Kopftuchverbot: IGGÖ kritisiert "Skandalisierung" einer Randerscheinung

Carla Amina Baghajati
Carla Amina Baghajati (c) Clemens Fabry (Presse)
  • Drucken

Die "bevormundende Art" der Politik werde als "absolut kontraproduktiv" empfunden, kritisiert die Islamische Glaubensgemeinschaft. Das Tragen von Kopftüchern im Kindergartenalter sei in Österreich so gut wie unbekannt.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat sich in einer dringenden Präsidiumssitzung "mit aller Entschiedenheit" gegen das von der Regierung geplante Kopftuchverbot für Mädchen in Kindergärten und Volksschulen ausgesprochen. Die IGGÖ wendet sich gegen eine "populistische Politik" und warnt davor, "ein Feindbild Islam" zu bedienen, hieß es am Mittwoch.

In einer schriftlichen Stellungnahme verweist Carla Amina Baghajati, die Frauenbeauftragte im Obersten Rat der IGGÖ, darauf, dass schon seit vielen Jahren ein innermuslimisch Diskurs über das Kindeswohl geführt werde. Das Thema Kopftuch sollte sich demnach erst ab der Religionsmündigkeit stellen. Dieses sei mit der körperlichen und geistigen Reife definiert, also jeweils ein sehr individueller Prozess. Längst habe sich innermuslimisch die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Selbstbestimmungsrecht von Mädchen und Frauen auf jeden Fall zu beachten sei und keinerlei Zwang ausgeübt werden dürfe.

Deshalb werde "die bevormundende Art" der Politik als "absolut kontraproduktiv" empfunden. Gerade im Bildungsbereich gehe es um Mündigkeit und brauche es Einsichten. "Jede Verbotspolitik steht dem diametral und unvereinbar gegenüber und schafft Fronten, wo keine bestehen müssten", betont Baghajati. Sie verweist auch darauf, dass hier auch um Grund- und Menschenrechte wie das Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit gehe. "Niemand würde wohl ernsthaft ein Verbot des Tragens einer Kippa oder eines Kreuzes bei Kindern in den Raum stellen wollen."

"Kopftuch im Kindergartenalter so gut wie unbekannt"

Die IGGÖ-Frauenbeauftragte betont, dass hier ein Thema "skandalisiert" werde, das eigentlich nur eine Randerscheinung bilde. "Im Kindergartenalter ist Kopftuchtragen in Österreich so gut wie unbekannt. An Volksschulen ist jeder der wenigen Fälle individuell zu betrachten, da es sehr wohl auch vorkommen kann, dass Mädchen von sich aus diese Kleidung wählen." Die IGGÖ sei wiederholt eingebunden gewesen. "Dies hat sich als wesentlich effizienter erwiesen als pauschal über die Köpfe der Betroffenen hinweg ein Verbot zu erlassen", so Baghajati.

"Unter Musliminnen und Muslimen macht sich unabhängig vom Grad ihrer Religiosität tiefes Unbehagen und Sorge breit, dass die derzeitige Politik Ressentiments und Ängste im Zusammenhang mit vielfältigen Phänomenen gesellschaftlichen Wandels fördert anstatt sie abzubauen und dabei vor allem das Feindbild Islam bedient", schreibt Baghajati. "Als Teil der Gesellschaft wünschen wir uns aber von der Regierung, dass man sich konstruktiv und sachlich den real anstehenden Herausforderungen widmet.

"Gerade auf den Köpfen von Kindern darf keine populistische Politik betrieben werden. Wir setzen auf den Weg des Dialogs. In diesem Sinne erwarten wir uns eine Einbindung bei solchen die Musliminnen und Muslime direkt betreffenden Fragen seitens der Politik", heißt es in der Stellungnahme.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Familie

Kindergarten: Doch mehr Geld

Der Bund dürfte den Ländern nun doch wie bisher 140 Millionen Euro überweisen.
NATIONALRAT: MUCHITSCH / LOeGER
Innenpolitik

Doch nicht weniger Geld für Kinderbetreuung?

Offenbar gibt es eine Einigung zwischen Bund und Ländern, was die Bundesmittel für den Ausbau der Kinderbetreuung betrifft: Die Summe soll doch die gleiche wie bisher bleiben.
Symbolbild: Kinder
Innenpolitik

Gemeindebund-Präsident nennt Kinderbetreuungs-Entwurf "tot"

Alfred Riedl rechnet damit, dass es für den Ausbau der Kinderbetreuung mehr als die angekündigten 110 Millionen Euro geben könnte. Der bisherige Entwurf sei hinfällig.
Schule

Kinderbetreuung: Die Länder fürchten um „ihr“ Geld

Der Bund will den Ländern weniger Geld für die Kinderbetreuung zur Verfügung stellen. Auch bei den Lehrergehältern sollen die Bundesländer künftig selbst tiefer in die Tasche greifen.
Leitartikel

Jeder will mitreden, aber niemand gerne zahlen

Der aktuelle Streit um die Kindergärten zeigt es auf: Eine klare Aufgabenverteilung zwischen den Gebietskörperschaften tut not – samt Finanzierung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.