Die Koalition wollte die Novelle im Ausschuss nur ohne Öffentlichkeit diskutieren. Die Opposition weigerte sich – und lädt nun die Experten in ein Wiener Café.
Wien. Im Kaffeehaus wurde in Wien schon immer Politik gemacht. Dass nun ein für das Parlament gedachtes Hearing aber gleich ins Café verlegt wird, ist selbst für Österreich ungewöhnlich. Es ist das Ergebnis eines Disputs zwischen der Regierung und der Opposition rund um eine geplante Gesetzesnovelle, die neue Überwachungsrechte für die Behörden bringen soll.
So soll die vom Verfassungsgerichtshof gekippte Vorratsdatenspeicherung unter dem Namen „Quick Freeze“ wieder eingeführt werden, wenn auch nur bei Verdachtsmomenten. Und der Bundestrojaner soll kommen, durch den Ermittler die Daten am Computer oder am Smartphone ausspähen können. Auf ein Begutachtungsverfahren zu dem Gesetz verzichtete die Regierung mit der Begründung, dass es ein solches schon in der vergangenen Legislaturperiode zu einem ähnlichen Gesetzesentwurf gegeben habe. Allerdings wurde im Nationalrat eine Ausschussbegutachtung beschlossen. Und ein Expertenhearing in einem parlamentarischen Aussschuss wurde der Opposition, die eine zu leichtfertige Überwachung von Bürgern fürchtet, zugestanden.
Zu diesem kommt es aber nun auch nicht. Die Opposition wollte nämlich ein öffentliches Hearing im Ausschuss, das die Koalition ablehnte. SPÖ, Neos und Liste Pilz weigerten sich aber wiederum, wie der „Kurier“ berichtete, einem Hearing unter Ausschluss der Öffentlichkeit zuzustimmen.
Anwälte: Angst vor kritischen Stimmen
„Wir finden das befremdlich“, sagt Anwälte-Präsident Rupert Wolff über das abgesagte Hearing. Man habe den Eindruck, dass die Regierungsparteien „Angst vor kritischen Stimmen“ haben, meint Wolff im Gespräch mit der „Presse“. Die Koalition würde offenbar darauf spekulieren, dass ohne öffentliche Kritik das Thema einschläft.
Im ÖVP-Klub verweist man hingegen darauf, dass Ausschüsse in der Regel ohne Öffentlichkeit stattfinden und nur in Ausnahmefällen weitere Personen wie etwa Medienvertreter dabei sein dürfen. Man sei aber der Meinung, dass bei diesem Gesetzespaket eine Hearing ohne Öffentlichkeit reiche.
Die Opposition lädt nun für Donnerstagvormittag zu einem Expertenhearing ins Café Diglas in der Schottengasse. Ein Abgeordneter und ein Experte pro Partei werden daran teilnehmen. Die SPÖ wird mit ihrer Sicherheitssprecherin, Angela Lueger, vertreten sein, als Experten hat sie den Rechtsanwalt Ewald Scheucher geladen. Für die Neos geht Vize-Klubchef und Verfassungssprecher Nikolaus Scherak an den Start. Als Experten hat die pinke Fraktion Constanze Kurz vom Chaos Computer Club nominiert. Alma Zadic, Abgeordnete der Liste Pilz, hat die Juristin Angelika Adensamer (epicenter.works) als Expertin vorgeschlagen.
Erst Café, dann Ausschuss
Ganz wie in einem parlamentarischen Ausschuss wird das Hearing im Café freilich nicht stattfinden. Die Regierungsparteien werden nämlich keine Vertreter ins Kaffeehaus entsenden. Donnerstagmittag findet dann der Ausschuss im Parlament statt, diesfalls ohne Hearing. Türkis-Blau dürfte mit seiner Mehrheit dort den Weg für die Gesetzesnovelle ebnen, die es im Kampf gegen die Kriminalität für notwendig erachtet.
Anwalt Wolff hofft noch auf Änderungen. Er fürchtet, dass Österreich sich sonst in eine Reihe mit Polen und Ungarn stellt – Staaten, „die Angst vor den eigenen Bürgern haben“. Zwar seien Maßnahmen gegen Terrorismus nötig. Aber bei diesen geplanten Maßnahmen fehle weitgehend die richterliche Kontrolle. Und mit dem Bundestrojaner würden Behörden auf alle Daten eines Smartphones Zugriff bekommen und nicht nur auf Nachrichtenprogramme wie WhatsApp, die überwacht werden sollen. Der Gang zum Höchstgericht werde geprüft, sagt Wolff.
AUF EINEN BLICK
Dasgeplante Hearing zu den neuen Überwachungsrechten für Behörden findet nun doch nicht im parlamentarischen Ausschuss statt. Die Koalition wollte, dass die Experten nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehört werden, das lehnte die Opposition ab. Sie veranstaltet nun ein eigenes Hearing mit drei Experten in einem Wiener Kaffeehaus. Die Anwaltschaft kritisiert, dass der Entwurf zu sehr in die Bürgerrechte eingreift.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2018)