Gedenken: „Der Frühling hat gesiegt“

Arik Brauer (hier mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache) war Festredner bei der Gedenkfeier im Bundeskanzleramt.
Arik Brauer (hier mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache) war Festredner bei der Gedenkfeier im Bundeskanzleramt.(c) APA/BKA/ANDY WENZEL
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Das Bundeskanzleramt lud zu einem Festakt zur Befreiung vom NS-Regime. Aber auch die tagespolitische Debatte ging weiter.

Wien. Immer wieder spielt die Tagespolitik bei Gedenkveranstaltungen eine wichtige Rolle, der Höhepunkt wurde wohl vor wenigen Tagen erreicht: Der Autor Michael Köhlmeier hielt bei einer Gedenkveranstaltung in der Hofburg eine Brandrede gegen die FPÖ.

Die Freiheitlichen wehrten sich, die ÖVP sprang ihnen bei. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) meinte am Dienstag in der „Tiroler Tageszeitung“, er sehe in der Kritik des Autors an seiner Person einen NS-Vergleich – den er auf das Schärfste zurückwies. „Die Aussage, dass es auch damals Menschen gegeben hat, die Fluchtrouten geschlossen haben, zielt eindeutig auf Nazis und Nazi-Kollaborateure ab“, sagte er am Dienstag. Die Schriftstellervereinigungen stellen sich wiederum hinter ihren Kollegen. Er habe in seiner Rede „die Aufgabe übernommen, auf den heuchlerischen Umgang mit dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus einzugehen“.

Gestern, beim offiziellen Festakt zur Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 1945, versuchte die Regierung allerdings die aktuelle Debatte aus dem Bundeskanzleramt rauszuhalten. Als Festredner geladen war Zeitzeuge Arik Brauer. Er hatte kürzlich kritisiert, dass FPÖ-Minister nicht nach Mauthausen eingeladen wurden – weil jene FPÖ-Politiker kommen würden, „deren historische Aufgabe es ist, die FPÖ zu einer demokratischen Partei zu formen“, sagte er dem „Kurier“. Zuletzt hatte er auch mit der Aussage aufhorchen lassen, er habe heute mehr Angst vor dem Antisemitismus muslimischer Einwanderer als vor dem der Rechten.

Arik Brauer erinnert

Am Dienstag erzählte er von seinen Erinnerungen an den 8. Mai 1945: Er kam aus seinem Versteck im Schrebergarten in Ottakring heraus – „ich war 16 Jahre, wog 40 Kilo, habe ausgeschaut wie ein Kind“. Dann aber „hat der Frühling gesiegt“. Er sah einen russischen Panzer.

Brauer erinnerte aber auch an den „hysterischen Jubel“ 1938 in Österreich angesichts des „Anschlusses“ an Nazideutschland und das „euphorische Gefühl, einer auserwählten Rasse anzugehören, die das Recht hat und vielleicht auch die Pflicht hat, alle anderen zu besiegen, und wenn's passt, auch auszurotten“.

Nach dem Krieg „musste eine neue Generation heranwachsen“. „Und ich bin sicher, dass heute in Österreich die überwältigende Mehrheit der Menschen durchaus imstande ist, die Situation und die Wahrheit von der Zeit des Zweiten Weltkriegs richtig einzuschätzen“.

Zum Schluss sprach Brauer indirekt allerdings doch noch die Köhlmeier-Debatte an: „Glücklich die Bevölkerung, deren Regierung hoffentlich imstande ist, mit Geduld und mit Freude die Kritik der Öffentlichkeit zu ertragen“, sagte er unter viel Applaus: Je mehr davon, umso besser.

Und die Regierung? „Es ist ein Tag der Freude. Es ist aber auch ein Tag, an dem wir uns unserer Verantwortung stellen müssen“, sagte Kurz (ÖVP). Österreich habe lange gebraucht. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) erinnerte auch an das Leid nach der Befreiung. Beide warnten auch vor dem neuen Antisemitismus. Laut Strache „wurde er leider Gottes auch importiert, da haben wir noch Handlungsbedarf“. (ib)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2018)

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