wir unsere Experten ein, die wichtigsten Punkte in einer gemeinsamen Pressekonferenz zu erläutern", kündigte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim an. Auf Einladung der SPÖ wird der Anwalt Ewald Scheucher auftreten. Die Neos laden die deutsche Expertin Constanze Kurz vom "Chaos Computer Club", wen die Liste Pilz ausgesucht hat, ist noch unklar.
Rechtsanwälte: "5,1 Millionen unter Generalverdacht"
Fest steht schon jetzt: Das Überwachungspaket ist mehr als umstritten. Jüngste Warnungen davor kamen am Wochenende vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK). Es fehle weitgehend die richterliche Kontrolle, kritisierte ÖRAK-Präsident Rupert Wolff. Damit "reihen wir uns in die Reihe jener Länder ein, die - wie Ungarn oder Polen - Angst vor ihren eigenen Bürgern haben." Außerdem sei nach wie vor eine Nachfolgeregelung für die - vom Europäischen Gerichtshof und vom Verfassungsgerichtshof gekippte - Vorratsdatenspeicherung vorgesehen, und zwar unter dem Namen "Quick Freeze". "Da haben wir den Eindruck, dass man versucht, etwas zu verschleiern, indem man den bösen Namen nicht mehr erwähnt", merkte Wolff an. Er ist überzeugt, dass auch diese Regelung wieder aufgehoben wird.
Ebenso verlängert seien in der Neuauflage die Fristen für die Speicherung von Video- und Tonaufnahmen privater Rechtsträger wie ÖBB, Busunternehmen oder Einkaufszentren sowie für die Verkehrsüberwachungs-Aufzeichnungen der Asfinag. Letztere gingen "in Wahrheit weit über die Erfassung der Kennzeichen hinaus", bis hin zur Identität des Lenkers könne die Polizei hier alles erheben, kritisierte Wolff die breitflächigen Überwachungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum. Mit der Registrierung der Prepaid-Karten für Handys würden "5,1 Millionen Menschen unter Generalverdacht gestellt".
Der gravierendste Eingriff in die Privatsphäre sei aber nach wie vor der "Bundestrojaner". Die Anwälte hätten zwar Verständnis dafür, dass die Sicherheitsbehörden auch WhatsApp und Skype überwachen wollen. Aber nicht dafür, dass den Behörden unter diesem Vorwand ermöglicht wird, den gesamten Datenbestand und -verkehr eines Computers oder Smartphones auszulesen - mittels Spyware, die entweder per Einbruch in die Wohnung oder unter Ausnützung von Sicherheitslücken im Betriebssystems installiert wird. "Eigentlich muss ein Staat Interesse haben, dass solche Sicherheitslücken geschlossen werden - und nicht daran, dass es möglichst viele Lücken gibt", konstatierte Wolff.
(Red./APA)