Rauchverbot: Stadt Wien zieht vor den VfGH

PK ZU RAUCHVERBOT: HACKER / SIMA
PK ZU RAUCHVERBOT: HACKER / SIMA(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Wien bringt eine Verfassungsklage gegen die von der Bundesregierung erteilte Raucherlaubnis in der Gastronomie ein. Diese soll so gekippt werden. Zentrales Argument: die Ungleichbehandlung der Gastro-Arbeitnehmer.

Wien lässt das Rauchergesetz von den Höchstrichtern prüfen: Umweltstadträtin Ulli Sima und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) haben am Montag in einer Pressekonferenz den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) angekündigt. Damit soll die von der Bundesregierung erteilte Raucherlaubnis in der Gastronomie gekippt werden.

Die jetzige Regelung würde nicht funktionieren, das würden Messungen und Kontrollen belegen, hieß es auf der Pressekonferenz.

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ÖVP und FPÖ hatten im Nationalrat das eigentlich ab dem 1. Mai geltende Rauchverbot rückgängig gemacht. Seither darf unter bestimmten Voraussetzungen in Lokalen weiter gequalmt werden.

Ungleichbehandlung für Mitarbeiter zentrales Argument

Argumentiert wird das Vorgehen in Sachen Rauchergesetz vor allem mit der - jedenfalls nach Ansicht Wiens - bestehenden Ungleichbehandlung. Denn es würden Arbeitnehmer an allen anderen Arbeitsstätten vor Passivrauch geschützt, in der Gastronomie jedoch nicht. Weiters wird bekrittelt, dass Kinder und Jugendliche, die noch nicht rauchen dürfen, trotzdem Zugang zu den Lokalen hätten.

Laut Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk wird der VfGH im Rahmen eines "abstrakten Normenkontrollverfahrens" mit der Materie beschäftigt. Das bedeutet, dass nicht anhand eines Einzelfalls geprüft wird. Funk bezweifelt, dass die gesetzliche Maßnahme - also die Aufhebung des Rauchverbots - ohne Auswirkungen bleibt: "Es ist davon auszugehen, dass es zu Konsequenzen kommt, also dass es schwerwiegende Gesundheitsbelastungen gibt."

"Unlogik" beim Kinderschutz

Von einer "Angemessenheit" der Regelung könne keine Rede sein, zeigte Funk sich überzeugt. Es bestehe vielmehr eine Gefahr für alle Gäste, da auch die Nichtraucherbereiche betroffen seien. Die Verschlechterung sei nicht sachlich begründet und damit verfassungswidrig. Maßgeblicher Ansatzpunkt der Klage ist jedoch das Thema Ungleichbehandlung. Die für die Gastronomie definierte Ausnahme vom Rauchverbot am Arbeitsplatz sei unzulässig, ist man im Wiener Rathaus überzeugt. Es sei nicht ersichtlich, warum es dem Personal dort zuzumuten sei, von Passivrauch in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Die Mitarbeiter hätten nämlich keine Wahlfreiheit. Sie würden - anders als die Gäste - ihren gesamte Arbeitstag dort verbringen. Auch dass die Ausnahmeregelung nicht für andere Bereiche wie Tanzschulen oder Kinos mit Ausschank gelte und damit eine ungleiche Behandlung vorliege, wird ins Treffen geführt.

Dort wo eine Ungleichbehandlung nötig sei, werde hingegen darauf verzichtet, erklärte der Jurist. Er ortete eine entsprechende "Unlogik" im Zusammenhang mit dem Schutz von Kindern - die viel empfindlicher seien. Sie hätten jedoch wie Erwachsene unbegrenzten Zugang zum Raucherbereich, was laut dem Wiener Vorbringen problematisch ist.

Studien zeigten deutlich höhere Belastung

Die für Lokalkontrollen zuständige Ressortchefin Ulli Sima (SPÖ) meinte, die "Retropolitik" der Bundesregierung lasse Österreich zum "Aschenbecher Europas" werden. Sima verwies auch auf jüngste Kontrollen in Nichtraucherbereichen von gemischten Lokalitäten. Dort sei die Belastung deutlich höher als erlaubt. In 62 Prozent der Überprüfungen seien Verstöße registriert worden.

Laut Sima wird die Klagseinbringung am 12. Juni in einer Sitzung der Wiener Landesregierung erfolgen. Formal erfolgt die Anrufung des Höchstgerichts nämlich vom Land und nicht von der Stadt Wien. Einig war man sich heute, dass eine Aufhebung vollen Nichtraucherschutz und nicht nur eine teilweise Änderung der Regelung bringen würde.

"Die Freiheit des Einzelnen hat Grenzen", betonte auch Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) - der sich selbst als "bekennender Raucher" bezeichnete. Sein Vorgehen stünde in keinem Widerspruch zu seiner eigenen Sucht. Und er verwies ebenfalls auf internationale Beispiele: "In fast allen Ländern Europas ist es selbstverständlich, dass man in Lokalen nicht mehr rauchen darf."

Auf einen Blick

In Österreich ist seit 2009 ein "grundsätzliches" Rauchverbot in Lokalen in Kraft. Nach einer Übergangsfrist für Umbauarbeiten und einer Neuregelung dürfen seit Juni 2010 Gastronomen den Tabakkonsum nur mehr dann erlauben, wenn sie über abgetrennte Raucherzimmer verfügen oder die gesamte Verabreichungsfläche nicht größer als 50 Quadratmeter ist. Durch den Lungenkrebs-bedingten Tod des Journalisten und Rauchers Kurt Kuch wurde die Debatte über das Rauchverbot Anfang 2015 neu entfacht. Wenige Monate später einigte sich die SPÖ-ÖVP-Regierung auf ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Türkis-Blau kippte dieses Vorhaben - und löste damit Proteste und das "Don't Smoke"-Volksbegehren aus.

(APA)

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