Nationalrat beschließt Zwölf-Stunden-Tag ab 1. September

Seitens der Regierungsparteien, aber auch seitens der Opposition kamen Taferln zum Einsatz.
Seitens der Regierungsparteien, aber auch seitens der Opposition kamen Taferln zum Einsatz. (c) APA/ROLAND SCHLAGER
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ÖVP, FPÖ und Neos stimmten für das Gesetz, das die 60-Stunden-Woche gesetzlich etabliert. Zuvor hatte es eine heftige Debatte mit "vielen Taferln und wenig Hirn" sowie eine Demonstration vor der Hofburg gegeben.

Die türkis-blaue Bundesregierung drückt auf das Tempo - die Opposition ist empört. Der Grund: Die neuen Arbeitszeitregeln, die eine Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag oder 60 Stunden pro Woche ermöglichen, werden früher als geplant Geltung erhalten. Und zwar nicht erst mit 1. Jänner 2019, sondern schon mit 1. September. Das gaben ÖVP und FPÖ heute, Donnerstag, bekannt - und lösten damit (einmal mehr) den Unmut der politischen Mitbewerber aus. Am Nachmittag wurde das Paket letztlich mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Neos im Parlament beschlossen.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder beklagte zu Beginn der Nationalratssitzung, dass die Abgeordneten von der Vorverlegung aus den Medien erfahren hätten. Damit werde vorbei an allen parlamentarischen Usancen "der ganze parlamentarische Prozess schlecht gemacht". Sein Parteichef, Ex-Kanzler Christian Kern, brachte indes einen Antrag auf eine Volksabstimmung über die Ausweitung der Arbeitszeit ein - der keine Mehrheit fand.

Dessen ungeachtet ortete Kern während der Debatte im türkis-blauen Vorgehen die "massivste Verschlechterung seit drei Jahrzehnten". Das Gesetz sei "ungerecht, unausgegoren und durch und durch unvernünftig" und "ein Angriff auf die Arbeitnehmer". Außerdem prophezeite Kern der Regierung: "Sie werden nicht nur als Arbeitnehmerverräter in die Geschichte eingehen, Sie machen die Ungerechtigkeit zum Programm."

FPÖ kontert SPÖ: "Alles falsch und erlogen"

Alles "falsch und erlogen", konterte FPÖ-Klubobmann Rosenkranz. Der acht Stunden Tag, die 40-Stunden-Woche, die Überstundenzuschläge, die Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen würden bleiben. Die Menschen würden sich auf die neuen Regelungen "freuen". Dort, wo die Politik näher an der Bevölkerung sei, "kommt diese Maßnahme bei den Menschen gut an", so Rosenkranz, der Abgeordnete der Opposition etwa als "Rabiat-Gewerkschafter" bezeichnete und ihnen "Tourette-Syndrom" vorwarf. Dass das Gesetz völlig überraschend schon im September in Kraft treten soll, begründet er damit, dass man sich damit gut auf die Neuerungen "einstellen" könne.

>>> Dossier: Fluch oder Segen? Das Gerangel um den Zwölf-Stunden-Tag

Von einer "Win-Win-Situation" und einem "guten, ausgewogenem Gesetz für bei Seiten" sprach auch ÖVP-Klubchef August Wöginger. Sozialministern Beate Hartinger-Klein rückte ebenfalls aus, das Vorhaben zu verteidigen - und bemühte dazu ein Zitat von Karl Marx.

Liste Pilz wirft Regierung "null" Rücksichtnahme vor

"Viele Taferln und auf beiden Seiten, aber ziemlich wenig Hirnschmalz", ortete indes Gerald Loacker von den Neos. Die Regierung mache es ihm als Befürworter einer Arbeitszeit-Flexibilisierung "wirklich schwer". "Es ist so schlecht, dass ma' glauben könnte, es sei tatsächlich von den schwarzen und blauen Klubs geschrieben worden", so Loacker, der die Industriellenvereinigung als Schreiberin des Gesetzes vermutet. Das Vorhaben werde zu langjährigen Gerichtsauseinandersetzungen führen. "Der Rechtsnawalt Rosenkranz freut sich darüber, weil es damit Arbeit für die Rechtsanwälte gibt", so Loacker.

Aktionismus auf allen Seiten im Parlament.
Aktionismus auf allen Seiten im Parlament.(c) APA (Montage: Die Presse)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber von der Liste Pilz machte vor allem auf die Probleme für Familien aufmerksam. Die Regierung nehme "null Rücksicht auf die Gesundheit, null Rücksicht auf die Vereinbartkeit von Beruf und Familie, null Rücksicht auf die Kinder". Auf der anderen Seite werde der Ausbau der Kinderbetreuung zurückgeschraubt.

Taferlwettkampf drinnen, Demonstration draußen

Die Debatte wurde von zahlreichen Zwischenrufen und auch "Taferl"-Aktionen begleitet. So hatten alle Abgeordnete von ÖVP und FPÖ Schilder mitgebracht, die untermauern sollten, dass sich für die Arbeitnehmer quasi ohnehin nichts ändert: "8 Stunden am Tag", "40 Stunden in der Woche", "Es bleibt dabei" sowie "Freiwilligkeit garantiert", war darauf zu lesen. Die SPÖ hielt dem Verbotstafeln entgegen, auf denen jeweils die Zahl 12 bzw. die Zahl 60 rot durchgestrichen war.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sowie die Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) mahnten die Abgeordneten, es mit dem Hochhalten der Tafeln nicht zu übertreiben. Sobotka verwies auf die übliche Vorgangsweise im Hohen Haus: "Es ist die Usance, das 30 Sekunden zeigen zu dürfen", richtete er den Abgeordneten aus.

Vor dem Parlaments-Ausweichquartier in der Hofburg waren unterdessen rund 200 Demonstranten dem Aufruf der Jungen Generation der SPÖ gefolgt und demonstrierten lautstark gegen den 12-Stunden-Tag. Unter den Teilnehmern waren auch mehrere Oppositionsabgeordnete, darunter etwa SPÖ-Klubchef Schieder, der gemeinsam mit dem Protestierenden die "Internationale" zum Besten gab.

Kundgebung gegen den '12-Stunden-Tag' vor dem Ausweichquartier des Parlaments in der Wiener Hofburg am Donnerstag.
Kundgebung gegen den '12-Stunden-Tag' vor dem Ausweichquartier des Parlaments in der Wiener Hofburg am Donnerstag.APA/ROLAND SCHLAGER

(APA/Red.)

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