Gegen die Idee von Herbert Kickl, reine Rückführungszentren für Migranten in Drittstaaten zu installieren, regte sich in Innsbruck Widerstand aus mehreren Mitgliedstaaten.
Innsbruck. Hubschrauberlärm war schon frühmorgens über Innsbruck zu hören, als sich die Innenminister Österreichs, Deutschlands und Italiens im Vorfeld des informellen Ministerrats zu einem gemeinsamen Frühstück im noblen Hotel The Penz trafen. Was die drei vereinbart haben, ist nicht neu und lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: „Ordnung“ in der Migrationspolitik soll geschaffen werden, und zwar durch einen verstärkten Außengrenzschutz, den Kampf gegen Schlepperbanden und einen Stop der illegalen Migration. Ab 19. Juli wird es weitere Gespräche der selbst ernannten „Kooperation der Tätigen“ auf operativer Ebene geben.
Doch besonders gegen die von Herbert Kickl (FPÖ) ventilierten Pläne zu Flüchtlingsrückkehrzentren in Drittstaaten regte sich heftiger Widerstand unter einigen Ministerkollegen: „Bange“ könne einem werden in einem Europa, das nur auf den Außengrenzschutz fokussiert sei, sagte etwa der luxemburgische Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn bei seiner Ankunft in Innsbruck. Verfolgten Menschen müsse Solidarität entgegengebracht werden. Einmal mehr sprach sich der Luxemburger für eine Verteilung Schutzbedürftiger innerhalb Europas aus – ein Unterfangen, das bisher am Widerstand mehrerer Mitgliedstaaten gescheitert ist – und übte scharfe Kritik an der Vorgehensweise Österreichs: „Keine EU-Präsidentschaft hat das Recht, die Genfer Konvention außer Kraft zu setzen“, betonte der Sozialist. Reine Rückführungszentren außerhalb Europas seien jedenfalls „kein Thema für einen zivilisierten Europäer“. An der Seite Asselborns stehen Spanien, Portugal, Schweden und „teilweise auch Frankreich“, wie der Luxemburger Minister zur „Presse“ gesagt hat.
Flüchtlingsplattformen: Offene Fragen
Einen „breiten Konsens“ unter den EU-Ministern sieht Kickl hingegen in der Frage des besseren Außengrenzschutzes, der Frontex-Stärkung sowie gezielter Maßnahmen für die Herkunftsländer der Flüchtlinge. Bei den vom EU-Gipfel im Juni beschlossenen Ausschiffungsplattformen gibt es hingegen zahlreiche offene Fragen. So ist völlig unklar, ob es dort die Möglichkeit geben soll, den Asylstatus eines Flüchtlings festzustellen. Kickl selbst will keine „weiteren Pull-Faktoren schaffen“, wie er sagt. In einem informellen Rahmen am Rande des Treffens sprach der Minister gar einmal mehr von seiner „Vision“, dass Asylanträge künftig gar nicht mehr auf europäischem Boden, sondern nur noch in den Krisenregionen selbst gestellt werden sollten.
EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos fordert ebenso wie mehrere EU-Mitgliedstaaten, dass in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) die Schutzbedürftigkeit der gestrandeten Menschen bei den Ausschiffungsplattformen festgestellt wird – und diese anschließend in Europa verteilt werden.
Unabhängig von der Ausgestaltung der Zentren hat sich aber ohnehin noch kein einziges Land bereiterklärt, solche Plattformen auf eigenem Boden zuzulassen. Kickl kündigte gestern zunächst einen „Modellversuch“ außerhalb der EU an. Laut „Financial Times“ wird Belgiens Innenminister zudem kommende Woche nach Tunesien reisen, um dortige Möglichkeiten auszuloten.
Ungelöste Binnenmigration
Konfliktstoff für die kommenden sechs Monate gibt es also reichlich – und selbst zwischen den so einig auftretenden Ländern Österreich, Italien und Deutschland ist bekanntlich nicht alles eitel Wonne: Das Thema Binnenmigration sorgt seit Wochen für schlechte Stimmung, will Horst Seehofer doch jene Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze abweisen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Italien weigert sich bisher beharrlich, ein Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen zu akzeptieren. Horst Seehofer und Matteo Salvini verständigten sich nun in einem Zweiergespräch am Mittwochabend darauf, eine Arbeitsgruppe einzusetzen und sich Ende Juli wieder zu treffen.
Insgesamt war man in Innsbruck trotz allem darum bemüht, Optimismus im Sinn baldiger Lösungen zu versprühen – bis auf eine Ausnahme: Der Fokus auf den Außengrenzschutz führe dazu, so Asselborn im Gespräch mit der „Presse“, „dass wir wieder im selben Chaos wären“, würden sich die Geschehnisse der großen Flüchtlingswelle von 2015 wiederholen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2018)