Experte will bei Sozialversicherungs-Reform viel weiter gehen

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Den Reformgegnern unterstellt Gesundheitsökonom Pichlbauer Angst um die eigenen Machtsphären. Kritik übt er an "absurden Abgrenzungsprobleme" punkto Zuständigkeit.

Der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer hält die von der Bundesregierung geplante Reform der Sozialversicherung und Zusammenlegung der Krankenkassen für den richtigen Weg. "Ich persönlich würde noch viel weiter gehen", meinte Pichlbauer zu den Regierungsplänen, die derzeit 21 Sozialversicherungsträger auf maximal fünf Träger zusammenzuführen.

Alle Studien zum österreichischen Gesundheitssystem besagen laut Pichlbauer, dass dieses nicht zu dem Ergebnis führt, das man erreichen könnte, und zwar seit Jahrzehnten. "Die Existenz so vieler Träger ist nicht geeignet, die Entwicklung eines rationellen, aufeinander abgestimmten und reibungslos funktionierenden Systems zu fördern", heißt es etwa in einer Analyse der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 1969. An diesem Befund hat sich laut Pichlbauer auch knapp 50 Jahre später nichts geändert.

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Die Politik der kleinen Schritte müsse deshalb enden, so der Gesundheitsökonom. Die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger würde dabei schon einiges bringen - "wenn sie ehrlich gemeint ist". Wenn nämlich darunter die Länderkassen erst recht wieder ihr eigenes System erhalten könnten, "dann kommt gar nichts dabei heraus". Es brauche eine Bereinigung der Kassen- und Spitälerstruktur.

"Absurde Abgrenzungsprobleme" punkto Zuständigkeit

Durch die über die Jahre gewachsene Struktur gebe es im Gesundheitssystem "absurde Abgrenzungsprobleme" punkto Zuständigkeit für den Patienten. Derzeit müssten sich Ärzte in Spitälern etwa oft fragen, ist das noch Krankenbehandlung oder schon Rehabilitation und welche Kasse ist dafür zuständig. Über Leistungsharmonisierung innerhalb der Sozialversicherungen und Krankenkassen werde seit 1996 geredet, tatsächlich sei man von einer Harmonisierung vor allem der ärztlichen Leistungen und Honorare noch weit entfernt, kritisiert Pichlbauer.

"Der Grund, warum eine Kassenfusion sinnvoll ist, ist die Möglichkeit, das Gesundheitswesen straffer zu organisieren, um die Planung, und in weiterer Folge die Versorgung zu verbessern." Das finanzielle Einsparungspotenzial liege nicht in der Verwaltungsreform selbst, aber wenn die Verwaltung vereinfacht wird, dann gebe es eine bessere Abstimmung aller Akteure und klarere Zuständigkeiten für den Patienten, so Pichlbauer. Dies würde dann mittel- bis langfristig zu einem effizienteren Kosteneinsatz führen.

Angst um die eigenen Macht- und Einflusssphären

Den Reformkritikern in den Sozialversicherungen, der Ärzteschaft und bei den Sozialpartnern unterstellt der Gesundheitsökonom Angst um die eigenen Macht- und Einflusssphären. "Wir erleben hier immer die erheblichsten Widerstände mit den üblichen Argumenten: die Patienten werden sterben, das Sozialsystem wird kaputt gemacht, alles wird schlechter. Aber das ist nicht so. Das, was die Regierung da macht, ist nicht völlig daneben. Alle, die für die Patienten arbeiten und nicht für das System, brauchen sich nicht zu fürchten."

(APA)

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