Wie der Staatsschutz umgebaut wird

Symbolbild: Überwachung
Symbolbild: ÜberwachungAPA/HERBERT PFARRHOFER
  • Drucken

Dia Causa Verfassungsschutz, nächster Akt: Ein Papier zeigt, wie eilig die Neuordnung gehen soll: schneller, als Aufträge dazu erteilt werden.

Wien. Die Umstrukturierung des Staatsschutzes schreitet in Windeseile voran. Laut einem internen Dokument, das der „Presse“ vorliegt, sollte die Umsetzung sogar noch schneller als der offizielle Auftrag dafür sein.

Der Projektauftrag zur Evaluierung des BVT und Neuausrichtung des Staatsschutzes wurde von Innenministerium-Generalsekretär Peter Goldgruber gegeben. „Die Presse“ berichtete bereits darüber, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zerschlagen werden soll. Die größten Abteilungen, Terrorismus- und Extremismusbekämpfung, sollen ins Bundeskriminalamt wandern, der Rest zu einem echten Nachrichtendienst umgebaut werden, neue Befugnisse bekommen. Über diese Pläne berichteten Insider der „Presse“.

Minister Herbert Kickl (FPÖ) war bei einer Pressekonferenz Ende Mai noch deutlich zurückhaltender – hat davon gesprochen, dass man zuerst bis Herbst eine Evaluierung machen und dann konkrete Schritte machen wolle. Der vorliegende Projektauftrag ist mit 4. Juni datiert – und zeigt, wie eilig man es aber offenbar wirklich hatte.

Die Observation

Laut Dokument sollte die Verfassungsschutzobservation mit 1. Juli wieder in das BVT eingegliedert werden – die rund 60 Mann starke Abteilung wurde vor einiger Zeit der Cobra zugeschlagen. Die Abteilung übernahm für das BVT Observationen im Bereich Extremismus, Terrorismus sowie im nachrichtendienstlichen Bereich. Sollten Extremismus- und Terrorismusreferat nun aus dem BVT herausgelöst werden, hätte die große Observationsabteilung nur noch eine Aufgabe: im nachrichtendienstlichen Bereich zu observieren. Kritiker orten Gefahren: Derzeit ist das BVT eine Polizeibehörde, darf nur auf konkreten Verdacht und nach Anzeige handeln und observieren. Ein Nachrichtendienst arbeitet deutlich präventiver – und auch die Observationen könnten präventiver angesetzt werden. Länder, in denen die Praxis bei derartigen Konstrukten ausgeartet ist, nennt man „Spitzelstaaten“. Ein präzise ausgearbeitetes Gesetz im Hintergrund ist also unabdingbar.

Das Lagezentrum Wien

Das Lagezentrum der Wiener Polizei sollte laut Auftrag bereits mit 1. Juni 2018 in eine ähnliche Abteilung auf Bundesebene eingegliedert worden sein. Die Abteilung dient der administrativen Entlastung von Fachabteilung, kümmert sich etwa um die Auswertung von Zeitungsartikeln, schreibt Berichte um aktuelle Vorfälle oder erstellt Statistiken. Die Eingliederung des Wiener Lagezentrums in das BVT ist wohl nur ein erster Schritt. In einem weiteren wird das fusionierte Lagezentrum wohl direkt im Innenministerium angesiedelt werden – ein Plan, der seit Jahren immer wieder kursiert und nun wieder konkreter wird.

Die Aufgabenteilung

Bis Ende August soll klar sein, wie eine Aufgabenteilung zwischen BVT und Kriminalamt aussehen soll. Dann startet Phase zwei: die Umsetzung der entwickelten Maßnahmen inklusive Probebetriebs.

Die neuen Gesetze

Die „Beschreibung aller angestrebten gesetzlichen Änderungen mit Begründung und Gesetzesentwurf“ sollen bis 1. Jänner 2019 stehen – also parallel zu U-Ausschuss und Probebetrieb der neuen Struktur entwickelt werden. Das ist eine Mammutaufgabe.

So weit schaut zumindest der offizielle Plan für den neuen Staatsschutz aus. Als Projektverantwortlicher ist der wieder eingesetzte Direktor Peter Gridling genannt. Mehreren Quellen aus BVT und Kabinett zufolge gibt es neben der offiziellen aber auch eine inoffizielle Projektgruppe. Diese trifft sich vornehmlich dann, wenn Gridling außer Haus ist – und soll aus Personen bestehen, die Goldgrubers Vertrauen genießen. Dazu gehört Gridling offenbar nicht.

Kontrollen für Mitarbeiter

Dass das Misstrauen gegen die eigene Beamtenschaft seitens des Innenministeriums groß ist, zeigen auch andere Maßnahmen. So gibt es neuerdings Kontrollen für Mitarbeiter – deren Schreibtische ebenso sporadisch inspiziert werden wie ihre Taschen. Weiters gibt es viele neue Mitarbeiter im BVT – von denen die alten durch die Bank nicht wissen, was deren Aufgabe ist. Viele von den Neuen kommen aus den Polizeieinheiten Wega oder Cobra – der stellvertretende BVT-Direktor, Dominik Fasching, war lang bei Letzterer tätig. Unter den Neulingen findet sich übrigens die Anwärterin für den Titel der Miss Vienna 2008 – auch ihr Aufgabenbereich ist unklar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ)
Innenpolitik

VfGH: Kickl muss BVT-U-Ausschuss weitere Aktenteile vorlegen

Der Verfassungsgerichtshof hat zugunsten von SPÖ, Neos und Liste Pilz entschieden: Das Innenministerium muss den sogenannten Kabinettsakt nachliefern.
Justizminister Josef Moser bei einer am heurigen Forum Alpbach gegebenen
premium

BVT-Affäre: Kommen neue Regeln für Ermittler?

Nach der rechtswidrigen Hausdurchsuchung in Büros und Wohnungen von Verfassungsschützern machen Experten brisante Vorschläge zur Verbesserung der Behörden-Organisation. Indessen wird der fallführenden Oberstaatsanwältin die Missachtung eines Auftrags ihrer Vorgesetzten vorgeworfen.
Innenpolitik

BVT: Leitende Staatsanwältin wegen Amtsmissbrauchsverdachts angezeigt

Die für die Causa um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zuständige Staatsanwältin wurde angezeigt.
SONDERSITZUNG DES NATIONALRATES ZU BVT: KICKL
Innenpolitik

Kickl: „Ich habe Recht, Sie haben Unrecht“

Parlament. Die Opposition scheitert mit ihrem Misstrauensantrag gegen den Innenminister wegen der BVT-Affäre.
Innenminister Kickl muss sich neuerlich vor dem Parlament verantworten.
Innenpolitik

BVT-Sondersitzung: "Kickl war zu jedem Zeitpunkt informiert"

Die SPÖ glaubt, dass Innenminister Herbert Kickl "Drahtzieher" der rechtswidrigen Hausdurchsuchung im BVT sei und bat das Parlament zur Sondersitzung. Kickl verteidigte seine Arbeit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.