Ärztekammer zu AUVA: Wer kümmert sich um 330.000 Verunfallte?

Behandlung im Lorenz Böhler-Unfallkrankenhaus
Behandlung im Lorenz Böhler-Unfallkrankenhaus(c) Clemens Fabry (Presse)
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Sozialministerin Hartinger-Klein geht von der Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt aus, Vizekanzler Strache müht sich im Beschwichtigen. Die Ärztekammer zeigt sich empört und geht an die Öffentlichkeit.

Die Debatte über die Zukunft der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) geht in die nächste Runde. Obwohl FPÖ-Chef, Vizekanzler Heinz-Christian Strache, am Sonntag zu beschwichtigen versuchte – die Diskussion sei von Panikmache dominiert, es würden keine Spitäler geschlossen – meldet sich heute die Ärztekammer zu Wort und warnte vor einem "Kahlschlag in der unfallchirurgischen Versorgung". "Lorenz Böhler hat die Unfallchirurgie erfunden" und Österreich in diesem Bereich an die weltweite Spitze gebracht, mahnte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Dieses Erbe dürfe nicht "kaputt gespart" werden.

Die Einrichtungen der AUVA - Krankenhäuser in Wien, Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark sowie vier Rehabilitationszentren - dürften nicht geschlossen werden, appellierte Szekeres. Denn: Unfälle passierten täglich, die Notwendigkeit professioneller Behandlung liege entsprechend auf der Hand. In Zahlen: "Fast 400.000 Menschen werden pro Jahr in Einrichtungen der AUVA versorgt."

Warnung vor "unüberlegten Schritten"

Werde bei der AUVA eingespart, so müssten andere übernehmen - die Behandlung, aber auch die damit verbundenen Kosten. "Derzeit haben wir aber kein Indiz, dass die Länder oder ein anderer Träger dazu bereit sind", ergänzte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie, Christian Fialka. Außerdem wies er darauf hin, dass nur ein geringer Teil der in den AUVA-Häusern behandelten Patienten Arbeitsunfälle seien - "ein sehr hoher Teil sind Freizeitunfälle". Dafür sei man an sich nicht zuständig, doch qualifiziert.

"Wir haben etwa 370.000 frisch Verletzte pro Jahr", konkretisierte Fialka. Würde man nur noch die Arbeitsunfälle annehmen, hieße das, "dass etwa 330.000 nicht mehr in unseren Häusern behandelt werden". Wer sich um diese dann kümmern solle? Darauf habe die Regierung noch keine Antwort gegeben, warnte der Mediziner vor "unüberlegten Schritten" zum Nachteil der Patienten.

>>> Wie die AUVA 500 Millionen einsparen kann [premium]

Die Prä-Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie, Karin Gstaltner, stellte die Bedeutung der AUVA-Rehabilitationszentren in den Fokus. Hier würden zu 50 Prozent Arbeitsunfälle behandelt, die zweite Hälfte betreffe Privatunfälle, wobei es sich bei letzteren in der Regel um schwerst Betroffene handele. Konkret: Querschnittlähmungen, Amputationen oder Verbrennungen. "Hier ist eine sehr gute Verschränkung mit Akuthäusern notwendig." Und das seien nun mal die Unfallkrankenhäuser der AUVA.

Richard Maier, Obmann der Bundesfachgruppe für Unfallchirurgie, wies auf die Ausbildungsschiene hin: Etwa 20 Prozent des unfallchirurgischen Nachwuchses würde letztlich in Unfallkrankenhäusern eine Anstellung finden. Würden diese - oder manche davon - eingespart, würde damit auch ein wesentlicher Arbeitgeber wegfallen. 

Auf einen Blick: Causa AUVA

Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gab in der Vorwoche bekannt, sie gehe nicht davon aus, dass der AUVA die geforderten Einsparungen im Umfang von 500 Millionen Euro gelingen würden. "Nach derzeitigem Stand" werde es folglich wohl zur Auflösung kommen. Ein "Grobkonzept" zur Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger könnte Ende April/Anfang Mai vom Ministerrat beschlossen werden.

Auf die Ankündigungen folgten Proteste: AUVA-Obmann Anton Ofner zeigte sich empört, dass die Ressortchefin erst eine Frist bis Jahresende setze und sich dann im April umentscheide. Hauptverbands-Chef Alexander Biach (ÖVP) nannte eine Auflösung einen "völlig falschen Schritt". Die GPA-djp kündigte mehrere Betriebsversammlungen an, auch Flugblattaktionen in Unfall-Krankenhäusern soll es ab dieser Woche geben. Für den 16. April ist eine außerordentliche Generalversammlung in der AUVA geplant sowie eine Sitzung des Zentralbetriebsrats.

Am Sonntag versuchte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu beruhigen. In der ORF-"Pressestunde" verkündete er: Es habe heftige Übertreibungen und Panikmache gegeben. Tatsache sei: "Wir wollen keine Spitäler zusperren." Die AUVA sei eine "gute Berufsunfallversicherung", sie gehe aber "über den Kernauftrag hinaus" und verwende Mittel in der Freizeitunfallversorgung und -rehabilitation oder in gar nicht unfallbezogenen Bereichen.

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