Regierung in Brüssel: Kurz will "ein Europa, das schützt"

OeSTERREICHISCHER EU-RATSVORSITZ 2018: MINISTERRAT ZU OeSTERREICHS EU-VORSITZPROGRAMM / KURZ / KOeSTINGER / BLUeMEL / STRACHE
OeSTERREICHISCHER EU-RATSVORSITZ 2018: MINISTERRAT ZU OeSTERREICHS EU-VORSITZPROGRAMM / KURZ / KOeSTINGER / BLUeMEL / STRACHEAPA/ROLAND SCHLAGER
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Die Bundesregierung will in der Ratspräsidentschaft Brückenbauer sein. Im Fokus stehe der Kampf gegen die illegale Migration und der Schutz der Außengrenzen. Die Opposition kritisierte die "Klassenfahrt des Ministerrats".

Die österreichische Regierung ist am Mittwochvormittag in Brüssel zum informellen Ministerrat zusammengekommen. Im Vorfeld des Ratsvorsitzes sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) von einer großen Ehre und Verantwortung. "Der Vorsitz bietet uns die Möglichkeit, noch besser mitzugestalten." Das Motto der Regierung laute: "Ein Europa, das schützt". Beim Besuch in Brüssel wird die Feinabstimmung des Programms für den Ratsvorsitz mit der Kommission vorgenommen.

Kurz betonte nach dem Ministerrat, die Regierung strebe eine Union an, die auf Subsidiarität setze. Er wolle eine Union, die in großen Fragen - wie etwa beim Binnenmarkt, in Fragen des internationalen Handels und Außengrenzschutzes - zusammenarbeite und sich in kleinen zurücknehme. Das klare Ziel sei mittelfristig wieder mehr "Miteinander auf unserem Kontinent".

Schwerpunkt Außengrenzschutz und illegale Migration

Der Fokus der Ratspräsidentschaft solle im Kampf gegen die illegale Migration liegen. Kurz meinte, dass das Flüchtlingsthema schon für "viel zu viele Gräben und Spaltungen in der EU geführt" habe und will daher "darauf fokussieren, wo wir einer Meinung sind: dem Außengrenzschutz". Der Regierung schwebt hier eine Stärkung von Frontex vor - "personell und finanziell". Das Ziel müsse es sein, illegale Migranten an den Außengrenzen zu versorgen und zurückzustellen. Man müsse auch mit den Transitländern zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass sich Menschen überhaupt auf den Weg nach Europa machen können. Nur so könne man "die Überforderung in Europa und das Ertrinken" beenden.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache sagte, es gäbe Überlegungen zu Asyl-Aufnahmezentren außerhalb der EU. Asylanträge sollen hier vorweg eingebracht werden, anstatt illegal den Weg nach Europa zu beschreiten. Mit Kanzler Kurz war er sich einig, dass es für Flüchtlinge keinen Anspruch geben dürfe, sich das Land, in das man flüchten will, auszusuchen. "Viele werden sich dann nicht mehr auf den Weg machen", meinte Kurz. "Das beendet die Überforderung in Europa und verhindert das Sterben am Weg." Strache betonte zudem, dass die Asylverteilung und Flüchtlingsquoten "sicher der falsche Weg" seien, dies habe auch schon in der Vergangenheit nicht gefruchtet. Gleichzeitig wolle man verhindern, dass neue Fluchtrouten entstehen. Albanien habe man diesbezüglich schon Unterstützung in Form von Polizisten und entsprechendem Gerät zugesichert.

Weitere Themen: Brexit und EU-Budget

Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) nannte mit dem Brexit und EU-Budget weitere Themen, die den Ratsvorsitz bestimmen werden. Der Austrittsvertrag von Großbritannien wird während Ratspräsidentschaft definiert. Dann gehe es darum, wie das künftige Verhältnis sein werde. Blümel betonte, dass Großbritannien weiterhin ein wesentlicher Partner im sicherheits- und wirtschaftspolitischen Bereich bleiben werde. Was den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen betrifft, sei die Position der Regierung klar: "Es war bisher ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts und ein Prozent soll es auch bleiben."

