Asylwerber als Lehrlinge: "Sonst kann ich keinen Schweinsbraten servieren"

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Der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne) appelliert an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), rasch Lösungen für die von der Abschiebung bedrohten Asylwerbern in Mangelberufen zu finden. Er legt dafür Rechts- und Wirtschaftsgutachten vor.

Der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne) hat am Mittwoch an die Politik appelliert, rasch Gespräche über eine Lösung für die von der Abschiebung bedrohten Asylwerber, die als Lehrlinge in Mangelberufen beschäftigt sind, aufzunehmen. Insbesondere Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) forderte Anschober auf, für die hunderten Betroffenen eine menschliche und wirtschaftlich vernünftige Lösung zum Bleiben zu finden.

Anschober legte eine Umfrage vor, wonach fast vier Fünftel der Österreicher keine Abschiebung während der Ausbildung wollen. Anschobers Petition "Ausbildung statt Abschiebung" hat zehntausende Unterstützer, auch viele Prominente - etwa Josef Hader und Hermann Maier - und Unternehmer stellen sich hinter das Vorhaben. Am Mittwoch zeigten neben Anschober auch der Ökonom Friedrich Schneider von der Linzer Kepler-Universität und der Rechtsexperte Manfred Nowak von Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte die Auswirkungen solcher Abschiebungen in Gutachten auf.

Er freue sich, dass sich die Wirtschaft so aktiv bei der Petition einbringe, sagte Anschober. Gerade für kleine Betriebe seien diese Lehrlinge besonders wichtig, betonte auch der Ökonom Schneider: "Gerade in diesen Betrieben stellt und fällt es damit, ob ich jemanden in der Küche habe oder nicht. Sonst kann ich keinen Schweinsbraten servieren, ganz simpel."

Lösung nach deutschem Modell oder durch Lehrlingsvisum?

Seit 2012 ist die Lehrlingsausbildung für Asylwerber bis 25 Jahren in Mangelberufen erlaubt. Unternehmen dürfen sie nur dann einstellen, wenn sich auf die freie Stelle kein Österreicher oder gut integrierter Zuwanderer bewirbt. Derzeit gebe es in Österreich rund 950  Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber, sagte Anschober. Mehr als ein Drittel dieser Beschäftigten sind nach negativen Bescheiden von der Abschiebung bedroht. Der Landesrat betonte, dass es derzeit 2555 offene Lehrstellen gebe. Es brauche also Arbeitskräfte. Wer aktuell aber Asylwerber anstelle oder bereits angestellt habe, lebe mit der Ungewissheit, ob die Arbeitskraft erhalten bleibe.

Anschober legte mehrere Möglichkeiten für eine kurzfristige Lösung der Problematik vor und zeigte sich "absolut optimistisch", dass diese im Herbst auch gelingen könne. Eine Variante wäre die Übernahme der deutschen "Drei plus zwei"-Regelung - drei Jahre Lehre plus zwei Jahre Duldung. Eine zweite Möglichkeit wäre eine aufenthaltsrechtliche Lösung im Fremdenrecht, die auch die Wirtschaftskammer schon genannt hat. Oberösterreichs Wirtschaftskammerpräsidentin Doris Hummer brachte die Einführung eines Lehrlingsvisums ins Spiel; die Neos haben eine "Rot-Weiß-Rot-Card Light" vorgeschlagen. Langfristig wünscht sich Anschober ein eigenes Einwanderungsgesetz.

Enorme volkswirtschaftliche Kosten bei Abschiebung

Menschenrechtsexperte Nowak zeigte auch eine rechtliche Möglichkeit auf. Unter Verweis auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sagte er, dass in jedem Einzelfall geprüft werden müsse, ob es übergeordnete gesamtwirtschaftliche Interessen einer Migrationskontrolle für eine Abschiebung gebe. Eine Interessensabwägung, ob diese größer seien als die wirtschaftlichen Interessen, die zur Erteilung der Beschäftigungsbewilligung in einem Mangelberuf geführt haben, habe bisher in den Bescheiden nicht stattgefunden. Nowak ist zuversichtlich, dass auch der Verfassungsgerichtshof in diesem Sinne entscheiden würde. Im Falle eines negativen Bescheides könnte sich ein Asylwerber mittels Individualbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof wenden.

Schneider präsentierte Berechnungen, wonach sich die betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten pro Asylwerber, der seine Ausbildung zur Fachkraft nicht abschließen kann, auf 77.500 Euro belaufen. Bettina Leibetseder vom Sora-Institut legte eine Umfrage unter 900 Personen vor, wonach 79 Prozent eher dafür sind, dass junge Asylwerber die Ausbildung fertig absolvieren dürfen.

Kneissls Hinweis für Anschober keine Lösung

Der Hinweis von Integrationsministerin Karin Kneissl (FPÖ), dass Unternehmer Lehrlinge unter den Asylberechtigten suchen solle, ist für Anschober keine Lösung. Es gebe bereits rund 1000 Betroffene; außerdem sei der Bedarf an Lehrlingen äußerst groß.

Die von Anschober initiierte Petition "Ausbildung statt Abschiebung" haben bisher 56.000 Personen unterzeichnet. 624 Unternehmen haben sich der Wirtschaftsplattform dafür angeschlossen, 91 Gemeinden haben Resolutionen an die Bundesregierung verabschiedet.

(APA/Red.)

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