Die Regierung arbeitet ein Kopftuchverbot für Kinder in Kindergärten und Volksschulen aus - bis Sommer soll es vorliegen. Für Teile des Vorhabens wird eine Zweidrittelmehrheit nötig sein. SPÖ und Neos sind verhandlungsbereit - und stellen Forderungen.
Der Auftrag von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), ein Kopftuchverbot für Kinder in Kindergärten und Volksschulen auszuarbeiten, stößt bei der SPÖ und den Neos auf offene Ohren. Man sei gesprächsbereit, hieß es von beiden Seiten - soweit bisher bekannt, könnte für Teile des türkis-blauen Vorhabens eine Zweidrittelmehrheit nötig werden. Konkret: Während für ein Kopftuchverbot an Volksschulen eine einfache Regierungsmehrheit ausreicht, wird für ein solches in Kindergärten eine Zweidrittelmehrheit benötigt, da die Länder betroffen sind. Für letztere forderten SPÖ und Neos am Mittwoch bereits so manches. Keine überraschende Ansage - ebensowenig der Konter von Kurz: Er hoffe auf die Unterstützung der Opposition. Von einem politischen Abtausch halte er aber nichts. "Wir sehen da keine große Notwendigkeit, in Verhandlungen zu treten", stellte er klar.
Auch wollte Kurz von einer Religionsdebatte nichts wissen - gleiches gilt für Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Für letzteren ist eine "Kleiderordnung" in Volksschule und Kindergarten "etwas absolut Vernünftiges". Es gehe schlicht um Gleichberechtigung. Junge Mädchen müssten in ihrer Entwicklung frei sein, zudem wolle man dem politischen Islam etwas entgegensetzen, so Strache, der im Verbot im Wesentlichen eine "Integrationsmaßnahme" sieht.
Geht es nach der Regierung, soll das von ihr angestrebte "Kinderschutzgesetz" Verfassungsrang haben. Auch 15a-Vereinbarungen gelten als denkbar. Derzeit seien derartige Vorschriften per Verordnung geregelt, erklärte Außenministerin Karin Kneissl (parteilos, von der FPÖ nominiert) nach dem Ministerrat.
Kern: "SPÖ lehnt Kopftuch bei Mädchen im Kindergarten ab"
"Die SPÖ lehnt es ab, wenn Mädchen im Kindergarten und der Volksschule Kopftuch tragen", skizzierte Parteichef Christian Kern am Mittwoch die Linie seiner Fraktion. Aber: "Reale Probleme brauchen konkrete Lösungen, Einzelmaßnahmen alleine lösen nur wenig." Zugleich erinnerte Kern daran, dass Kurz noch als Integrationsstaatssekretär gefordert hatte, die Integrationsdebatte "nicht auf plumpe Botschaften wie 'Kopftuch -ja oder nein'" einzuschränken.
Kern fordert daher ein umfassendes "Integrationspaket" und verlangt von der Regierung, auf Kürzungen bei Integrationsmaßnahmen im Bildungsbereich und beim Integrationsjahr zu verzichten. Außerdem will die SPÖ ein zweites Gratiskindergartenjahr und einen Ausbau der Ganztagsschulen mit kostenlosem Essen und Freizeitangebot bis 2025. Kern: "Wir fordern von der Regierung seriöse Verhandlungen über dieses Maßnahmenpaket und nicht nur über eine Einzelforderung."
Strolz: "Symbolpolitik reicht für ernsthafte Integration nicht"
Man sei "grundsätzlich gesprächsbereit", hieß es von den Neos zur "Presse". Zwar tue sich eine "liberale Partei immer schwer mit Verboten", doch werde man sich den Gesetzesvorschlag ansehen. "Symbolpolitik alleine reicht jedenfalls für ernsthafte Integration nicht aus", betonte Klubobmann Matthias Strolz dann auch via Twitter. Es gelte nun zu bewerten, was die Regierung genau vorlegt. "Im Mittelpunkt stehen für die Neos immer die Chancen der Kinder." Mädchen dürften "niemals dazu genötigt werden, ein Kopftuch zu tragen", ergänzte er in einer Aussendung. Genauso wenig sei Mobbing aufgrund eines Kopftuches zu tolerieren: "Hier müssen wir mit voller Härte durchgreifen."
Allerdings werde ein Kopftuchverbot allein Integrationsprobleme nicht lösen, forderte er mehr Mittel um etwa Sozialarbeiter anzustellen. Auch die Eltern sollten stärker in die Pflicht genommen werden. Ein weiteres pinkes Anliegen: ein gemeinsamer Religionen- und Ethikunterricht sowie ein Integrationsgipfel mit Experten.
Auslöser der Debatte über ein Kopftuchverbot war übrigens Strache. Er forderte ein solches an Kindergärten und Volksschulen. Dies wäre eine Maßnahme, damit "die Mädchen in ihrer Entwicklung bis zum zehnten Lebensjahr geschützt sind und sich frei entwickeln und integrieren können", hatte er am Wochenende erklärt. Am Mittwoch griff Kurz den Vorstoß auf. Im Ö1-"Morgenjournal" kündigte er eine entsprechende Gesetzesinitiative an. Bis Sommer sollen Bildungsminister Heinz Faßmann, Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (beide ÖVP) und Kneissl ein entsprechendes Kinderschutzgesetz ausarbeiten.
(hell/APA)