Es gebe "genug zu tun", meinte Kurz. Als Ratsvorsitzender habe man zwar etwas mehr Einfluss, "aber man kann auch nicht allein entscheiden. Es muss bei den meisten Themen ein Konsens aller 28 gefunden werden". Nach dem heutigen Treffen zur "Feinabstimmung" mit der EU-Kommission über das Programm für die österreichische Ratspräsidentschaft werde es einen zweiten Termin mit der Kommission in Wien geben.

Juncker sieht österreichischer Ratspräsidentschaft "mit großen Erwartungen entgegen"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die österreichische Regierung bei ihrem Besuch in Brüssel gelobt. Juncker sprach Mittwoch nach einem Treffen mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) von einer offenen Aussprache und er setze große Hoffnungen in den Ratsvorsitz Wiens.

Sowohl Juncker als auch Kurz halten die Sicherung der Außengrenzen im Migrationsbereich für die prioritäre Frage. Juncker erklärte sogar, "für mich ist das Thema Schutz der Außengrenzen wichtiger als alle anderen untergeordneten Fragen." Außerdem betonte der Luxemburger, dass Österreich ein "klassisches Brückenland" aufgrund seiner geografisch bedingten Lage sei. Er sehe der österreichischen Ratspräsidentschaft "mit großen Erwartungen entgegen". Juncker sagte: "Wir haben alle Themen behandelt - Westbalkan, Haushalt, Flüchtlingsfragen, Soziales, alles Mögliche". Sein Eindruck nach den Gesprächen mit Kurz und Strache sei, dass "die Kommission und die österreichische Bundesregierung sich Hand in Hand aufeinander zubewegen". Dies geschehe in gegenseitigem Respekt, "manchmal mit unterschiedlichen Vorstellungen. Aber die Vorstellungen sind nicht so unterschiedlich groß, dass es nicht eine große Schnittmenge" gebe, was die "deutlich proeuropäische Bundesregierung" betreffe. 

Spitzen aus der Opposition: "Weglächeln der Probleme"

Die Opposition verurteilte indes die Inszenierung der Regierung. SPÖ-Chef Kern kritisierte auf Twitter die hohen Kosten der "Klassenfahrt des Ministerrats" nach Brüssel. Außerdem warf der Oppositionschef der Bundesregierung vor, statt der zuvor geplanten 43 Millionen Euro nun 120 Millionen für den EU-Vorsitz budgetiert zu haben.

"Während man sich gerne proeuropäisch gibt, werden alle wirklichen Probleme bei netten Fototerminen weggelächelt", sagte die SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Evelyn Regner, in einer Aussendung. "Brücken bauen und zurückhaltend moderieren, das sind die schwierigen Herausforderungen der Vorsitzführung. Das erfordert aber ein ehrliches Interesse am Ausgleich, stattdessen eskaliert und provoziert Schwarz-Blau ganz bewusst." Sie kritisierte, dass Bundeskanzler Kurz den neuen US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, nach dessen "untragbaren" Aussagen zum Mittagessen trifft, oder Vizekanzler Strache Grundprinzipien der EU wie die Freizügigkeit infrage stelle. 

Auch die grüne Abgeordnete zum EU-Parlament Monika Vana pflichtete bei. Die Grünen würden von der Bundesregierung mehr erwarten, "als nur ihre Wahlkampfmethoden von der letzten Nationalratswahl in die Ratspräsidentschaft hineinzuziehen". Für sie ist generell "ein fehlendes Bekenntnis der schwarz-blauen Regierung für ein gemeinsames Europa erkennbar. Stattdessen soll eine künstliche Debatte über Sicherheit und Flucht geführt werden. Wichtige Reformen bleiben damit auf der Strecke".

(brun/APA)

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