Manfred Ainedter, Anwalt des Ex-Ministers, sieht für seinen Mandaten "durchwegs Entlastendes", Journalist Michael Nikbakhsh zeigt sich im ORF erstaunt über die Bankgeschäfte des Walter Meischberger. Beide loben die Richterin.
Der Korruptionsprozess um den ehemals jüngsten Finanzminister der Republik, Karl-Heinz Grasser, und 13 weitere Beschuldigte hat sich am Mittwoch in die Sommerpause verabschiedet. Erst am 18. September werden im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen die Affären rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 und die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer Terminal Tower wieder thematisiert werden – und Grasser weiter von Richterin Marion Hohenecker einvernommen. Hinzu kommt im Herbst dann auch noch die Causa „Telekom-Austria-Parteispenden“.
Aus diesem Anlass lud der ORF Grassers Anwalt Manfred Ainedter und den „profil“-Journalisten Michael Nikbakhsh in die „ZiB2“. Einig waren sich die beiden Diskutanten dort in einem Punkt: Die Prozessführung von Richterin Hohenecker sei zu loben. „Hervorragend“, nannte sie etwa Ainedter, „vielleicht ein bisschen zu sehr in epischer Breite“, aber jedenfalls „emotionslos“. Auch Nikbakhsh betonte, er habe einen „tadellosen Eindruck“ von der Kärntnerin, die zum Auftakt des Verfahrens im Dezember von den Verteidigern mit Anträgen auf Befangenheit konfrontiert worden war. Tatsächlich agiere Hohenecker „trocken, respektvoll, neutral“, so der Prozessbeobachter.
Schwiegermutter als "Burner"
Auseinander gingen die Meinungen dann bei der Frage nach dem bisher im Gericht Gehörten. So ortete Ainedter „durchwegs Entlastendes“ für seinen Mandanten. Darunter: Telefonprotokolle, die in der Vergangenheit gar in kabarettistischer Form an der Wiener Universität verlesen wurden, sowie die viel zitierten Tagebucheintragungen des Grasser-Trauzeugen und Zweitangeklagten Walter Meischberger. Auch das von den Ermittlern angelegte „Bewegungsprofil“, das zeigen sollte, wann sich der Ex-Minister im Jahr 2005 wo aufhielt, sei „unbrauchbar“, weil lückenhaft. Insofern gebe es „nichts, auf was sich seriöserweise eine Verurteilung gründen ließe“. Sein Befund vom Dezember, als er gemeint habe – „Diese Anklage wird schmelzen wie ein Schneemann in der Sonne“ – stimme seiner Ansicht nach immer noch.
Nikbakhsh, der, anders als Ainedter als Prozessbeobachter keine Beweisbeurteilung vornehmen darf, fand die Lage nicht so eindeutig. So gebe es das Teilgeständnis von Peter Hochegger (Aindeter dazu: „Das kann nicht stimmen.“), aber auch Fragwürdigkeiten rund um das sogenannte „Schwiegermuttergeld“ (Ainedter: „Ich wusste, dass die Schwiegermutter der absolute Burner – auf Neudeutsch – in diesem Verfahren wird.“). So sei es auffällig, meinte der Journalist, dass Grasser sich nicht genau erinnern könne, wann er die 500.000 Euro erhalten habe. Überhaupt finde er es überraschend, dass Grasser seine Rolle bei der Privatisierung von Buwog und Co. so klein geredet habe.
Weiters hielt Nikbakhsh die Art, wie Meischberger Bankgeschäfte abgewickelt haben will „für einen Normalsterblichen durchaus exotisch“. Gemeint ist: Hotelzimmer, in denen Computer aufgebaut seien und von denen aus man mit Liechtenstein Geschäfte tätigt, ohne je in Liechtenstein gewesen zu sein.
Ainedter für Livestream aus Verhandlung
Nicht in Ordnung, so fügte Ainedter dann noch an, sei die Medienberichterstattung über das Verfahren. Einmal mehr kritisierte er das Livetickern aus dem Gericht. Dabei handele es sich um „subjektiv gefärbte“, teilweise falsche Berichte – schon in der Hauptverhandlung hatten er und weitere Verteidiger vom Richtersenat die Untersagung des Tickerns beantragt, der Antrag wurde abgelehnt. Nun wagte Ainedter einen neuerlichen Vorstoß und plädierte dafür, anstelle des Livetickers gleich einen Livestream zu erlauben. Denn: So könne sich jeder ein Bild davon machen, was von wem wie gesagt wurde.
Derzeit untersagen allerdings §22 MedienG und §228 Abs4 StPO Fernseh- und Hörfunkaufnahmen sowie Film- und Fotoaufnahmen während der Gerichtsverhandlung.
Die Vorwürfe auf einen Blick
Causa Buwog: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 Bestechungsgeld geflossen ist (9,6 Millionen Euro). Gekommen sein soll das Geld von dem im Bieterverfahren siegreichen Österreich-Konsortium um Immofinanz und RLB OÖ – geflossen über Umwege auf diverse Konten. Die Zahlung ist seit 2009 erwiesen, offen ist die Frage: Hat der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser Informationen weitergegeben, um sich (und andere) zu bereichern? Und: Teilten sich Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech und der Lobbyist Peter Hochegger die Provision auf?
Causa Terminal Tower: Wie beim Buwog-Deal soll auch hier ein „Tatplan“ (bei Privatisierungsprojekten serienweise „mitschneiden“) befolgt worden sein. Und zwar: Grasser soll einen Teil der 200.000-Euro-Provision eingesteckt haben, die für die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer Terminal Tower geflossen sein soll.
Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, lediglich Peter Hochegger legte ein Teilgeständnis ab. Es gilt die Unschuldsvermutung.
>>> Ainedter und Nikbakhsh in der "ZiB2"
(hell)