AUVA-Belegschaft wettert gegen "Ministerin für Asoziales"

Proteste gegen die Zerschlagung der AUVA
Proteste gegen die Zerschlagung der AUVAAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Mitarbeiter des Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhauses protestieren gegen eine mögliche Zerschlagung der AUVA - und Gesundheitsministerin Hartinger-Klein. Diese gab eine Bestandsgarantie für AUVA-Spitäler ab, nannte aber keinen künftigen Betreiber.

Die Belegschaft der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) kämpft mit harten Bandagen gegen eine mögliche Zerschlagung der Institution. Bei einer Betriebsversammlung im Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus protestierten am Dienstag Mitarbeiter und Gewerkschaft gegen dahin gehende Aussagen von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die "Ministerin für Krankheit und Asoziales" genannt wurde.

Die Ministerin gab am Dienstagnachmittag dann eine Bestandsgarantie für die Unfallkrankenhäuser ab, allerdings ließ sie offen, mit welchem Betreiber dies geschehen würde: "Die Sozialversicherung wird generell umgestaltet, und hier wird es Möglichkeiten geben, dass die UKH weiter in der Sozialversicherungsfamilie angesiedelt werden. Wo genau, ist in Diskussion", sagte sie gegenüber dem ORF. "Die Standorte werden alle garantiert, das ist kein Thema", erklärte sie. Dass dies nicht mehr unter der Ägide der AUVA geschehen solle, bestätigte sie mit einem Kopfnicken.

Sie wolle in der Sozialversicherung einen "Change Management Prozess" einleiten, was eine große Herausforderung sei, sagte Hartinger-Klein: "Es ist mir klar, dass ich von den bestehenden Personen, die dort agieren, angefeindet werde. Da geht es ja letztendlich um ihre Pfründe, um ihre Macht, die sie da verlieren."

"Rote Linie übertreten"

An die 300 Mitarbeiter des Unfallkrankenhauses hatten sich am Vormittag vor dem Gebäude in Wien-Brigittenau versammelt, um ihren Unmut gegen die Regierung zu demonstrieren. Betriebsrat Manfred Rabensteiner betonte, dass kein Patient während der Betriebsversammlung nach Hause geschickt werde. Die Maßnahme sei aber notwendig, da die Ministerin mit ihren Aussagen zu Einsparungen in der AUVA "die rote Linie übertreten" habe.

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Die Regierung "setzt in letzter Konsequenz das Leben von Menschen aufs Spiel", zeichnete Rabensteiner ein drastisches Szenario. Sein Appell: "Frau Minister! Nehmen Sie die Forderung zurück, die AUVA zu schließen! Und im Anschluss Ihren Hut!" Noch pointierter formulierte es Betriebsrat und Ärztesprecher Heinz Brenner: "Wenn jemand so etwas vorhat, dann sollte er auf sein Türschild schreiben: 'Ministerin für Krankheit und Asoziales'."

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Auch AUVA-Zentralbetriebsrat Erik Lenz betonte, während des Protests die Versorgungssicherheit aufrechterhalten zu können - "wir können und wollen nämlich nicht am Patienten sparen, das wollen andere". Unterstützung gab es von Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. "Die Unfallchirurgie wurde erfunden von Lorenz Böhler", bezog er sich auf den Namensgeber des Spitals. Umso unverständlicher sei es daher, wenn eine solche Einrichtung aufgelöst werden könnte.

GPA-djp will für Erhalt der AUVA mitkämpfen

Mitorganisiert hatte den Protest die Gewerkschaft GPA-djp. "Wir werden gemeinsam weiter kämpfen für den Erhalt der AUVA", so Barbara Teiber von deren Bundesgeschäftsführung. Und auch die Belegschaftsvertreter ließen wissen, dass es sich bei den Betriebsversammlungen in ganz Österreich nur um einen ersten Schritt handle, sollte Hartinger-Klein nicht einlenken. Oder wie es Arbeiter-Betriebsrat Peter Redl formulierte: "Wir sind zu allem entschlossen."

Nicht direkt auf die Proteste ein ging die Gesundheitsministerin am Rande einer Pressekonferenz zum Thema Diabetes. Für Hartinger-Klein steht die Tatsache im Vordergrund, dass 80 Prozent der Behandlungen in Unfallkrankenhäusern nach Freizeitunfällen erfolgen und die Arbeitsunfälle damit nur einen kleinen Teil ausmachten. "Das ist das Thema, das anzugehen ist", sagte die Ministerin. Bezüglich der Betreiber der Unfallkrankenhäuser verwies sie auf weitere Verhandlungen am Donnerstag.

Kern sieht nur Großunternehmen entlastet

Auch die Opposition reagierte am Dienstag auf die Protestaktionen. Die Neos plädierten bei einer Pressekonferenz für eine "echte" AUVA-Reform: Sie fordern die Übergabe der Unfallkrankenhäuser an die Länder und eine Arbeitsunfall-Versicherungspflicht anstelle der Pflichtversicherung für Firmen. Neos-Chef Matthias Strolz kritisierte zudem Hartinger-Klein und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sie würden eine "konzeptlose Überschriftenpolitik" betreiben. Die Auflösung der AUVA in den Raum zu stellen, ohne einen Plan für eine Folgeregelung zu präsentieren, sei verantwortungslos und skurril.

SPÖ-Chef Christian Kern versprach per Stellungnahme, dass seine Partei "alles unternehmen" werde, "um Kürzungen um Gesundheitssystem zu verhindern". In Kerns Augen wollen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Strache bloß Unternehmen entlasten - verkauft werde das als "Sparen im System". Die Verwaltung der AUVA, also das "System", koste aber nur 90 Millionen. "Bei einer ambitionierten Reduktion der Verwaltungskosten von 10 Prozent bleiben immer noch 490 Millionen Kürzungen bei den Patienten", rechnete der SPÖ-Chef vor. Für die Patienten heiße das: "Entweder weniger medizinische Leistung oder höhere Beiträge zahlen. Die Nutznießer sind vor allem die Großunternehmen, die sich Beiträge sparen."

Auf einen Blick: Causa AUVA

Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gab in der Vorwoche bekannt, sie gehe nicht davon aus, dass der AUVA die geforderten Einsparungen im Umfang von 500 Millionen Euro gelingen würden. "Nach derzeitigem Stand" werde es folglich wohl zur Auflösung kommen. Ein "Grobkonzept" zur Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger könnte Ende April/Anfang Mai vom Ministerrat beschlossen werden.

AUVA-Chef Anton Ofner zeigte sich empört, dass die Ressortchefin erst eine Frist bis Jahresende setze und sich dann im April umentscheide. Hauptverbands-Chef Alexander Biach (ÖVP) nannte eine Auflösung einen "völlig falschen Schritt". Die GPA-djp kündigte mehrere Betriebsversammlungen an, auch Flugblattaktionen soll es geben. Für den 16. April ist eine außerordentliche Generalversammlung in der AUVA geplant sowie eine Sitzung des Zentralbetriebsrats.

Am Sonntag versuchte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu beruhigen. Im ORF verkündete er: Es habe Übertreibungen und Panikmache gegeben. Tatsache sei: "Wir wollen keine Spitäler zusperren." Die AUVA sei eine "gute Berufsunfallversicherung", sie gehe aber "über den Kernauftrag hinaus".

(APA)

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